Chemie
Als Naturwissenschaft
Basiswissen
Die Chemie ist die Wissenschaft der Verbindungsänderungen durch Elektronenhüllenvorgänge: Atome gehen miteinander Verbindungen ein oder sie werden wieder gelöst. An diesen Vorgängen sind immer die Elektronen in den Atomhüllen beteiligt. Historisch entwickelte sich die Chemie aus der Frage, wie man Körper oder Stoffe der Natur in kleinere Bestandteile zerlegen kann und umgekehrt, aus solchen Bestanteilen wieder andere Körper oder Stoffe zusammenzusetzen[1][2].
Was ist die Kernidee der Chemie?
Seit spätestens dem Jahr 1793, die Zeit der französischen Revolution, betrachtete man die Chemie als jene Wissenschaft, die sich mit der Zerlegung von Körper oder Stoffen sowie auch der Zusammensetzung von Körpern und Stoffen aus den Bausteinen beschäftigt[1]. Das Trennen nannte man früher auch scheiden, daher der alte Scheidekunst für die Chemie[2]. Schon früh tauchte dabei die Idee auf, dass es eine nur begrenzte Anzahl von Grundbausteinen gibt, die man zunächst als einfache Körper[3], einfache Grundstsoffe[4], und später Elemente[4] nannte. Dabei hatte man schon früh bemerkt, dass es zwischen den Elementen bevorzugte Verbindungen gibt, die sogenannten Wahlverwandschaften. Dies Elemente verlassen ohne weiteren äußeren Einfluss bestehende Verbindungen, wenn ihnen neue Partner für attraktivere Verbindungen angeboten werden[8]. Seit der Zeit um 1900, als man begann den inneren Aufbau von Atomen besser zu verstehen, rückten dann der Atomgedanke[7] und die Physik[10][11] immer mehr ins Interesse der Chemie. Für Beispiele zu Fachworten aus der Chemie siehe auch das kleine Chemie-Lexikon ↗
Fußnoten
- [1] Definition von Chemie aus dem Jahr 1793: "Die Chymīe, plur. die -en. 1) Die Kunst oder Wissenschaft, natürliche Körper vermittelst des Feuers oder anderer Auflösungsmittel in ihre Bestandtheile aufzulösen, und diese zu neuen Producten zusammen zu setzen, ohne Plural; die Scheidekunst, welcher Ausdruck aber nur die eine Hälfte der chymischen Arbeiten ausdruckt. 2) Ein Lehrbuch, worin diese Wissenschaft vorgetragen wird, mit dem Plurale. Daher chȳmisch, adj. et adv. in dieser Wissenschaft gegründet; der Chymíst, des -en, plur. die -en, der sie verstehet und ausübet; bey einigen ein Scheidekünstler." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1335. Online: http://www.zeno.org/nid/20000099503
- [2] Definition von Chemie aus dem Jahr 1809: "Die Chemie, Lat. die Scheidekunst, die Wissenschaft, wie man verschiedene natürliche Körper in einander auflöset, oder mit einander vereiniget, daß dadurch ein neuer Körper entstehet: z. B. wenn man Eisen in Vitriolöl auflöset, so erhält man dadurch grünen Vitriol; [254] wenn man Kupfer und Zink vermittelst des Schmelzens auflöset, so erhält man Messing. Desgleichen lehrt auch die Chemie, die natürlichen Körper in ihre Bestandtheile zu zerlegen, oder diese, einen jeden besonders, auszuscheiden und darzustellen. Ueberhaupt bestehet die Chemie darin, daß man die Natur und Eigenschaften eines jeden Körpers, er sei fest oder flüßig, kennet; welche Kenntniß nicht anders erlanget werden kann, als dadurch, daß man versuchet, was daraus enstehet, wenn zwei ungleiche Körper mit einander verbunden werden." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 254-255. Online: http://www.zeno.org/nid/2000074686X
