Dualismus
Zweiheit
Basiswissen
Als Dualismus bezeichnet man die Idee, dass betrachtete Phänomene aus genau zwei Grundprinzipien bestehen[5] oder erkannt[4] werden - nicht mehr und nicht weniger[3] - und dass dabei das eine Grundprinzip nicht logisch aus dem anderen hervorgeht[2], wobei sich die zwei Prinzipien auch ergänzen können[4]. Der Begriff wurde spätestens im Jahr 1700[12] als lateinisches Wort dualiste in einem religiösen Sinn gebraucht[13].
Der Dualismus von Wellen und Teilchen
Ein Proton gilt üblicherweise als Teilchen: Es hat eine Masse und man kann ihm auch sinnvoll einen Durchmesser zuordnen. Es ist also ein örtlich eng begrenztes Objekt. Gleichzeitig zeigen Protonen aber auch Phänomene, die man zum Beispiel von ausgedehnten Wellen im Meer kennt. Beugung und Interferenz sind dafür typisch. Ein Proton kann aber nicht gleichzeitig ein Teilchen und eine Welle sein. Diese Unvereinbarkeit zweier physikalischer Modelle bezeichnet man in der Physik als Welle-Teilchen-Dualismus ↗
Komplementarität als Dualismus
Eng verwandt aber nicht identisch mit dem Welle-Teilchen-Dualismus ist die Idee der Komplementarität: zwei physikalische Größen sind so miteinander verbunden, dass ein zunehmend eng eingegrenzter Zustand der einen Größe (z. B. Impuls) zwangsläufig eine Unschärfe (z. B. Geschwindigkeit) der anderen Größe bedingt. Mehr dazu unter Komplementarität ↗
Der Dualismus von Geist und Materie
Die Welt scheint aus etwas materieartigem zu bestehen: die Materie wird üblicherweise als ausgedehnt (res extensa) und mit Masse (kg) gedacht und sie folgt den Gesetzen der Physik. Menschen bestehen aus Materie in diesem Sinne. Das Geistartige hingegen scheint keine Masse zu haben (wie viel Gramm wiegt eine Erinnerung?) und scheint nicht den Gesetzen der Physik zu folgen (was aber strittig ist). Für eine Dualisten wirken diese beiden Prinzipien voneinander unabhängig auf die Welt ein. Mehr unter Geist-Materie-Problem ↗
Dualismus in der Religion
„Dualistisch ist alle Auffassung des Daseins, bei welcher der Weltbestand nicht als durchgängig desselben Wesens, sondern als zweigespalten vorgestellt wird, und zwar so, daß die beiden Seiten des Zweispalts nicht aufeinander rückführbar sind.“ So wird Dualismus von einem theologischen Wörterbuch definiert[1]. Passend zu den oben gegebene Definition wird auch wieder gefordert, dass es zwei Prinzipien (Wesen) gibt, die sich nicht gegenseitig bedingen. So bedingt beispielsweise die Idee eines guten Gottes nicht zwangsläufig auch die Existenz eines Teufels als bösen Widersacher. Ein Beispiel für eine streng dualistische Religion ist der Manichäismus. Wie schwer es ist, auf eine Dualismus zu verzichten wenn man einen allmächtigen und guten Gott annehmen will ist Gegenstand der sogenannten Theodizee ↗
Was ist der Unterschied zu einer Polarität?
Bei einem Dualismus werden alle Gegenstände der Welt entweder einem oder einem dazu gegensätzlichen Prinzip zugeordnet (Gut-Böse, Welle-Teilchen). Das gewählte Gegensatzpaar ist dann das oberste solche Gegensatzpaar überhaupt, es gibt keine weiteren gleichrangingen Gegensatzpaare. Zudem schließe sich bei einem Dualismus die zwei Prinzipien gegenseitig aus, in keinem Fall sollen sie Teil einer höher gedachten Einheit sein. Auch eine Polarität ist ein Gegensatzpaar. Beispiele sind Plus und Minus, positive und negative Ladungen, Arbeit und Freizeit oder hell und dunkel. Anders als bei eine Dualismus erlaubt eine Polarität aber gleichrangige weitere Polaritäten neben sich. Und außerdem fügen sich Polaritäten meist zu einer höher gedachten Einheit (z. B. Mann und Frau als Paar). Siehe auch Polarität ↗
Was ist das Gegenteil von einem Dualismus?
