Längenkontraktion
Physik
Grundidee
Einsteinformel für die Verkürzung von Längen: bewegen sich zwei Bezugssysteme relativ zueinander, müsen die Längen von einem zum anderen System umgerechnet werden:
Formel
Lr = Lo/gamma
Legende
- Lo = Länge im Koordinatensystem, das sich mit dem Objekt bewegt
- Lr = Länge im Koordinatensystem, in dem sich das Objekt bewegt
- gamma = 1/Wurzel(1-v²/c²), mehr unter Lorentzfaktor ↗
Was ist der Lorentzfaktor?
Der Wert des Lorentzfaktors hängt von der Relativgeschwindigkeit der zwei Bezugssysteme zueinander ab. Der Wert ist immer größer als 1. Die Abkürzung ist das kleine griechische Gamma (ähnlich einem lateinischen y). Die Formel ist gamma = 1/Wurzel(1-v²/c²). Lies mehr unter Lorentzfaktor ↗
Berechnung: Lorentzfaktor
Man denke sich ein xyy-Koordinatensystem. Man selbst steht ruhend im Ursprungspunkt (0|0|0). Es bewegt sich dann ein Stab parallel zur x-Achse. Außerdem ist der Stab parallel zur x-Achse ausgerichtet. Der Stab habe eine Geschwindigkeitv von 80 % der Lichtgeschwindigkeit, auch als v=0,8c ausgedrückt. Zunächst berechnet man den Lorentzfaktor. Für v=0,8 ergibt das 5/3.
Berechnung: Lo
Lo, sprich L-null, heißt auch Ruhelänge und ist die Länge gemessen in einem Koordinatensystem das sich mit dem Objekt selbst mitbewegt. In diesem Koordinatensystem ist der Stab also in Ruhe. Wir nehmen beispielhaft die Länge 1 Meter gemessen im Koordinatensystem des Stabes an.
Berechnung: L
Die relativistische Länge L ist dann die Länge, die ein Beobachter messen würde, in dessen Koordinatensystem sich der Stab mit der Geschwindigkeit v bewegt. Über die Formel oben und den berechneten Lorentzfaktor gamma wird diese Länge L zu: 1 Meter durch 5/3. Das gibt 3/5 Meter oder 0,6 Meter.
Deutung der Längenkontraktion
Ein Objekt, das in seinem eigenen Koordinatensystem ein Meter lang ist, ist nur 0,6 Meter lang, wenn es von einem Beobachter gemessen wird, der sich mit 80 % der Lichtgeschwindigkeit relativ zu diesem Objekt bewegt. Als kontrahiert, also zusammengezogen, wird der Stab wahrgenommen, wenn er sich relativ zur messenden Person bewegt. Die größtmögliche Länge haben Objekte, wenn sie im Ruhezustand gemessen werden.
ZITAT:
"Angenommen ein Stab bewege sich mit hoher Geschwindigkeit. Er sei zunächst quer zu seiner Bewegungsrichtung ausgerichtet. Dann drehe man ihn um 90°, sodass er längs seiner Bewegungsrichtung liegt. Der Stab zieht sich zusammen. Er ist kürzer, wenn er entlang der Richtung liegt als quer dazu."[2]
"Angenommen ein Stab bewege sich mit hoher Geschwindigkeit. Er sei zunächst quer zu seiner Bewegungsrichtung ausgerichtet. Dann drehe man ihn um 90°, sodass er längs seiner Bewegungsrichtung liegt. Der Stab zieht sich zusammen. Er ist kürzer, wenn er entlang der Richtung liegt als quer dazu."[2]
Wesentlich ist, dass der Stab seine Länge nicht nur scheinbar, etwa im Sinne systematischer Messfehler oder irgendwelcher Verzerrungen der Wahrnehmung ändert. Vielmehr ist es so, dass er tatsächlich und real kürzer wird.
Zahlenbeispiel zur Längenkontraktion
Ein Raumschiff, dass in seinem eigenen Koordinatensystem ruht und dort eine Länge von 100 Metern hat soll für einen Beobachter nur einen Meter lang erscheinen. Das ist genau dann der Fall, wenn sich das Raumschiff mit rund 99,995 % der Lichtgeschwindigkeit auf den Beobachter zu bewegt.
