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Zementation (Natriumchlorid)

Physik

© 2025




Basiswissen


Am Strand gebaut Sandburgen zerrieseln bei trockenem Wetter sehr schnell. Gibt man aber Salzwasser dazu, bleiben sie deutlich länger fest. Auch kann man am trockenen Strand der Nordsee oft stark verfestigte Lagen spüren. Beide Effekte lassen sich vielleicht auf eine Zementation des Sandes mit Salz, speziell Natriumchlorid zurückführen. Der Gedanke führt zu überraschenden technischen und militären Anwendungen. Hier ist kurz ein Versuch beschrieben, wie man den Effekt selbst und mit einfachen Mitteln studieren kann.

Pilotversuch


Feuchter bis nasser Sand vom Spülsaum der Nordseeinsel Wangerooge wurde 20 Minuten bei 750 bis 800 Watt Ausgangsleistung (höchste Leistungsstufe) in einer Mikrowelle getrocknet. Insgesamt gingen also fast eine Million Joule Energie in den Sand.[1] Achtung: der Sand ist noch gut eine Stunde danach sehr heiß. Am Ende war der behandelte Sand deutlich stückiger und in Teilen auch gesteinsartig fest.

Nimmt man Sand von sogenannten Nassen Strand, jenem Bereich, der regelmäßig von der Flut mit Salzwasser bedeckt ist, dann kann man mit feuchtem Sand von dort einen einfachen Zementationsversuch durchführen.



Der noch strandfeuchte Sand wurde gut 20 Minuten bei maximaler Leistung in einer Mikrowelle gebacken. Anschließend hatte sich große und kleine zum Teil sehr feste brocken gebildet. Vermutlich haben die Salze aus dem Wasser als Kitt die Sandkörner zusammenzementiert.

Interessant: einen Tag später, nach einer Nacht unter freiem Himmel, war der Sand wieder in seiner ursprünglichene feuchten klumpigen Form. Und: es war mein Eindruck, dass eine Erhitzung in der Mikrowelle bei kleiner Hitze und mit entsprechender längerer Trockenzeit zu festeren Klumpen führte als eine schnelle und Erhitzung mit viel Leistung.

Geschwindigkeit


Dass die Zementation als Anfang einer Diagenese auch natürlich sehr schnell ablaufen kann, zeigte ein sehr eindrucksvoller Fund aus dem Jahr 2022: am westlichen Ende der Nordseeinsel Wangerooge wurde ein sehr fester Klumpen, ein Konglomerat aus Muschelschalen, Schlamm oder Sand und einem einzementierten Armband einer Uhr gefunden.


Dieses Bild ist für das Verständnis des Textes nicht wichtig. Das Bild wird im Text nicht erwähnt.
Die Armbanduhr sieht aus wie aus den 1970er oder 1980er Jahren. Aber auch später, bis in die 2020er Jahre wurden solche Uhrbänder getragen.

Der Stein hat sich möglicherweise in kürzester Zeit, vielleicht Wochen oder Monaten, vielleicht aber auch über Jahrzehnte gebildet. Auf keinen Fall aber hat der Prozess länger als 60 Jahre gedauert. Anfang der 1960er Jahre dürften schwere metallene Uhrbänder wie das Eingebackene noch nicht üblich gewesen sein.

Erfolgsmaß


Um den Erfolg der Zementation zu messen benötigt man ein Erfolgsmaß. Als solche böten sich die Festigkeit gegen Bruch[22] und die Härte an. Aus praktischen eines einfacheren Prüfung wird hier die Härte gewählt. Als Verfahren soll die Härteprüfung nach Brinell verwendet werden. Die Härte ist dabei definiert als der Widerstand den ein Körper dem Eindringen eines härteren Körpers entgegensetzt. Als Maß für die Härte nimmt man dann entsprechend die Eindringtiefe nach einer Belastung mit einer definierten Kraft über eine definierte Zeit. Siehe mehr unter Härte ↗

Folgeversuche


In der Mathe-AC Lernwerkstatt soll die Zementation von Sand oder anderen körnigen Substanzen mit Hilfe verschiedener Zementationsmittel nachgestellt werden. Das Ziel ist es, Methoden dafür zu finden, eine immer gleiche Menge Sand in möglichst kurzer Zeit möglichst fest zu machen.

Interessant ist hier, dass solche Versuche speziell mit Salzwasser bereits in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 beschrieben wurden.[2] Übernimmt man Teile des Versuchsaufbaus und der Versuchsdurchführung, kann man die eigenen Ergebnisse mit denen der Wissenschaftler vergleichen. In den Versuchen von 2010 gab es unter anderem folgende Festlegungen:

  • Es wurden zwei Modellstoffe verwendet: Glasperlen und Ventoux Sand.
  • Die Modellstoffe wurden zuerst gewaschen und getrocknet.
  • Anschließend wurden sie mit gesättigtem Salzwasser (35,6 g NaCL für 100 ml Wasser) gemischt.
  • Proben wurden in zylindrische Formen gegeben: 25 mm Durchmesser, 17 mm Höhe.
  • Die Festigkeit wurde zerstörend über eine Presse (maximal 50 N) bestimmt.

Diese Vorgaben kann man nun in einen Experimenten übernehmen. Als Modellstoff wird jedoch ein Sand mit einer Korngröße im Bereich von 0,2 Millimetern, also ein sehr viel feinerer Stoff verwendet.


TO-DO:

Wie könnte man die Zementation über Salzkristalle, vorher im Wasser gelöste Karbonate (aufgelöste Muschelschalen?) oder Eisenoxide (Rostteile) so im Labor nachstellen, dass die Zementation in kurzen Zeiträumen wie Minuten (Erhitzung?), Stunden, Tagen oder Wochen nachgestellt werden kann? Tipps aus der Literatur?[2]


Wozu überhaupt?