Jede Vorstellung, dass sich die Welt nicht auf genau zwei Prinzipien reduzieren lässt gehört zum Gegenteil des Dualismus. Dabei kann man weiter unterteilen: es gibt a) überhaupt kein Prinzip, es gibt genau ein Prinzip oder es gibt mehr als zwei Prinzipien:
- Es gibt kein rationales Weltprinzip Irrationalismus ↗
- Es gibt genau ein einziges Weltprinzip Monismus ↗
- Es gibt mehr als zwei, z. B. Trimurti ↗
Fußnoten
- [1] Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Herausgegeben von Hermann Gunkel und Leopold Tscharnak. Verlag von J. C. B. Mohr. Tübingen. 1931. Band I. Seite 2033.
- [2] Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Seite 120.
- [3] Dualismus als Zweitheit: "Dualism is distinguished from monism, which acknowledges only one principle, and from pluralism, which invokes more than two basic principles." In: In: Britannica, The Editors of Encyclopaedia. "dualism" Encyclopedia Britannica, 4 Jun. 2024. Online: https://www.britannica.com/topic/dualism-philosophy.
- [4] Dualismus als Unvereinbarkeit oder Komplementarität: "Dualism, in philosophy, the use of two irreducible, heterogeneous principles (sometimes in conflict, sometimes complementary) to analyze the knowing process (epistemological dualism) or to explain all of reality or some broad aspect of it (metaphysical dualism)." Als Beispiele werden angeführt: "subject" und "object", "sense datum" und "thing", "God" und "the world", "matter" und "spirit", "body" und "mind", "good" und "evil". In: Britannica, The Editors of Encyclopaedia. "dualism" Encyclopedia Britannica, 4 Jun. 2024. Online: https://www.britannica.com/topic/dualism-philosophy.
- [5] 1809, Zweiheit der Stoffe: "Der Dualismus nimmt zwei Welten an, die Körperwelt oder Materie, deren Wesen in Ausdehnung und Bewegung, und die Geisterwelt, deren Wesen im Vorstellen, Denken, Empfinden und Begehren bestehe. Diese Verschiedenheit der Wirkungen läßt aber auf die Verschiedenheit des letzten Grundes nur unsicher schließen." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 84-85. Online: http://www.zeno.org/nid/20000766771
- [6] 1835, Dualismus als Zweiheit: "Dualismus, Dualist. Dualismus, Zweiheit, nennt man diejenige Ansicht, nach welcher das Wesen aller Dinge von zwei ungleichartigen Urstoffen herzuleiten ist. In den Religionen des Orients versteht man darunter den Glauben an zwei höchste Wesen, ein gutes und ein böses, von denen jedes seinen schöpferischen Wirkungskreis und ebendaher auch Einfluß auf die Gesinnungen und Handlungen hat. Wer dieser Ansicht huldigt, wird Dualist genannt." In: Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 233-234. Online: http://www.zeno.org/nid/20001725521
- [7] 1854, Dualismus als (bisherige) Unvereinbarkeit: "Dualismus, lat.-dtsch., Zweierleiheit, das Vorhandensein von 2 einander entgegengesetzten Wesenheiten, Kräften, Prinzipien, z.B. des Leibes und der Seele im Menschen, der Geschlechter, Pole, 1850 Preußen und Oesterreich in Deutschland; näher ein wissenschaftliches oder religiöses System, welches 2 einander entgegengesetzte Grundprinzipien oder Prinzipien überhaupt annimmt, deren Vereinbarung nicht abzusehen ist. So findet sich der D. bei den Eleaten, spielen die Gegensätze von Stoff und Kraft, Materie und Geist, von Realem und Idealem, Unendlichem und Endlichem, Gutem und Bösem, in der Philosophie, in den Systemen der Gnostiker und Manichäer, in der ind., pers. und nord.-german. Mythologie die entscheidendste Rolle und geben Räthsel auf, über welche der Verstand für sich nimmermehr hinausgelangt." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 459. Online: http://www.zeno.org/nid/20003307875