Eddingtons Quadrat-Paradoxon
Der Astrophysiker Arthur Stanley Eddington (1882 bis 1944) hatte mit einer aufwändig durchgeführten Himmelsbeobachtung zur Ablenkung von Licht an der Sonne die allgemeine Relativitätstheorie bestätigt.[9] Er galt schon früh als ein ausgezeichneter Kenner von Einsteins Theorie, speziell auch ihres mathematischen Apparates.[11] In einem Gedankenexperiment machte er auf eine bedeutsame Konsequenz aufmerksam. Er stellte sich einen bewohnten Planeten in einem fernen kosmischen Nebel vor, der sich mit 1000 Meilen pro Sekunde relativ zu uns bewegt. Wenn die Bewohner dieses Planeten nach den bestmöglichen technischen Möglichkeiten ein Quadrat konstruieren, dann wäre es aus ihrer Sicht auch immer ein perfektes Quadrat. Aus unserer Sicht aber, von der Erde aus, wäre es immer ein Rechteck:
ZITAT:
"Wenn die Nebel-Physiker versuche nein Quadrat zu konstruieren, werden sie ein Quadrat konstruieren. Kein Test wird ihnen jemals offenbaren, dass es kein Quadrat ist; ihr größtmögicher Fortschritt wäre die Erkenntnis, dass es Wesen auf anderen Welten gibt, die es sich in ihren Kopf gesetzt haben, dass das Quadrat ein Recheck sei, und die Nebel-Physiker könnten weltoffen genug sein, dass dieser Standpunkt, wie absurd auch immer, genauso haltbar wäre wie ihr eigener."[11]
"Wenn die Nebel-Physiker versuche nein Quadrat zu konstruieren, werden sie ein Quadrat konstruieren. Kein Test wird ihnen jemals offenbaren, dass es kein Quadrat ist; ihr größtmögicher Fortschritt wäre die Erkenntnis, dass es Wesen auf anderen Welten gibt, die es sich in ihren Kopf gesetzt haben, dass das Quadrat ein Recheck sei, und die Nebel-Physiker könnten weltoffen genug sein, dass dieser Standpunkt, wie absurd auch immer, genauso haltbar wäre wie ihr eigener."[11]
Eddington zeigt mit dem Beispiel, dass mit einer Kontraktion der Länge in Bewegungsrichtung, auch alle Messgeräte mit kontrahiert werden. Wenn ein Stab um 2 % kürzer wird, dann wird auch ein Maßband um 2 % kürzer. Aber auch Wellenlängen und jede andere Grundlage einer Längenmessung würde sich um 2 % verkürzen. Damit aber hätten die Nebel-Bewohner keine Chance, ihre verzerrten Längen wahrzunehmen.
Das sinngemäß von mir übersetzte Zitat findet sich in einem gut lesbaren Buch Eddingtons aus dem Jahr 1927. Eddingto legt dort in klarer Sprache und weitgehend ohne Vorkenntnisse vorauszusetzen, die großen Umbrüche in den Naturwissenschaften dar, sowie die Folgen für jede Weltanschauung. Das Zitat zum Quadrat-Paradoxon findet sich in einem Kapitel über den "Zusammenbruch der klassischen Physik."
Heute überholt: die Fitzgerald-Lorentzsche-Kontraktion
Bereits um 1900 hatten verschiedene Physiker und Mathematiker an einer Theorie der Längenkontraktion gearbeitet, die aber noch keine Kontraktion des Raumes selbst sondern nur der Objekte im Raum annahmen.[2] Ein Anlass dazu war das Michelson-Morley-Experiment: dort ließ man Licht durch veschiedene Röhren laufen. Man versuchte Unterschiede in der Geschwindigkeit des Lichts in den Röhren zu finden, je nachdem, in welchem Winkel die Röhren zur Bewegungsrichtung der Erde durch den Weltraum ausgerichtet waren. Nach der damals gängigen Äthertheorie des Lichts hätte man solche Unterschiede finden müssen. Siehe dazu auch Michelson-Morley-Experiment ↗
Um das negative Ergebnis des Michelson-Morley-Experiments zu erklären, könnte man eine Längenänderung der Röhren annehmen. Je nachdem in welche Richtung relativ zum angenommenen Äther die Röhre sich bewegt, müsste sich dann ihre Länge ändern. Diesen Weg gingen zum Beispiel George Francis FitzGerald[3], Hendrik Antoon Lorentz[4] und Joseph Larmor[5].
Die Grundidee der Fitzgerald-Lorentz-Hypothese der Längenkontraktion war ganz im Rahmen der klassischen Physik und der Äthertheorie angesiedelt. Einsteins Relativitätstheorie lag noch einige Jahre in der Zukunft. Der Gedankengang ist folgender:
- Materie besteht aus geladenen Teilchen.
- Ein Stab erhält seine Form und Größe aus dem Zusammenspiel elektrischer Kräfte zwischen den geladenen Teilchen.
- Bewegte elektrische Ladung erzeugen immer auch ein Magnetfeld um sich herum.[7]
- Dieses Magnetfeld wirkt auf die Ladungen des Körpers zurück.
- Es kann die Abstände der Ladungsträger zueinander verändern.
- Das könnte eine Längenkontraktion erklären.[6]
Tatsächlich wurde dieses Modell auch mathematisch detailliert ausgearbeitet.[8] Letzendlich taten sich aber unlösbare Probleme auf. Die Fitgerald-Lorentzsche Hypothese der Kontraktion als klassicher Effekt des Magnetismus gilt heute als überholt. Erst der Ansatz Albert Einsteins, Raum und Zeit selbst zu hinterfragen, boten einen Ausweg. Siehe dazu auch spezielle Relativitätstheorie ↗
Fußnoten
- [1] Albert Einstein: Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. Ersterscheinung 1916.
