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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Geozentrisches Weltbild

Astronomie

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Basiswissen


Als geozentrisch bezeichnet man die Vorstellung, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei: Geo steht als Silbe für die Erde, zentrisch für die Idee der Mitte: geozentrisch nennt man ein Weltbild, dass die Erde als ruhenden Mittelpunkt des Universums ansieht. Dieses Weltbild passt zu der sinnfälligen Beobachtung, dass sich Sonne, Mond, Sterne und Planeten um uns herum über den Himmel bewegen. Scheinbar bestätig wird diese Annahme auch durch das Fehlen jeder Bewegungsempfindungen bezüglich unserer Erde.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Die bekannte Erde im 14ten Jahrhundert, umgeben von den himmlischen Sphären mit den Planetenbahnen sowie den mythologisch dargestellten 12 Tierkreiszeichen. Ganz in der Mitte der Darstellung sieht man das Mittelmeer. © Giusto de’ Menabuoi (1330–1390) ☛


Aufbau der Welt


In der Mitte ruht die Erde, dann folgen in zunehmenden Abständen: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn und die Fixsterne.[4] Dabei bewegen sich die Himmelsörper auf festen Kugelbahnen[5], den sogenannten Himmelssphären.

Ideengeschichte


Das geozentrische Weltbild wurde unter anderem von Artistoteles formuliert (384 bis 322 v. Chr.) und später detailliert dargestellt von Claudius Ptolemäus (etwa 100 bis 160 n. Chr.). Es herrschte bis zur Zeit der Renaissance vor. Zwar gab es bereits seitder Antike einzelne Denkschulen (Griechenland, Indien, später auch islamischer Raum), die alternativ ein heliozentrisches Weltbild vorschlugen. Aber erst das jahrhundertelange Zusammentragen und Auswerten empirischen Daten von Personen wie Kopernikus, Galileo, Brahe, Kepler und Newton führte letztendlich zur Widerlegung des geozentrischen und zur Annahme des heliozentrischen Weltbildes. Die katholische Kirche hob erst im Jahr 1822 das Verbot zum Druck von Büchern auf, die ein heliozentrisches Weltbild als wahr beschrieben. Siehe auch Thomismus ↗

Probleme des geozentrischen Weltbildes


Schleifenbewegung


Beobachtet man einen Planeten, etwa den Jupiter, über mehrere Monate hinweg, dann kann man manchmal erkennen, dass er bei seiner Wanderung durch den Fixsternenhimmel seine Richtung ändern kann. Erst wandert er vorwärts, dann bleibt er scheinbar stehen, läuft rückwärts, und dann wieder für lange Zeit vorwärts. Im geozentrischen Weltbild versuchte man das über die sogenannten Epizykel zu erklären. Die Epizykel waren Kreisbahnen auf Kreisbahnen, die mathematisch sehr schwer handhabbar waren. Siehe auch Planetenschleife ↗

Helligkeitsschwankungen der Planeten


Schon in der griechischen Antike hatte man bemerkt, dass zum Beispiel der Planet Mars stark in seiner Helligkeit schwankt. Nimmt man an, dass er nicht aktiv die von ihm ausgehende Lichtmenge verändert, sollte er nach dem geozentrischen Weltbild immer gleich hell erscheinen. Siehe auch scheinbare Helligkeit ↗

Phasen der Venus


Um das Jahr 1610, der dreißigjährige Krieg rückte immer näher, beobachteten Astronomen zum ersten Mal den Planeten Venus mit einem Teleskop. Sie erkannten dabei Phasen ähnlichen den Mondphasen. An manchen Tagen schien die Venus wie der Halbmond als Halbkreis, dann wiederum nur als schmale Sichel. Diese sogenannten Venusphasen ließen sich nur schwer mit dem geozentrischen Weltbild mit einer ruhenden Erde in der Mitte und den Himmelskörpern auf Kreisbahnen darum erklären. Siehe auch Venusphase ↗

Merkur und Venus


Die zwei inneren Planeten Merkur und Venus kann man entweder nur tagsüber, nahe vor Sonnenuntergang oder bis kurz nach Sonnenuntergang beobachten. Aus diesem Umstand heraus erhielt die Venus auch die Bezeichnung als Abend- und als Morgenstern. Nach dem geozentrischen Weltbild aber müsste man beide Planeten auch bei völliger Dunkelheit tief in der Nacht sehen können (was aber nicht zutrifft). Siehe auch Morgenstern ↗

