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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Drehimpuls

Kreisbewegungen

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Basiswissen


Man unterscheidet zwei Arten von Impuls: den Bahndrehimpuls und den Eigendrehimpuls. Anschaulich oder sinnlich sind mit dem Drehimpuls Begriffe wie Schwung, Drall oder Wucht enthalten, wie sie in einer Drehung enthalten sind. Man unterscheidet einen Bahndrehimpuls und einen Eigendrehimpuls.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Man sieht eine Nahaufnahme von einem Kinderkarussel.☛


Bahndrehimpuls


Bei einem Bahndrehimpuls bewegt sich ein Körper auf einer Kreisbahn um einen Mittelpunkt. Damit verbunden sind Begriffe wie Umlaufbahn, Bahn- oder Winkelgeschwindigkeit.

Formeln

  • L = m·r·v
  • L = m·r²·ω
  • ω = v:r

Legende

  • m = z. B. in Kilogramm: vom rotierenden Körper die Masse ↗

Das klassische Beispiel für den Bahndrehimpuls ist ein Planet bei seinem Umlauf um die Sonne oder ein Mond bei seinem Umlauf um seinen Zentralplaneten. In der Technik dürfte Bahndrehimpulse unter anderem bei der Konstruktion schneller Fahrgeschäfte auf einem Jahrmarkt eine Rolle spielen. Siehe mehr unter Bahndrehimpuls berechnen ↗

Eigendrehimpuls


Beim Eigendrehimpuls dreht sich ein Körper um eine Achse, die durch den eigenen Masseschwerpunkt geht. Klassische Beispiele sind hier die Eigenrotationen von Himmelskörpern oder von Eiskunstläufern bei einer Piroutte. Tatsächlich kann man den Eigendrehimpuls als die aufsummierten Bahndrehimpulse aller Teilchen eines Körpers auf Umlaufbahnen betrachten. Man kann also die Formeln für den Eigendrehimpuls aus den Formeln für den Bahndrehimpuls herleiten.

Formel

  • L = J·ω

Legende


Tatsächlich kann man den Eigendrehimpuls als die aufsummierten Bahndrehimpulse aller Teilchen eines Körpers auf Umlaufbahnen betrachten. Mit Hilfe der Integralrechnung kann man die Formeln für den Eigendrehimpuls aus den Formeln für den Bahndrehimpuls herleiten. Siehe mehr unter Eigendrehimpuls berechnen ↗

Erhaltung


Der Drehimpuls ist eine Erhaltungsgröße. Das heißt: solange von außen keine Kräfte auf ein System ein wirken, kann sich sein Gesamtdrehimpuls nicht verändern. In der Quantenphysik ist der Drehimpuls eine gequanteltete Größe. Der Drehimpuls tritt nur in ganzzahligen Vielfachen des reduzierten Planckschen Wirkungsquantums auf. Die Erkenntnis, dass der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße ist, wuchs langsam über mehr als 100 Jahre. Das langsame Reifen der Erkenntnis zeigt, wie wenig die Erkenntnisse der Physik aus einfachem logischen Denken entstehen. Vielmehr sind sie das Ergebnis von mühseligen Naturbeobachtungen in Verbindung mit schwierigen Rechnungen. Die Erkenntnisprozesse zogen und ziehen sich nicht selten über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hinweg. Siehe mehr dazu unter Drehimpulserhaltung ↗

Historisch


Viele Begriffe der Physik werden in heutigen Schulen und Hochschulen so vermittelt, als seien sie fast eine Selbstverständlichkeit. Das sind sie aber nicht. So hat alleine die Idee des Impulses über anderthalb Jahrtausende Entwicklungsgeschichte über viele verschiedene Kulturkreise hinweg benötigt, bevor er im 14. Jahrhundert erstmals klar formuliert wurde. Und so hat auch die Idee eines Drehimpulses eine solche Entstehungsgeschichte von mindestens 100 Jahren.

1746 Euler & Bernoulli

Im Jahr 1746 sollen die Daniel Bernoulli (1700 bis 1783) und Leonhard Euler (1707 bis 1782) mit einer Kugel, die eine schiefe Ebene herunter rollt, gezeigt haben, dass der Drehimpuls der Kreisbewegung der Kugel erhalten bleibt.[3]

1755 Immanuel Kant

In einer beachtlichen Schrift aus dem Jahr 1755[1] hat der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) in groben Zügen die Entstehung unseres Sonnensystems aus einem Urnebel beschrieben. An einer Stelle setzt Kant die Erhaltung einer Drehbewegung voraus. Er beschreibt, wie die Eigenrotation der Planeten, etwa die Bewegung der Erde um ihre eigene Achse entsteht. Dabei geht er davon aus, dass in der Frühzeit des Sonnensystems viele Teilchen aus dem Urnebel auf die jungen Planetenkörper niederprasselten. Diese fallenden Teilchen, so Kant, hatten schon eine Drehbewegung, die sie beim Aufprall auf den entstehenden Planeten nicht verlieren konnten.


