A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Moseleysches Gesetz

Physik

© 2016 - 2025




Basiswissen


Das Moseleysche Gesetz (nach seinem Entdecker Henry Moseley) im Jahr 1914 beschreibt die Energie der Kα-Linie im Röntgenspektrum. Das ist die Strahlung, die beim Übergang eines L-Schalen-Elektrons zur K-Schale emittiert wird. Der Engländer Moseley lieferte mit seinem Gesetz eine frühe rechnerische Anwendung von Bohrs damals neuem Atommodell. Das ist hier mit einigen Rechenbeispielen erklärt.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Links die Kernaussage: es gibt eine Proportionalität zwischen der Frequenz der K-alpha-Linie ausgesandter Röntgenstrahlung und der Kernladungszahl Z des Anodenmaterials. Rechts der der ausführliche Zusammenhang. Mit Hilfe der Beziehung kann man aus der gemessenen Frequenz oder Wellenlänge der Strahlung auf das Anodenmaterial schließen. Links unten sieht man Moseley mit einer Röntgenröhre im Jahr 1910. © Gunter Heim unbekannt ☛


Grundidee


In einem Röntgengerät beschleunigt man freie Elektronen in einem Glasgefäß auf sehr hohe Geschwindigkeiten. Dann lässt man diese schnellen Elektronen auf das Metall einer sogenannten Anode aufprallen. Rhodium, Kupfer oder Wolfram sind beispielhafte solche Metalle.[3] Durch diesen Aufprall entsteht die Röntgenstrahlung. Diese Röntgenstrahlung kann man nach der Art der Vorgänge in dem bremsenden Metall weiter unterscheiden in die sogenannte Bremsstrahlung und in die charakteristische Strahlung. Die charakteristische Strahlung ist charakteristisch, das heißt typisch, für die Art von Metall der Anode. Das Moseleysche Gesetz stellt einen Zusammenhang zwischen der Frequenz dieser charakteristischen Strahlung und der Kernladungszahl (Anzahl Protonen im Kern) des Metalls her.

Als Wellenlänge


Eine heute weit verbreitete Form zur Darstellung des Moseleyschen Gesetzes gibt direkt den Kehrwert der Wellenlänge für die ausgesandte charakteristische Kα-Linie.

  • 1/λ = 0,75·(Z-1)²·R∞

Mit


Rechenbeispiel


Für die Röntgengeräte in Arztpraxen wird als Anodenmaterial oft (nicht immer)[3] das chemisch und physikalisch sehr robuste Metall Wolfram verwendet. Setzt man dessen recht hohe Ordnungszahl von 74 zusammen mit dem Wert der Rydberg-Konstanten in die Formel ein, kann man die Wellenlänge der charakteristischen Röntgenstrahlung ausrechnen.

  • 1/λ ≈ 0,75·(74-1)²·1,097·10⁷ m | vereinfachen
  • 1/λ ≈ 0,75·5329·1,097·10⁷ m⁻¹) | ausrechnen
  • λ ≈ 22,81·10⁻¹² m

Die Wellenlänge der charakteristischen Strahlung von Röntgeräten mit Wolfram als Anodenmaterial läge nach dem Moseleyschen Gesetz also bei etwa 22,81·10⁻¹² m oder grob rund 23 Pikometern. Das National Bureau of Standards aus den USA gibt als Wert rund 21 Pikometer an.[5] Die Abweichung von rund 10 % kann erklärt werden. Siehe dazu den Abschnitt über den Geltungsbereich des Gesetzes, weiter unten.

Als Proportionalität


Das Moseleysche Gesetz wird in sehr unterschiedlichen Formen dargestellt. Die Kernaussage, nämlich der Bezug zwischen der Kernladungszahl Z und der Energie, Wellenlänge oder Frequenz der ausgesandten Photonen der für das Anodenmetall charakteristischen Strahlung bleibt dabei aber immer erhalten. Eine besonders einfache Variante beschreibt lediglich die Proportionalität.

  • √ν ∝ Z

Mit


Die Formel besagt, dass die Wurzel der Frequenz der für ein Anodenmetall charakteristischen Röntgenstrahlung proportional zur Kernladungszahl des Metalls ist.

Die Proportionalität kann man auf verschiedene Weisen ausdrücken, die aber immer am Ende zu denselben Ergebnissen führen. Hier sind einige Beispiele.