- [3] Definition von Chemie aus dem Jahr 1834: "Chemie, ein Zweig der Naturlehre, welcher sich damit beschäftigt, die in der Natur vorgefundenen Körper zu zerlegen, in einfachere Bestandtheile, und endlich in solche zu scheiden, (daher Chemie auch Scheidekunst übersetzt wird) welche sich entweder nicht mehr in einfachere Bestandtheile zerlegen lassen – wie die Gasarten, von denen man weiß, daß sie noch nicht einfache Körper sind – oder in solche, die man wirklich als einfache Körper zu betrachten hat, wie z. B. die Metalle, Phosphor, Schwefel u. s. w. In dem angeführten Sinne ist der Name Scheidekunst richtig, da aber dieses nicht die alleinige Aufgabe der Chemie ist, sondern sie sich auch mit der Verbindung, Zufammensetzung verschiedener, und der daraus[347] hervorgehenden Bildung neuer Körper beschäftigt, so ist er nicht umfassend genug." Es folgen noch einige kurz Schlaglichter zur Chemie. In: Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 347-349. Online: http://www.zeno.org/nid/2000172018X
- [4] Definition von Chemie aus dem Jahr 1837: "Chemie (die) ist derjenige Zweig der Physik oder Naturlehre, welcher sich mit Erforschung der Bestandtheile zusammengesetzter Körper mittels Zerlegung derselben in ihre einfachen Grundstoffe oder Elemente (s.d.), und mit Auffindung der Gesetze beschäftigt, unter welchen die Verbindung bekannter Stoffe zu neuen stattfindet. Man theilt daher die Chemie in die analytische, d.h. scheidende, und in die synthetische oder verbindende, wobei aber zu bemerken ist, daß eine chemische Verbindung stets innerlich vorgegangene Stoffveränderungen der miteinander vereinigten Körper voraussetzt." Es folgt dann noch ein langer Abriss der Historie der Chemie. In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 407-408. Online: http://www.zeno.org/nid/20000818194
- [5] Definition von Chemie aus dem Jahr 1854: "Chemie, derjenige Theil der allgemeinen Naturwissenschaft, welcher die verschiedenen Arten und Eigenschaften der die gesammte Körperwelt zusammensetzenden Grundstoffe, die Vorgänge u. Gesetze der Verbindungen derselben unter einander zu neuen Körpern, die Eigenschaften dieser letzteren u. die Operationen kennen lehrt, durch welche jene Verbindungen hervorgebracht oder wieder aufgelöst werden (Mischungskunde oder synthetische C., Scheidekunst oder analytische C.)." Es folgt eine längere Beschreibung von Anwendungen der Chemie sowie dem Stand der Kenntnis zu den Elementen. In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 76-78. Online: http://www.zeno.org/nid/20003268519
- [6] Definition von Chemie aus dem Jahr 1857: "Chemie. I. Begriff u. Aufgabe. Ch. ist derjenige Theil der Naturwissenschaften, welcher die Gesetze kennen lehrt, denen die Stoffe unterworfen sind, welche in der belebten (organischen Ch.) u. leblosen Natur (unorganischen Ch.) einander sich nahen; od. welcher die Zusammensetzung der verschiedenen Körper aus den Elementen u. die Gesetze, nach welchen die Elemente mit einander verbunden od. von einander geschieden werden, lehrt." Es folgt dann eine lange Behandlung verschiedener Anwendungen (z. B. Geologie, Medizin) sowie vieler Kenntnisse der damaligen Zeit. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 896-905. Online: http://www.zeno.org/nid/20009671218
- [7] Definition von Chemie aus dem Jahr 1911: "Chemie, der Teil der Naturwissenschaften, der die stofflichen Eigenschaften der Körper und die diese betreffenden Änderungen lehrt. Ihre Grundlage bildet die Erkenntnis, daß die Körperwelt aus einer beschränkten Zahl von einfachen, nicht weiter zerlegbaren Stoffen, sog. Elementen (s. Chemische Elemente), zusammengesetzt ist. Diese verbinden sich nicht gleichmäßig miteinander, sondern haben zueinander eine verschiedene Verwandtschaft (Affinität), die zur Geltung kommt, wenn sich die Körper in gasförmigem oder flüssigem Zustande unmittelbar einander berühren, indem sich dann die verwandten Elemente vereinigen. Die Vereinigung erfolgt immer in ganz bestimmten Gewichts-oder Volumenmengen, welche durch das Atomgewicht angegeben werden." Es folgt ein kurzer Abriss über Geschichte und Einteilung der Chemie in weitere Fachgebiete. In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 329-330. Online: http://www.zeno.org/nid/20001008862