- [2] Im englischen Original heißt es zur Längenkontraktion eines Stabes: "Suppose that you have a rod moving at very high speed. Let it first be pointing transverse to its line of motion. Now turn it through a right angle so that it is along the line of motion. The rod contracts. It is shorter when it is along the line of motion than when it is across the line of motion. This contraction, known as the FitzGerald contraction, is exceedingly small in all ordinary circumstances. It does not depend at all on the material of the rod but only on the speed. For example, if the speed is 19 miles a second—the speed of the earth round the sun—the contraction of length is 1 part in 200,000,000, or 2½ inches in the diameter of the earth." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort "Chapter I The Downfall of Classical Physics". Seite 5.
- [3] George Francis FitzGerald: The Ether and the Earth’s Atmosphere. In: Science. 13. Jahrgang, 1889, S. 390. DOI: doi:10.1126/science.ns-13.328.390
- [4] Hendrik Antoon Lorentz: Abhandlungen über Theoretische Physik. B.G. Teubner, Leipzig 1892, Die relative Bewegung der Erde und des Äthers, S. 443–447.
- [5] Joseph Larmor: On a Dynamical Theory of the Electric and Luminiferous Medium, Part 3, Relations with material media. In: Phil. Trans. Roy. Soc. Band 190, 1897, S. 205–300.
- [6] Eine klassische Erklärung der Längenkontraktion: magnetische Kräfte rücken die elektrisch geladenen Bauteile eines bewegten Stabes näher beieinander: "You are surprised that the dimensions of a moving rod can be altered merely by pointing it different ways. You expect them to remain unchanged. But which rod are you thinking of? (You remember my two tables.) If you are thinking of continuous substance, extending in space because it is the nature of substance to occupy space, then there seems to be no valid cause for a change of dimensions. But the scientific rod is a swarm of electrical particles rushing about and widely separated from one another. The marvel is that such a swarm should tend to preserve any definite extension. The particles, however, keep a certain average spacing so that the whole volume remains practically steady; they exert electrical forces on one another, and the volume which they fill corresponds to a balance between the forces drawing them together and the diverse motions tending to spread them apart. When the rod is set in motion these electrical forces change. Electricity in motion constitutes an electric current. But electric currents give rise to forces of a different type from those due to electricity at rest, viz. magnetic forces. Moreover these forces arising from the motion of electric charges will naturally be of different intensity in the directions along and across the line of motion. By setting in motion the rod with all the little electric charges contained in it we introduce new magnetic forces between the particles. Clearly the original balance is upset, and the average spacing between the particles must alter until a new balance is found. And so the extension of the swarm of particles—the length of the rod—alters." Und: "We have here drawn a qualitative inference from the electrical structure of matter; we must leave it to the mathematician to calculate the quantitative effect. The problem was worked out by Lorentz and Larmor about 1900." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort "Chapter I The Downfall of Classical Physics". Seite 6.
- [7] Dass bewegte Ladungen Magnetismus erzeugen wurde bereits im Jahr 1820 von dem Dänen Oersted detailliert beschrieben. Siehe dazu Oerstedscher Magnetnadelversuch ↗
- [8] Joseph Larmor: Aether and Matter. Cambridge University Press. 1900.
- [9] Arthur Stanley Eddington, F. W. Dyson, C. Davidson: A Determination of the Deflection of Light by the Sun's Gravitational Field, from Observations Made at the Total Eclipse of May 29, 1919. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series A, Containing Papers of a Mathematical or Physical Character, Volume 220, pp. 291–333 (1920). Online: https://royalsocietypublishing.org/doi/pdf/10.1098/rsta.1920.0009
- [10] Arthur Stanley Eddington: Deutsche Übersetzung: Raum, Zeit und Schwere. Ein Umriß der Allgemeinen Relativitätstheorie. Vieweg 1923. Auf Englisch: The Mathematical Theory of Relativity. Cambridge University Press 1923.
- [11] Eddingtons hypothetische Nebel-Bewohner: "I could point to a spiral nebula far away in space which is moving at 1000 miles a second. This may well contain a planet and (speaking unprofessionally) perhaps I shall not be taking too much licence if I place intelligent beings on it. At 1000 miles a second the contraction is not large enough to be appreciable in ordinary affairs; but it is quite large enough to be appreciable in measurements of scientific or even of engineering accuracy." Und dann zum Quadrat-Paradoxon: "If the nebular physicists try to construct a square they will construct an oblong. No test can ever reveal to them that it is not a square; the greatest advance they can make is to recognise that there are people in another world who have got it into their heads that it is an oblong, and they may be broadminded enough to admit that this point of view, absurd as it seems, is really as defensible as their own." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort "Chapter I The Downfall of Classical Physics". Dort die Seiten 9 und 13.