  • Verdoppelt man Z, so verdoppelt sich auch die Wurzel von ν.
  • Ver-n-facht man Z, so ver-n-facht sich die Wurzel von ν.
  • Doppelte so große Wurzel von ν heißt doppelte Kernladungszahl Z.

Rechenbeispiel


Die folgenden Zahlenwerte stammen aus der Datenbank des National Institute of Standards and Technology (NIST) der USA. Dort findt man zuverlässige Werte. Ein Handicap ist es, dass die Angaben manchmal in der Photonenenergie E, der Wellenlänge λ oder Frequenz ν gemacht sind. Hier sind die Werte zunächst als Energie der ausgesandten K- Photonen in der Einheit eV (Elektronenvolt) angegeben. Die hier aufgelisteten Metalle werden auch tatsächlich alle für Anoden von Röntgengeräten benutzt.[9]

Messwerte[4]

  • Ordnungszahl 30: 8465,23(68) eV Zink ↗

Nach der Formel E=hν ist die Energie E eines Photons proportional zu seiner Frequenz ν. Das Plancke Wirkungsquantum h ist dabei die Proportionalitätskonstante. Man kann dann mit Hilfe der Zahlenwerte von oben die Proportionalität direkt ohne Umrechnung in Frquenzen auch anhand der Photonenenergie überprüfen. Machen wir einige Stichproben dazu.

  • Cobalt zu Nickel: Ordnungszahl von 27 auf 74 mit Faktor ≈ 2,74
  • √6784 zu Wurzel √57426, also von etwa 82 auf 240 mit Faktor ≈ 2,93

Von Cobalt hin zu Nickel erhöht sich die Ordnungszahl in etwa mit dem Faktor 2,74. Die Rechnung dazu war 74 geteilt durch 27. Also müsste sich bei geltender Proportionalität auch der Wert der dazugehörigen Wurzeln der Energien um diesen Faktor erhöhten. Tatsächlich ist der Vergrößerungsfaktor aber 2,93.

Zum Geltungsbereich


Das Moseleysche Gesetz liefert gut Vorhersagen für Materialien mit niedrigen Ordnungszahlen, etwa Cobalt mit Z=27. Mit zunehmend hoher Ordnungszahl, etwa für Wolfram mit Z=74, passen die berechneten Werte aber zunehmend weniger gut auf die beobachteten Messwerte aus Laborversuchen. Der Grund dafür ist Einsteins Relativitätstheorie.


ZITAT:

"Moseleys Gesetz wird ungenau für hohe Ordnungszahlen und erfordert eine relativistische Korrektur."[7]


Das Moseleysche Gesetz entstand im Jahr 1913 als eine der ersten Anwendungen des Bohrschen Atommodells. Zu dieser Zeit stellte man sich die Elektronen noch als Objekte vor, die sich auf Kreisbahnen um den Atomkern bewegten. Aus dem Atommodell folgte dann im Sinne der klassischn Physik, dass die Elektronen der innersten Schalen von schweren Elementen, also von Elementen mit hoher Ordnungszahl, eine höhere Bahngeschwindigkeit haben als weiter vom Kern entfernte Elektronen. Man kann hierbei an die Analogie des Atoms mit dem Sonnensystem denken: um die Gravitationskraft der Sonne zu kompensieren hat ein innerer Planet wie der Merkur mit rund 47 km/s eine sehr viel höhere Bahngeschwindigkeit nötig als der äußere Planet Neptun mit nur 5,4 km/s.

Relativitätstheorie

Die Elektronen auf den untersten Schalen von schweren Elementen können nach dieser Vorstellungen Bahngeschwindigkeiten erreichen, die im Bereich der halben Lichtgeschwindigkeit liegen. Und bei solchen Geschwindigkeiten müssen die Effekte der von Einstein 1905 veröffentlichten Relativitätstheorie berücksichtigt werden. Diese Berücksichtung erfolgte dann von Niels Bohr und Arnold Sommerfeld im Kriegsjahr 1916[8], die mit einem relativistischen Modell auch bei schweren Elementen mit hohem Z deutlich näher an die gemessene Werte herankamen als Moseley.

Die Abschirmkonstante S


In manchen Darstellungen erscheint eine sogenannte Abschirmkonstante S. Sie hängt von der Art des Elektronenübergangs ab. Folgende Näherungswerte passen recht gut.