- [8] 1858, Beispiele, eng nach Gebieten: "Dualismus (v. lat.), 1) die uralte Lehre, nach welcher man 2 höchste Grund- od. Urwesen, ein gutes u. ein böses, annahm, die mit einander im Kampf begriffen wären; dies ist der Grundgedanke des Zoroastrischen Systems u. später von Manes weiter ausgebildet (vgl. Manichäismus), auch in den Slawischen Religionen kommt dieser D. vor, wo die Gegensätze schwarze u. weiße Götter sind; 2) der Glaube, daß ein persönlicher Gott außer dem Menschengeist (gegen die Hegelingen) u. außer der Welt (gegen die Materialisten) sei; 3) Annahme zweier Thätigkeitsprincipien im Menschen (Körper u. Geist); 4) der moralische D. besteht in dem Bestreben, das Sittengesetz nach den Bedürfnissen des Triebes zu modeln; 5) überhaupt jede Erscheinung, wo sich eine doppelte, sei es in einer nach einem Ziel wirkenden od. sich entgegengesetzten Beziehung denken läßt; 6) in politischer Bedeutung, wenn in einem Staatenbunde zwei (natürlich die mächtigsten) Staaten an der Spitze desselben stehen u. die Angelegenheiten des Bundes leiten, bes. die Executive in den Händen haben; 7) (Dualistisches System), in der Physik nach du Fay u. Symmer die Annahme zweier verschiedener Arten von Elektricität, die Harz- u. Glas-Elektricität. Dualist, der sich zu den Ansichten des D. bekennt." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 367. Online: http://www.zeno.org/nid/20009818332
- [9] 1904, Dualismus der Bewegung, relativistisch (ein Jahr vor Einsteins Veröffentlichtung). In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 147-148. Online: http://www.zeno.org/nid/20006001394
- [10] 1905, Zweitheitslehre: "Dualismus (v. lat. duo, zwei, »Zweiheitslehre«) heißt im Gegensatze zum Monismus (s. d.) jede Erklärungsweise eines einzelnen Gebietes der Wirklichkeit oder der Welt im Ganzen, die von der Voraussetzung zweier, einander entgegengesetzter Prinzipien ausgeht. So wird in gewissen Systemen der religiös-sittlichen Weltbetrachtung, z. B. in der Lehre Zoroasters (s. d.), ein gutes Wesen als Urheber alles Guten und ein böses als Urheber alles Bösen angenommen, eine Form des D., die sich auch in der Sittenlehre Platons, des Christentums und Kants in der Unterscheidung der sinnlichen (unsittlichen, zum Bösen geneigten) und der geistigen (sittlichen) Natur des Menschen wiederfindet und die Grundlage der asketischen Moral bildet. Ebenso alt wie dieser ethische ist der anthropologische D., der den Menschen aus Leib und Seele zusammengesetzt sein läßt. Denselben erweiterte in der neuern Philosophie Descartes (s. d.) zum metaphysischen D., nach dem es in der Welt überhaupt zweierlei, in allen ihren Eigenschaften verschiedene Substanzen (Grundwesenheiten) gibt, die ausgedehnten Substanzen oder Körper und die denkenden oder Geister, die deshalb auch auf natürlichem Weg irgend einen Einfluß auseinander auszuüben nicht vermögen. Handelt es sich in diesen Fällen um den Gegensatz zweier Wesensarten, so besteht der kosmonomische D. in der Annahme zweier Grundformen des Geschehens, indem er dem Prinzip der Verursachung dasjenige der Zweckbestimmung gegenüberstellt. – In der Chemie nimmt die dualistische Theorie an, daß jeder zusammengesetzte Körper, welches auch die Anzahl seiner Bestandteile sein mag, in zwei Teile zerlegt werden kann, von denen der eine positiv, der