ZITAT:

"so müssen sie, als Theile desselben [des entstehenden Planeten], eben dieselbe Umwendung nach eben derselben Richtung fortsetzen, die sie hatten, ehe sie mit ihm vereinigt worden."[4]


Die "Theile", man kann sich vielleicht kleine meteoritenartige Brocken vorstellen, die auf die Erde fallen. Als Laborversuch könnte man einen großen Ball auf den Boden oder in einer Wasserwanne (weniger Reibung) legen und ihn dann mit kleinen Steinchen bewerfen. Wenn die Steinchen in geeigneter Weise auf den Ball geworfen werden, kann man ihn in eine Eigenrotation bringen.

Kant kann aber trotz dieser Vorahnung nicht als Urheber des Satzes von der Erhaltung des Drehimpulses angesehen werden. Denn an einer

Wie aber später gezeigt wird, hält Kant diese Erkenntnis nicht konsequent bei. Seinem Urnebel als Ganzem nämlich gibt er keine Drehbewegung aus der heraus nachher die Rotation des gesamten Sonnensystems heraus als Drehimpulserhaltung erklärt werden könnte. Im Gegenteil, und damit inkonsequent gegenüber dem hier angeführten Textsteil, lässt Kant die Drehbewegung des Sonnensystems aus einem drehungsfreien, nicht rotierenden Urnebel entstehen. Damit widerspricht er sich selbst, und der späteren Erkenntnis der Erhaltung des Drehimpulses.

1803 Louis Poinsot

Im Jahr 1803 soll Louis Poinsot den Drehimpuls erstmals im Sinne eines Vektorprodukts dargestellt haben.[5]

1853 William Rankine

Erst im Jahr 1853 schließlich soll den Drehimpuls in seiner heute üblichen Form und mit dem heute üblichen Sinn definiert worden sein.[6]

Fußnoten


  • [1] Das was wir heute als den Impuls einer geradlinigen Bewegung mit der Formel p=m·v bezeichnen, hat eine gut belegte Entstehungsgeschichte von gut anderthalb Jahrtausenden. Die Anfänge kann man in der griechischen Antike bei Aristoteles (384 bis 322) finden. Er nahm (fälschlicherweise) an, dass ein Körper ständig eine Kraft benötige, wenn er in Bewegung bleiben sollte. Die Vermutung, dass das nicht so sein muss, führte dann über viele Zwischengedanken im 14. Jahrhundert zur ersten klaren Formulierung dessen, was wir heute Impuls nennen. Siehe dazu den Artikel zur Impetustheorie ↗
  • [2] "In 1746, both Daniel Bernoulli (1700-1782) and Leonhard Euler (1707-1783) gave the proof of the conservation of the angular momentum (conservation of the momentum of rotational motion for a point-like mass sliding along a smooth tube in a horizontal plane." In: Amelia Carolina Sparavigna, A Historical Discussion of Angular Momentum and its Euler Equation, International Journal of Sciences 07(2015):34-38 DOI: 10.18483/ijSci.786. Online: https://arxiv.org/pdf/1511.07748
  • [3] Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. Petersen, Königsberg und Leipzig 1755. Siehe auch Nebularhypothese (Immanuel Kant) ↗
  • [4] "We have to wait until 1803, to see a representation of the angular momentum similar to that we are using today with a cross product of vectors" (Louis Poinsot) In: Amelia Carolina Sparavigna, A Historical Discussion of Angular Momentum and its Euler Equation, International Journal of Sciences 07(2015):34-38 DOI: 10.18483/ijSci.786. Online: https://arxiv.org/pdf/1511.07748
  • [5] "It was in 1858, in the William Rankine's Manual of Applied Mechanics, that we can find the angular momentum defined in the modern sense for the first time." In: Amelia Carolina Sparavigna, A Historical Discussion of Angular Momentum and its Euler Equation, International Journal of Sciences 07(2015):34-38 DOI: 10.18483/ijSci.786. Online: https://arxiv.org/pdf/1511.07748

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