  • Kα ⭢ Abschirmkonstante S ≈ 1,0
  • Lα ⭢ Abschirmkonstante S ≈ 7,4
  • Kβ ⭢ Abschirmkonstante S ≈ 1,8

Geschichtlicher Hintergrund


Moseley veröffentlichte sein physikalisches Gesetz im Jahr 1913, einer Zeit revolutionärer Umbrüche in der Physik. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1895 lag gerade einmal 18 Jahre zurück. Max Plancks Idee einer Quantisierung von Energieänderungen von 1900 war nur 13 Jahre alt. Und das Bohrsche Atommodell stammt aus dem Jahr von Moseleys Veröffentlichung selbst. Moseley arbeitete also ganz vorne an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit. Als geschichtliche Tapete für den Hintergrund kann man sich vorstellen, dass ein Jahr zuvor, 1912 die Titanic im kalten Atlantik gesunken war, die Landkarte Europas sah ganz anders aus als heute. Länder wie Polen, Litauen, Tschechien (und viele mehr) gab es damals nicht. Und die weiteren Arbeiten der beteiligten Forscher fanden bald nach 1913 in der Zeit des Ersten Weltkriegs statt. Deutschland besetzte das neutrale Belgien. In den Schützengräben Nordfrankreichs und Flanders führte der Einsatz von High-Tech zum ersten wirklich mechanisch geführten Krieg. Wer geschichtlich interessiert ist, kann heute auf eine reiche Literatur zugreifen, die die Lebensgeschichten der großen Wissenschaftler jener fernen Zeit auch aus einer mehr menschlichen Perspektive mit allen möglichen Zerrissenheiten und Loyalitätsfragen aufzeigt.

Persönliche Anmerkung


 Portrait von Gunter Heim Je höher die Ordnungszahl eines Elements, desto stärker weichen die Wellenlängen der Moseley-Formel von den wirklich in Laboren gemessenen Werten ab. Interessant ist der Grund. 1916 vermutete Sommerfeld die Ursache in der schnellen Bewegung der Elektronen nahe am Atomkern. Eine Berücksichtigung von Albert Einsteins Relativitätstheorie führte dann zu einer deutlich besseren Übereinstimmung der berechneten mit den gemessenen Werten. Berechtigt dieser "Rechenerfolg" zu der Annahme, dass sich die Elektronen tatsächlich auf Bahnen um den Kern bewegen? Das war ja immerhin die modellhafte Annahme die zur besseren Werten führte. Die 1920er sollten dann aber zeigen, dass jeder Bahnbegriff eines Elektrons in einem Atom unhaltbar ist. Damit entfällt aber auch der Sinn einer höheren Geschwindigkeit. Wer selbst die Verwirrung der Physiker in der Frühzeit der Quantenphysik nacherleben möchte, findet mit dem Versuch das Moseleysche Gesetz zu verbessern einen sehr guten, auch historisch belegten, Weg in die die Gemütsverfassung der Orientierungslosigkeit.