andre negativ elektrisch ist. – In der Elektrizitätslehre nennt man dualistische Hypothese (Symmer) die Annahme, daß es zwei einander entgegengesetzte elektrische Fluida gebe, im Gegensatze zu der unitarischen Hypothese (Franklin, Wilke, Äpinus), nach der die elektrischen Erscheinungen nur durch ein einziges Fluidum (Elektrikum) verursacht werden. – Da die Vorstellung einer Zweiheit der letzten Gründe unserm überall Einheit suchenden Denken widerstrebt und auch in der Wirklichkeit sich nirgends schroffe und unverbundene Gegensätze vorfinden, vielmehr alle Erscheinungen in einem Zusammenhange stehen, so hat der D. gegen den Mo nismus einen schweren Stand, und es darf wohl die dualistische Erklärungsweise auf keinem Gebiet als die letzte und tiefste angesehen werden (man denke nur an die künstlichen Hypothesen des Okkasionalismus [s. d.] und der prästabilierten Harmonie [s. d.] die aufgestellt werden mußten, um die tatsächliche Verknüpfung des geistigen und leiblichen Lebens vom dualistischen Standpunkt aus einigermaßen begreiflich zu machen). Dessenungeachtet ist die dualistische Betrachtungsweise auf einer gewissen Stufe der Entwickelung des Erkennens unvermeidlich und förderlich. Wir können nicht alle Seiten und Beziehungen der Dinge auf einmal umfassen, sondern müssen, um klare Begriffe zu[236] bilden, Verbundenes zunächst trennen und Gegensätze fixieren, wo stetige Übergänge vorhanden sind. – In politischer Beziehung versteht man unter D. die Teilung der politischen Gewalt zwischen zwei Faktoren, insbes. das Verhältnis, wonach in einem Staatenbund zwei (natürlich die mächtigsten) Staaten an dessen Spitze stehen und die Angelegenheiten des Bundes leiten, besonders die Exekutive in den Händen haben. So war die zur Zeit des vormaligen Deutschen Bundes angestrebte Leitung Deutschlands durch Österreich und Preußen ein D., gegenüber der Trias, dem System, wonach drei Staaten die Exekutive haben sollten, sei es, daß außer jenen beiden noch Bayern, sei es, daß dies abwechselnd mit den andern damals bestehenden deutschen Königreichen die Führung haben sollte. Als D. bezeichnet man insbes. auch das seit 1867 zwischen Österreich und Ungarn bestehende staatsrechtliche Verhältnis. – Dualist, Anhänger des D.; dualistisch, auf D. gegründet; Dualität, Zweiheit." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 236-237. Online: http://www.zeno.org/nid/20006517099
- [11] 1911 religiös, moralisch, politisch: "Dualismus (neulat., »Zweispaltung«), Lehre von einem guten und bösen göttlichen Grundwesen (Religion des Zoroaster); Annahme eines geistigen und sinnlichen Prinzips im Menschen (Descartes); Gegensatz Monismus; in polit. Beziehung Teilung der Gewalt zwischen zwei Staaten in einem Staatenbund (bis 1866 Österreich und Preußen) oder zwischen zwei Teilen desselben Staates, wie seit 1867 in Österr.-Ungarn." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 464. Online: http://www.zeno.org/nid/20001061240
- [12] Thomas Hyde: De Vetere Religione Persarum. 1700. Online: https://archive.org/details/bub_gb_PcLW_2q7GwkC/page/n7/mode/2up
- [13] 1923, zur Wortgeschichte: "Thomas Hyde, der im 17. Jahrhundert über die Religion der Perser schrieb, prägte für den bekannten Glauben, die Welt werde von einem guten und von einem bösen Gotte gemeinschaftlich regiert, den ganz treffenden Ausdruck Dualismus". In: Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 21923, Band 1, S. 299-303. Online: http://www.zeno.org/nid/20006180299