A priori
Logik
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Basiswissen
A priori, auf Deutsch so viel wie im Voraus, von Vorneherein, bezeichnet eine Art von Urteil, Beweis oder Aussage, die man ganz alleine durch das Denken und ohne Hinzuziehung von Beobachtungen oder Erfahrungswissen machen kann. Der Ausdruck steht heute in enger Verbindung mit Kants Kritik der reinen Vernunft. Eine Art Gegenteil ist eine Aussage a posteriori.
Definition
Der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) ging der Frage nach, ob es möglich ist, durch reines Denken, ohne jedes Erfahrungswissen über die äußere Welt, zu sicheren Kenntnissen kommen zu können. Solche Erkenntnisse, die man ganz ohne Beobachtung der Welt erlangen könnte, nannte er a priori:
ZITAT:
"Wir werden also im Verfolg unter Erkenntnissen a priori nicht solche verstehen, die von dieser oder jener, sondern die schlechterdings von aller Erfahrung unabhängig stattfinden. Ihnen sind empirische Erkenntnisse, oder solche, die nur a posteriori, d. i. durch Erfahrung, möglich sind, entgegengesetzt. Von den Erkenntnissen a priori heißen aber diejenigen rein, denen gar nichts Empirisches beigemischt ist. So ist z.B. der Satz: eine jede Veränderung hat ihre Ursache, ein Satz a priori, allein nicht rein, weil Veränderung ein Begriff ist, der nur aus der Erfahrung gezogen werden kann."[1]
"Wir werden also im Verfolg unter Erkenntnissen a priori nicht solche verstehen, die von dieser oder jener, sondern die schlechterdings von aller Erfahrung unabhängig stattfinden. Ihnen sind empirische Erkenntnisse, oder solche, die nur a posteriori, d. i. durch Erfahrung, möglich sind, entgegengesetzt. Von den Erkenntnissen a priori heißen aber diejenigen rein, denen gar nichts Empirisches beigemischt ist. So ist z.B. der Satz: eine jede Veränderung hat ihre Ursache, ein Satz a priori, allein nicht rein, weil Veränderung ein Begriff ist, der nur aus der Erfahrung gezogen werden kann."[1]
Beispiele
Geometrie
Kant hat in seinen Schriften immer wieder die Geometrie als ein Feld für Erkenntnisse a priori angeführt. Dabei hat er jedoch selbst keine konkreten Beispiele gegeben. Autoren nach Kant haben dann aber einige solche Beispiele geliefert.
Die längste Seite in einem Dreieck muss immer kürzer sein als die Summe der Längen der beiden anderen zwei Seiten.[3]
Wer den Satz nicht auf Anhieb versteht, oder an ihm zweifelt, kommt der Einsicht vielleicht darüber näher, entsprechende Dreiecke einmal selbst zu zeichnen: versuche ein Dreieck zu zeichnen, bei dem die Längen der zwei kürzeren Seiten plusgerechnet weniger ergeben als die Länge der dritten und längsten Seite im Dreieck.
Diese sogenannte Dreiecksungleichung wird öfters als Beispiel für eine Erkenntnis a priori angeführt. Man versuche einmal im Geiste ein Dreieck zu denken, bei dem die längste Seite sogar noch länger ist als die beiden anderen Seiten aneinandergereiht. Das ist unmöglich, denn dann würden die zwei anderen Seiten eine Lücke lassen und es entstünde keine geschlossen gezeichnete Figur. Zu der Erkenntnis der Dreiecksungleichung, so die Idee, könnte man also auch gelangen, ohne dass man irgendwelchen Versuche oder Beobachtungen in der Wirklichkeit macht. Die Erkenntnis ist sozusagen schon indirekt in der Beschaffenheit unseres Denkens angelegt.
Religion
In einem theologischen Lexikon aus dem Jahr 1931 findet man ein weiteres Beispiel, das zumindest an die Interessen Kants anknüpft. Als ein großes Rätsel bezeichnete Kant ja immer wieder den gestirnten Himmel über ihm und das moralische Gefühl in ihm. Mit dem moralischen Gefühl aber sind wir nahe bei der Religion und dem hier zitierten Beispiel.
ZITAT:
"Das Christentum setzt voraus, das seine Verkündigung Menschen trifft, die auf Gott hin geschaffen sind und infolgedessen irgenwelche, wenn auch getrübte Gotteserkenntnis bereits besitzen“. Diese natürlichen Anlagen werden weiter in zwei Aspekte aufgeteilt: „Man unterschied innerhalb der natürlichen Theologie meist ein mit dem Wesen des Menschen gegebenes apriorisches Gottesbewusstsein und eine auf Grund der Werke der Schöpfung a posteriori erworbene Erkenntnis Gottes."[7]
"Das Christentum setzt voraus, das seine Verkündigung Menschen trifft, die auf Gott hin geschaffen sind und infolgedessen irgenwelche, wenn auch getrübte Gotteserkenntnis bereits besitzen“. Diese natürlichen Anlagen werden weiter in zwei Aspekte aufgeteilt: „Man unterschied innerhalb der natürlichen Theologie meist ein mit dem Wesen des Menschen gegebenes apriorisches Gottesbewusstsein und eine auf Grund der Werke der Schöpfung a posteriori erworbene Erkenntnis Gottes."[7]
Hier wird also angenommen, dass im Menschen selbst schon die Idee eines Gottes angelegt ist. A priori ist diese Gottesahnung dann deshalb, da sie keinerlei äußerer Erfahrungen bedarf. Die Idee, Gott oder ähnliche Wesenheiten durch eine Innenschau im eigenen Seelenleben zu finden, ist eine Kernidee der sogenannten natürlichen Religion.