Fußnoten


  • [1] Henry Moseley: The High-Frequency Spectra of the Elements. Part II. In: Phil. Mag. (= 6). Band 27. Taylor & Francis, London 1914, S. 703–713
  • [2] Das Moseleysche Gesetz beschreibt den "Zusammenhang zwischen der Wellenlänge λ einer bestimmten Spektrallinie im Röntgenspektrum eines bestimmten Elements (Röntgenspektroskopie) und dessen Kernladungszahl Z". In: der Artikel "Moseleysches Gesetz". Spektrum Lexikon der Physik. Aberufen am 21. November 2025. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/moseleysches-gesetz/9981
  • [3] In normalen diagnostischen Röntgengeräten beim Arzt besteht die Anode praktisch immer aus Wolfram (Tungsten). Begründung: hoher Schmelzpunkt, hohe Ordnungszahl → hohe Bremsstrahlungsausbeute. Wolfram hat einen sehr hohen Schmelzpunkt (≈ 3420 °C). Die Wärmebelastung durch Elektronenbremsung ist extrem. Kaum ein anderes Material hält das aus. Die hohe Ordnungszahl (Z = 74) erhöht die Bremsstrahlungs-Effizienz und die Wahrscheinlichkeit charakteristischer Strahlung. Man bekommt bei gleichem Röhrenstrom mehr Photonen im diagnostisch relevanten Energiebereich. Wolfram ist auch mechanisch und chemisch sehr stabil. Da Metall ist hart, diffusionsstabil, verdampft kaum und bleibt formstabil bei hoher thermischer Belastung. Eine Ausnahme sind Geräte für eine Mammographie. Diese haben meist Molybdän oder Rhodium als Anodenmaterial. Da das Brustgewebe deutlich weicher ist als etwa Knochen braucht man Strahlung in einem anderen Frequenzbereich, um überhaupt Unterschiede zwischen verschiedenen Gewebeformen erkennen zu können.
  • [5] In der Angabe "λ W Kα₁ = 0.2090100 Å" steht λ für die Wellenlänge, W für Wolfram (englisch auch Tungsten) Kα₁ für die erste der mehreren Kα-Linien und Å für die Längeneinheit Angström, also 10⁻¹⁰ Meter oder auch 100 Pikometer. 0.2090100 Å sind also so viel wie etwa 21 Pikometer. In: J. A. Bearden: X-Ray Wavelengths and X-Ray Atomic Energy Levels. U.S. Department of Commerce. National Bureau of Standards. Veröffentlicht in: Reviews of Modern Physics. Volume 31, No 1, January 1967. Online: https://nvlpubs.nist.gov/nistpubs/Legacy/NSRDS/nbsnsrds14.pdf
  • [6] Das Moseleysche Gesetz passt recht gut bei niedrigen Ordnungszahlen Z, aber zunehmend schlechter bei höheren Ordnungszahlen, wie etwa 74 für Wolfram. Der Grund dafür sind relativistische Effekte im Sinne von Einsteins Relativitätstheorie. Diese sind im ursprünglichen Moseleyschen Gesetz nicht berücksichtigt: "We report here observations of deviations from Moseley’s law in the characteristic Kα x-ray emission of 13 elements ranging from Z = 29 to Z = 92. While following the square-law predictions of the Bohr model fairly well at low Z, the deviations become larger with increasing Z. We find that relativistic models of atomic structure are necessary to fit the full range of atomic numbers observed". In: Duncan C. Wheeler, Emma Bingham, Michael Winer, Janet M. Conrad & Sean P. Robinson, Observation of relativistic corrections to Moseley’s law at high atomic number. arXiv (2018). Online: https://arxiv.org/pdf/1809.10480v2
  • [7] "Moseley’s law becomes inaccurate at high atomic number and requires first-order relativistic corrections." In: Duncan C. Wheeler, Emma Bingham, Michael Winer, Janet M. Conrad & Sean P. Robinson, Observation of relativistic corrections to Moseley’s law at high atomic number. arXiv (2018). Online: https://arxiv.org/pdf/1809.10480v2
  • [9] Ein Hersteller von Röntgenröhren war 2025 zum Beispiel die niederländische Firma PANalytical B.V. aus der Stadt Almelo. In einer Produktinformation nannte sie die Metalle Cu, Co, Fe, Mn, Cr und Ag. Weitere Metalle seien auf Anfrage möglich. Jedes Metall hat dabei seine ganz spezifitischen Anwendungsgebiete. Kupfer (Cu) sei der Standard. Für Spannungsprüfungen (stress analysis) würden Cu, Co, Fe, Mn, Cr verwendet. Für Anwendungen im Bergbau kämen Co, Fe, Mn, Cr in Frage. Wenn es um höhere Eindringtiefen geht seien Mo und Ag sinnvoll. In: Ausführliche Produktinformation zur "Empyrean Tube". Abgerufen am 21. November 2025. Online: https://www.malvernpanalytical.com/en/assets/empyrean%20tube_tcm50-52050.pdf
  • [10] Röntgenröhren mit Rhenium und Wolfram als Anodenmaterial für medizinische Geräte stellt her die Firma Plansee aus dem süddeutschen Metzingen.
  • [11] Röntgenröhren in Kleinbauweise mit den Metallen Ag, Au, Rh, oder W als Anodenmaterial und mit Leistungen von 4 bis 10 Watt sowie einer Beschleunigungsspannung von 50 Kilovolt stellte 2025 die Firma Amptek aus Bedford in Massachussets in den USA her.

Startseite Impressum Feedback © 2010-2025 Nachilfe Physik Nachilfe Chemie