Compton-Streuung
Physik
Basiswissen
Als Compton-Streuung bezeichnet man eine (überraschende) Richtungsänderung von Photonen durch Elektronen: wenn ein Photon nahe genug an einem Elektron vorbeifliegt, dann kann man oft beobachten, dass es seine Flugrichtung ändert. Dabei wird seine Wellenlänge größer. Diesen Umstand bezeichnet man als Compton-Streuung oder auch als Compton-Effekt[3] oder Comptoneffekt[4].
Fakten zur Compton-Streuung
- Die Wellenlänge der Photonen wird immer größer.
- Es gilt: Δλ = [h/(m₀·c)]·(1-cos(φ)) [siehe weiter unten]
- Es gilt der klassische Impulserhaltungssatz für Teilchen.
- Es gilt der klassische Energieerhaltungssatz für Teilchen.
- Das beteiligte Elektron nimmt immer Energie und Impuls auf.
- Der Effekt tritt vor allem gut sichtbar bei freien Elektronen auf.
- Er macht sich vor allem bei energiereicher Strahlung (Röntgen, Gamma) bemerkbar.
- Der Compton-Effekt kann zur Ionisation von Teilchen führen.
Was ist das Überraschende an der Compton-Streuung?
Das Experiment von Arthur Compton bot drei Überraschungen, die aber logisch zusammenhängen: a) bei der Streuung ändert sich die Wellenlänge der gestreuten Röntgentrahlung, b) das Photon hat zwar keine Ruhemasse, aber es überträgt dennoch einen Impuls auf das Elektron, an dem es getreut wird. Und c) dass Wellen, etwa wellenartig gedachte elektromagnetische Strahlung, einen Impuls übertragt ist nicht selbstverständlich.
a) Die Änderung der Wellenlänge
Wenn eine Wasserwelle auf ein Hindernis trifft, etwa einen großen Pfahl im Wasser, so ändert die Welle dort zwar ihre Richtung, sie breitet sich zum Beispiel auch in den "Schattenraum" hinter dem Pfahl aus. Aber dabei behält die Wasserwelle ihre ursprüngliche Wellenlänge und Frequenz bei. Trifft eine elektromagnetische Welle, wie bei Röntgenstrahlung, auf ein Hindernis, etwa ein Elektron, könnte man dasselbe Verhalten erwarten. Dem ist aber nicht so, wie Compton mit seinen Versuchen gezeigt hat. Tatsächlich ändern die Röntgenwellen ihre Wellenlänge bei ihrer Richtungsänderung an einem Hindernis. Das ist zunächst einmal nicht selbstverständlich. Zur vermeintlichen Analogie mit Wellen im Wasser siehe den Artikel zur Beugung von Wasserwellen ↗
b) Impuls ohne Masse
In der Mechanik lautet die Formel für den Impuls p kurz m·v, also Masse mal Geschwindigkeit. Wenn ein Objekt keine Masse hat, die Masse als 0 kg beträgt, dann erhält man auch einen Impuls von 0. Tatsächlich ordnet man einem Röntgenphoton aber keine Ruhemasse zu. Die Ruhemasse beträgt 0 kg. Damit aber wäre auch der Impuls des Röntgen-Strahlungs-Teilchen, des Photons, gleich 0. Compton hat aber beobachtet, dass das Elektron, welches an der Streuung beteiligt ist, eine Impulsänderung erfährt: es nimmt einen Impuls auf. Also muss das Photon einen Impuls abgegeben haben. Das Paradoxon ist, dass etwas masseloses (m=0) trotz der Formel p=m·v einen Impuls haben soll. Das war der zweite überraschende Befunde der Compton-Streuung.
c) Wellen mit Impuls
Das Wort Photon steht für teilchenartig gedachte Pakete elektromagnetischer Strahlung, die gleichzeitig Eigenschaften von Wellen haben. Passend dazu spricht man ja von elektromagnetischen Wellen. Wellenartige Gebilde müssen nicht zwangsläufig einen Impuls haben.[5][6] Das ist näher betrachet im Artikel zum Wellenimpuls ↗
Das Wesentliche in den Worten von Compton selbst
In wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird deren Kernaussage oft am Anfang im sogenannten Abstract zusammengefasst. In einem solchen Abstract aus einer Veröffentlichung des Jahres 1923 schreibt Compton sinngemäß übersetzt:
MERKSATZ:
"Vorgestellt wird die Hypothese, dass bei der Streuung eines Röntgen-Quants dieses seine gesamte Energie und seinen gesamten Impuls auf ein Elektron überträgt. Dieses Elektron wiederum streut das Quant in eine bestimmte Richtung. Die Änderung des Impulses des Röntgen-Quants aufgrund einer Änderung seiner Bewegungsrichtung bewirkt einen Rückstoß am streuenden Elektron. Die Energie des gestreuen Quants ist damit geringer als die Energie des ursprünglichen Quants, und zwar um den Betrag der kinetischen Energie des Rückstoßes des streuenden Elektrons."[1]
"Vorgestellt wird die Hypothese, dass bei der Streuung eines Röntgen-Quants dieses seine gesamte Energie und seinen gesamten Impuls auf ein Elektron überträgt. Dieses Elektron wiederum streut das Quant in eine bestimmte Richtung. Die Änderung des Impulses des Röntgen-Quants aufgrund einer Änderung seiner Bewegungsrichtung bewirkt einen Rückstoß am streuenden Elektron. Die Energie des gestreuen Quants ist damit geringer als die Energie des ursprünglichen Quants, und zwar um den Betrag der kinetischen Energie des Rückstoßes des streuenden Elektrons."[1]