Wozu sollte man sich mit der Idee beschäftigen, mit Salzwasser Sand zu verfestigen? Ist das nicht ein Beispiel für weltfremde Forschung und praxisferne Zeitvergeudung? Wohl eher nicht. Tatsächlich beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit seit Jahrzehnten intensiv mit diesem Thema.

  • Durch Zugabe von Salz oder Salzwasser kann der Boden, etwa für den Bau von Straßen verfestigt werden.[4]
  • Salzhaltige Böden können Probleme für Bauprojekte darstellen. Kann man den unerwünschten Einfluss von Salz eindämmen?[5]
  • Für Militäroperationen benötigt man oft schnell hergestellte "befahrbare Pisten". Natriumchlorid ist ein Mittel der Wahl.[6]

Mit diesen Anwendungen ist man in dem großen Feld der Bodenkunde. Wer eine enge Verbindung von Praxis und Theorie, von Gelände- und Laborarbeit sucht, kann dort fündig werden.

Persönliche Anmerkung


 Portrait von Gunter Heim Die für Laien doch eher überraschenden Verwendung von Salz als Bodenverfestiger und der Ausblick auf die Bodenkunde als ein reizvolles Berufsfeld führen hin zu einem etwas zynischen Gedanken. Seit Jahrzehten belügen sich Wähler und Politiker über die Folgen des immer weiter angeheizten Klimawandels. Die Bauindustrie zählt mit zu den Haupttätern. Der Abbau von Kalkstein zerstört wertvolle Speicher für Grundwasser. Und die großen Kalköfen erzeugen über die Verbrennung von Erdgas todbringende Mengen an Kohlendioxid. Und dennoch wird die Bauindistrie wohl aalglatt von der Täterrolle in die Rolle eines heiß begehrten Profiteurs hinübergleiten können. Wenn der Klimawandel Böden und Straßen zerstört, den bisherigen Küstenschutz überfordert, Hafeninfrastruktur unbrauchbar macht und private Häuser über Bodensenkungen, Hangrutschungen oder eine ständige Überschwemmungsgefahr zu Schrottimmobilien reduziert, werden Baufirmen mehr denn je als Retter in der Not benötigt. In der Manipulation der öffentlichung Meinung muss es den entsprechend geneigten Lobbyisten nur gelingen, einen realistischen Klimaschutz so lange zu verzögern, bis nur noch Anpassung übrig bleibt. Die COP30-Konferenz im brasilianischen Belem markiert vielleicht diesen Wendepunkt zäher und weitsichtiger Lobbyarbeit.

Fußnoten


  • [1] Zum Überschlagen der Energie: 20 Minuten sind 1200 Sekunden. 800 Watt heißt, dass in jeder Sekunde 800 Joule umgesetzt werden. Man hat also 1200 mal 800 Joule. Das sind 960000 oder fast eine Million Joule oder 1000 Megajoule.
  • [2] Für die Geowissenschaften ist Zementation definiert als ein "Vorgang des Transportes und der Ablagerung von Mineralsubstanzen, die als Bindemittel zwischen Gesteinspartikeln ausgefällt werden." In: der Artikel "Zementation". Spektrum Lexikon der Geowissenschaften. Abgerufen am 9. August 2025. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/zementation/18526
  • [2] Die Zementation von Sand mit salzhaltigen Gewässern (brines) ist ausführlich betrachtet in: Jean-Yves Delenne, Fabien Soulié, Moulay Saïd El Youssoufi, Farhang Radjaï (2010): From liquid to solid bonding in cohesive granular media. arXiv preprint arXiv:1002.4964
  • [4] Seit spätestens etwa der Zeit um 1900 fragt man sich, ob und wie die Zugabe von Salz die Festigkeit von Böden erhöhen könnte: "The potential of sodium chloride as a stabilizing agent for highway construction has been investigated. Literature covering laboratory and field studies since the early 1900s is briefly reviewed." In: Singh, G., & Das, B. M. (1999). Soil Stabilization with Sodium Chloride. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, 1673(1), 46-54. https://doi.org/10.3141/1673-07
  • [5] Salzhaltige Böden sind ein Problem für Ingenieurprojkte: "Saline soils usually cannot satisfy the requirements of engineering projects because of their inappropriate geotechnical properties. For this reason, they have always been known as one of the problematic soils worldwide." In: Razeghi, Hamid Reza, Pooria Ghadir, and Akbar A. Javadi. 2022. "Mechanical Strength of Saline Sandy Soils Stabilized with Alkali-Activated Cements" Sustainability 14, no. 20: 13669. https://doi.org/10.3390/su142013669
  • [6] Auch das Militär hat Interesse: "Der Ursprung der "Non-Traditional Stabilizer" lag in der Militärtechnologie in den frühen 60iger Jahren um schnell befahrbare Pisten und Ladebahnen herzustellen. In Rahmen einer kontinuierlichen zivilen Weiterentwicklung werden besonders in den USA, Canada, Russland, Süd-Afrika und Asien diese Produkte seit Jahren erfolgreich weiterentwickelt und eingesetzt." Ein geeigneter Stoff sei Calciumchlorid. Aber auch Salz wird erwogen: "Natriumchlorid ist die andere Chemikalie, die für diesen Zweck mit einer stabilisierenden Wirkung ähnlich der von Kalziumchlorid verwendet werden kann." In: Alternativen in der Bodenstabilisierung, Bodenverbesserung, qualifizierte Bodenverbesserung und Bodenverfestigung. Ingenieurkammer Niedersachen. Online Information. Abgerufen am 22. November 2025. Online: https://www.bodenverfestigung.com/bodenbehandlung-mit-zement

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