Gefahr der Fehldeutung
Kant galt bereits zu seinen Lebzeiten als großer Philosoph. Als er 1804 starb, Napoleon begann gerade ganz Europa erobern zu wollen, hatte sich sein Denken bereits in vielen Ländern verbreitet. Ein Lexikon aus Deutschland, der berühmte Brockhaus, erklärte dann im Jahr 1837 a priori wie folgt:
ZITAT:
"A priori, d.h. von vorn herein, ist der Gegensatz zu a posteriori, d.h. von hinten. Einen Beweis nämlich, der auf bloßen Vernunftgründen beruht, ohne daß es nöthig ist, erst die Erfahrung zu Hülfe zu nehmen, um seine Richtigkeit darzuthun, nennt man Beweis a priori; kann man aber Etwas nur aus der Erfahrung beweisen, ohne die eigentlichen Gründe der Erscheinung angeben zu können, so ist dies ein Beweis a posteriori. Daß es z.B. nur im heißesten Sommer, selten in der Nacht und nie auf dem hohen Meere hagelt, können wir nur a posteriori oder aus Erfahrung behaupten, denn die Ursache ist uns zur Zeit noch unbekannt; daß aber z.B. kein Körper von der Erde gänzlich sich entfernen kann, wenn er auch mit der gewaltigsten Kraft gegen die Wolken geschleudert würde, das wissen wir a priori, d.h. auch ohne die Erfahrung, denn die Anziehungskraft der Erde ist größer als alle Wurfkraft auf Erden."[2]
"A priori, d.h. von vorn herein, ist der Gegensatz zu a posteriori, d.h. von hinten. Einen Beweis nämlich, der auf bloßen Vernunftgründen beruht, ohne daß es nöthig ist, erst die Erfahrung zu Hülfe zu nehmen, um seine Richtigkeit darzuthun, nennt man Beweis a priori; kann man aber Etwas nur aus der Erfahrung beweisen, ohne die eigentlichen Gründe der Erscheinung angeben zu können, so ist dies ein Beweis a posteriori. Daß es z.B. nur im heißesten Sommer, selten in der Nacht und nie auf dem hohen Meere hagelt, können wir nur a posteriori oder aus Erfahrung behaupten, denn die Ursache ist uns zur Zeit noch unbekannt; daß aber z.B. kein Körper von der Erde gänzlich sich entfernen kann, wenn er auch mit der gewaltigsten Kraft gegen die Wolken geschleudert würde, das wissen wir a priori, d.h. auch ohne die Erfahrung, denn die Anziehungskraft der Erde ist größer als alle Wurfkraft auf Erden."[2]
Das vom Brockhaus gegebene Beispiel ist jedoch in doppelter Hinsicht falsch. Der Brockhaus behauptet, dass kein Gegenstand so schnell von der Erde weggeworfen werden könnte, dass er damit auf Ewigkeit nicht mehr auf die Erde zurückfällt. Das ist faktisch falsch. Hat ein Körper die Fluchtgeschwindigkeit von etwas über 11 Kilometern pro Sekunde so würde er, einmal nach oben geworfen, nie mehr zurückfallen (die Luftreibung ist dabei vernachlässigt). Aber selbst wenn die Aussage aus dem Brockhaus faktisch richtig wäre, wäre sie kein gutes Beispiel für eine Erkenntnis a priori. Denn dass die Erde überhaupt eine Anziehungskraft hat gilt für uns nur aus der Erfahrung. Es gibt keinen logischen Grund, nichts vernunftmäßig Zwingendes, dass das so sein sollte. Gott hätte die Welt durchaus auch so einrichten können, dass Masse sich nicht anzieht.
Fußnoten
- [1] Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Einleitung, Abschnitt I (Zweite Auflage). In: Immanuel Kant: Gesammelte Schriften, Akademie‑Ausgabe, Bd. 3, Berlin 1900.
- [2] Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 102. Online: http://www.zeno.org/nid/20000811289
- [3] Das Beispiel findet man unter anderem in: U. Mark: Synthetic a Priori Knowledge in Geometry: Recovery of a Kantian Insight. University College London, 2008, 17. Accessed November 18, 2025. Online: https://www.ucl.ac.uk/~uctymdg/RECOVERY%20OF%20A%20KANTIAN%20INSIGHT%20web.pdf
- [4] Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Herausgegeben von Hermann Gunkel und Leopold Tscharnak. Verlag von J. C. B. Mohr. Tübingen. 1931. Band I. Seite 423 ff.