Fußnoten


  • [1] Mit das wichtigste Lehrbuch der Astronomie vom 13ten bis zum 17ten war der 'Tractatus de sphaera' des Johannes von Sacrobosco, verfaßt um 1220. In ihm wird ausführlich das geozentrische Weltbild, wie es im Mittelalter Stand der Wissenschaft war, dargestellt. Das mittelalterliche Werk ist ausführlich behandelt im Kapitel "Johannes von Sacrobosco: Erd- und Wassersphäre als Lehrgegenstand" ab Seite 153 in: laus Anselm Vogel: Sphaera terrae - das mittelalterliche Bild der Erde und die kosmographische Revolution. Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades am Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften der Georg-August-Universität zu Göttingen. 1995. DOI: http://dx.doi.org/10.53846/goediss-4247
  • [2] Aristoteles schreibt: "Denn die beobachteten Himmelsphänomene ergeben sich daraus, dass die Figuren, durch welche die Anordnung der Gestirne bestimmt wird, sich so verändern, dass die Erde in der Mitte vorauszusetzen ist." In: Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach. Herausgegeben von Hellmut Flashar. Band 12. I. Teil III Über den Himmel. Übersetzt und Erläutert von Alberto Jori. Akademie Verlag. Berlin. 2009. ISBN: 978-3-05-004303-6. Dort 297 a. Seite 81.
  • [3] Dass die Erde im Mittelpunkt der Welt steht, leitete Ptolemäus aus verschiededenen empirischen Beobachtungen her, etwa im Zusammenhang mit der Tag- und Nachtgleiche, den Umständen, unter denen Mondfinsternisse auftreten, der gleichen scheinbaren Größe und Entfernung der Sterne zu einem bestimmten Zeitpunkt aber von verschiedenen Positionen auf der Erde, und so weiter. Bedeutsam ist hier, dass die Argumente alle nachprüfbar sind, sie enthalten keine metaphysischen ad-hoc Annahmen. In: Claudius Ptolemäus: Almagest. Englische Übersetzung Ptolemy's Almagest von G. J. Toomer. Gerald Duckworth & Co. Ltd. London. 1984. Dort im Abschnitt "I Central position of the earth", Seite 41 ff. Online: https://classicalliberalarts.com/resources/PTOLEMY_ALMAGEST_ENGLISH.pdf
  • [4] Diese Reihenfolge der Himmelskörper ist beschrieben in: Claudius Ptolemäus: Almagest. Englische Übersetzung Ptolemy's Almagest von G. J. Toomer. Gerald Duckworth & Co. Ltd. London. 1984. Dort im "Book IX 1. Order of the planetary spheres", Seite 419. Ptolemäus erwähnt Astronomen, denen zufolge die Bahnen von Merkur und Venus von der Erde aus gesehen jenseits der Sonne verlaufen müsse, da man nie eine Verdunklung der Sonne durch diese Planeten beobachte. Dem entgegen hält es Ptolemäus für möglich, dass die Bahnen dieser zwei Planeten so gegen die Bahn der Sonne geneigt sind, dass sie zwar innerhalb der Sonnenbahn liegen, aber gegen diese geneigt sind. Dort auf Seite 419. Online: https://classicalliberalarts.com/resources/PTOLEMY_ALMAGEST_ENGLISH.pdf
  • [5] Die Kreisbahn wurde schon in der Antike als die göttlichste Form der Bewegung angenommen: "Now it is our purpose to demonstrate for the five planets, just as we did for the sun and moon, that all their apparent anomalies can be represented by uniform circular motions, since these are proper to the nature of divine beings, while disorder and nonuniformity are alien [to such beings]." In: Claudius Ptolemäus: Almagest. Englische Übersetzung Ptolemy's Almagest von G. J. Toomer. Gerald Duckworth & Co. Ltd. London. 1984. Dort im "Book IX 1. Order of the planetary spheres", Seite 420. Online: https://classicalliberalarts.com/resources/PTOLEMY_ALMAGEST_ENGLISH.pdf