Der Compton-Effekt ist nicht alleine durch die Wellennatur elektromagnetischer Strahlung erklärbar. Er wird erst fassbar, wenn man sich die Strahlung aus Teilchen, eben den Photonen gebildet, vorstellt. Siehe auch Welle-Teilchen-Dualismus ↗
Formeln zur Compton-Streuung
- Δλ = [h/(m₀·c)]·(1-cos(φ))[3]
- p = h·f:c
- p = h:λ
- c = f·λ
LEGENDE
- Δλ = Änderung der Wellenlänge des Röntgenphotons
- h = die Planck-Konstante ↗
- m₀ = die (Ruhemasse), die Elektronenmasse ↗
- c = die Vakuumlichtgeschwindigkeit ↗
- φ = der Streuwinkel ↗
- p = der Photonenimpuls ↗
- f = die Photonenfrequenz ↗
- λ = die Photonenwellenlänge ↗
Fußnoten
- [1] Comptons original-Veröffentlichung aus dem Jahr 1923 beginnt mit dem Gedanken: "The hypothesis is suggested that when an X-ray quantum is scattered it spends all of its energy and momentum upon some particular electron. This electron in turn scatters the ray in some definite direction. The change in momentum of the X-ray quantum due to the change in its direction of propagation results in a recoil of the scattering electron. The energy in the scattered quantum is thus less than the energy in the primary quantum by the kinetic energy of recoil of the scattering electron." In: Arthur H. Compton: A Quantum Theory of the Scattering of X-Rays by Light Elements. In: The Physical Review. Vol. 21, No. 5. May, 1923. Online: https://history.aip.org/exhibits/gap/PDF/compton.pdf
- [2] Die Rolle der Compton-Streuung für die Messung des Ortes eines Elektrons und die Bedeutung für die Quantenphysik behandelte Werner Heisenberg in: Werner Heisenberg: Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. In: Zeitschrift für Physik. 1927. Dort auf Seite . Online: https://people.isy.liu.se/jalar/kurser/QF/references/Heisenberg1927.pdf
- [3] Ein Exkurs in einem Physik-Lehrbuch trägt die Überschrift "Comptoneffekt" und dann die Präzisierung "Stöße von Photonen und Elektronen". Compton hatte im Jahr 1922 beobachtet, dass bei einer Streuung von "Röntgenstrahlen an Elektronen" eine "Vergrößerung der Wellenlänge" auftritt. Auch wird die Strahlung "in eine andere Richtung gestreut". Das Lehrbuch weist darauf hin, dass beide Effekte bei einer Streuung von Wasserwellen an Hindernissen nicht auftreten. Auch würde man nicht beobachten, dass blaues Licht bei eine Streuung seine Wellenlänge hin zu längeren Wellen (etwa zum Roten oder Grünen) ändert. Eine Erklärung fand er erst nach folgender Annahme: "Wir sehen, dass Wellenlänge und Intensität der Streustrahlung so sind, als ob die Streuung von Licht an Elektronen als elastischer Stoß von zwei Billardbällchen aufgefasst werden dürfte." In: Dorn.Bader. Physik SII Gesamtband Gymnasium. Westermann Bildungsmedien. Braunschweig. 2023. ISBN: 978-3-14-152376-8. Dort die Seite 313. Siehe auch Compton-Streuung ↗
- [4] Das Kapitel "10.1.5 Der Compton-Effekt - Masse und Impuls von Photonen". In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Dort die Seiten 392 und 393.
- [5] Dass Photonen nicht zwangsläufig auch einen Impuls haben müssen, stellt fragend zum Beispiel ein Lehrbuch der Physik in den Raum. Es wird zunächst auf den lichtelektrischen Effekt verwiesen, der gezeigt habe, dass man Photonen sinnvoll eine Energie zuordnen. Dann folgt die Frage: "Aber haben Photonen auch einen Impuls, der in der Impulsbilanz [eines Stoßes, bei der Streuung] berücksichtigt werden muss?" In: Dorn.Bader. Physik SII Gesamtband Gymnasium. Westermann Bildungsmedien. Braunschweig. 2023. ISBN: 978-3-14-152376-8. Dort im Abschnitt zum "Comptoneffekt". Seite 313. Siehe auch Wellenimpuls ↗
- [6] Das Zitat oben ist eine freie Übersetzung von: "The phenomenon of wave momentum is remarkable in several respects. First, it is not clear a priori that waves ought to have associated momentum. Waves are commonly divided into two types: transverse and longitudinal waves. In the transverse case, since nothing is moving in the direction of propagation, how can there be associated momentum in that direction? Even in the longitudinal case, since the wave motion is typically oscillatory, one would think that the average momentum density would be zero. How can there be net momentum in the direction of the wave?" Der zweite Aspekt, bezüglich dessen der Wellenimpuls (wave momentum) bemerkenswert sei ist die vergleichsweise einfache Formel, die den Impuls einer Welle mit der Wellenlänge verbindet: Impuls = Energie durch Phasengeschwindigkeit (p=E/c). In: Charles S. Peskin: Wave Momentum. Silver Dialogues. Courant Institute of Mathematical Sciences. New York University. August 25th, 2010.