- [8] Nach einer Erwähnung der Wissenschaftler Lavoisier, Bertholet, Humphry, Davy, und durch den großen Berzelius heißt es: "Jene Männer beobachteten Kräfte, welche früher ganz außer Acht gelassen waren, Elektricität, Licht und Magnetismus, als von dem eingreifendsten Einfluß – sie entdeckten die merkwürdige Wahlverwandtschaft, die Kraft, vermöge deren zwei zusammengesetzte Körper, mit einander vermischt, ihre Verbindungen verlassen, und über's Kreuz andere eingehen. Wenn man z. B. Schwefelsäure auf Küchensalz gießt, (Schwefel und Sauerstoff – mit Natrum und Chlor, oder nach älterem Ausdruck, Natron und Salzsäure), so verbindet sich die Schwefelsäure mit dem Natron, und die Salzsäure entweicht als Gas, Chlor." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 310. Lies mehr unter Wahlverwandtschaft ↗
- [9] Im Jahr 1911 rücken Chemie und Physik enger zusammen: " Während früher Erkennung und Trennung der Bestandteile der chem. Körper Hauptzweck der C., die danach Scheidekunde (Scheidekunst) hieß, war, ist später der synthetische Aufbau der chem. Verbindungen ihre Hauptaufgabe geworden, und während in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. die anorganische - [10] Im Jahr 1911 heißt es: "Während früher Erkennung und Trennung der Bestandteile der chem. Körper Hauptzweck der C., die danach Scheidekunde (Scheidekunst) hieß, war, ist später der synthetische Aufbau der chem. Verbindungen ihre Hauptaufgabe geworden, und während in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. die anorganische C. das Hauptarbeitsfeld war, hat in der letzten die organische C. die führende Rolle übernommen. In neuester Zeit entwickelt sich neben ihr die physik. C. in ungeahnter Weise." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 329-330. Online: http://www.zeno.org/nid/20001008862
- [10] Bereits Isaac Newton (1642 bis 1727) vermutete, dass die Phänomene der Chemie und der Optik aus der Zusammensetzung sich stark anziehender kleinster Teilchen zu lockerer verbundenen größeren Körpern entstehen. Damit nahm er zumindest als Konzept die moderne Unterscheidung von Kernphysik und Atomphysik vorweg: "Now the smallest Particles of Matter may cohere by the strongest Attractions, and compose bigger Particles of weaker Virtue; and many of these may cohere and compose bigger Particles whose Virtue is still weaker, and so on for divers Successions, until the Progression end in the biggest Particles on which the Operations in Chymistry, and the Colours of natural Bodies depend, and which by cohering compose Bodies of a sensible Magnitude. If the Body is compact, and bends or yields inward to Pression without any sliding of its Parts, it is hard and elastick, returning to its Figure with a Force rising from the mutual Attraction of its Parts." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Dort die Seiten 394 und 395.
- [11] Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman sieht die Chemie als einen Sonderfall der Physik, speziell der Quantentheorie: "Die Quantentheorie erklärt […] alle möglichen Details, etwa warum sich ein Sauerstoffatom mit zwei Wasserstoffatomen zu Wasser verbindet, und so weiter. Auf diese Weise lieferte sie die hinter der Chemie stehende Theorie. Anders ausgedrückt, die Grundlagen der theoretischen Chemie gehören in Wirklichkeit zur Physik." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seiten 15 und 16. Dass ehemals eigenes Fachgebiet in einer umfassenderen Theorien aufgehen kann, bezeichnet man als Korrespondenzprinzip ↗