Volvox
Zellkolonie
Basiswissen
Volvox bildet Kugeln von 0,15 bis 1 Millimeter Durchmesser. Diese Kugeln sind also mit dem Auge gerade noch sichtbar. Die Kugeln sind innen hohl beziehungsweise mit einer farblosen Gallerte gefüllt. Eine Algenkolonie kann bis zu zu mehreren Tausend Einzelzellen enthalten. Bei Volvox globator sind es bis zu 16.000 Zellen. Jede Zelle für sich hat zwei Geißeln, einen Augenfleck und einen Chloroplasten sowie zwei Vakuolen. Diese Zellkolonie gilt als Übergangsform zwischen Kolonien und echten Organismen.
Lebensweise
Die Kugelalge gedeiht gut in flachen, schlammigen und stark eutrophierten Seen oder austrocknenden Tümpfeln und Lachen. Sie ist etwas schwerer als Wasser, kann sich aber über Geißeln eigenständig bewegen. Über einen Augenfleck können die Kugeln die Richtung zum Licht erkennen und sich dorthin bewegen (Photosynthese). Nachts wandern die Kugeln oft in tiefere Wasserschichte, möglicherweise um dort Phosphat als Nahrungsmittel aufzunehmen.
Erdgeschichte
Von Volvox gibt es keine Fossilien. Alle Rückschlüsse auf ausgestorbene Vorfahren sind daher rein theoretisch. Man vermutet, dass die Kugelalge in der Zeit des Trias vor vielleicht 243 Millionen Jahren entstanden ist. Lies mehr unter Trias ↗
Als Modell für evolutionäre Transitionen
Die Volvox-Kugelalge ist ähnlich wie Schwämme eine Lebensform im Übergangs zwischen einer lockeren Gesellschaft individueller Einzelzellen und eines integrierten Überorganismus. So geben einzelne Zellen ihre Fähigkeit für eine Fortpflanzung zugunsten des Überorganismus auf[4][7]. Volvox dient Wissenschaftlern[1][2] oft als Beispiel und Modell für sogenannte evolutionäre Transitionen ↗
Fußnoten
- [1] Zur Volvox-Kugelalge als Modell für Evolutionary Transitionen: "The Michod Lab is studying the evolution of multicellularity and sex in the volvocine green algae as examples of evolutionary transitions in individuality. How groups of individuals become new kinds of individuals is the basic question that motivates us." Zum Beispiel: Aurora M. Nedelcu, Richard E. Michod: The evolutionary origin of an altruistic gene in Volvox carteri. Molecular Biology and Evolution. 8:1460-1464. 2006. URL: https://eeb.arizona.edu/sites/default/files/2022-11/altruistic%20gene%20reg.pdf
- [2] Als evolutionäre Transitionen bezeichnet man unter anderem die Verbindung (Integration) von mehreren ehemals eigenständigen Lebensformen zu einer neuen, verbundenen Lebensform. Siehe auch evolutionäre Transitionen ↗
- [3] Einen direkten Vergleich zwischen der Evolution der Kugelalge Volvox und steinzeitlichen menschlichen Gesellschaften im Sinne einer evolutionären Transition der Individualität (ETI) machen: Davison Dinah R. and Michod Richard E. Steps to individuality in biology and culture. Phil. Trans. R. Soc. B3782021040720210407. Veröffentlicht im Jahr 2023. DOI: http://doi.org/10.1098/rstb.2021.0407
- [4] Anhand der Volvox-Kugelalge wurde auch das Konzept eines reproduktiven Altruismus untersucht, das nämlich einzelne Zellen auf eine individuelle Fortpflanzung verzichten und damit die Chancen des Kollektivs steigern: "Reproductive altruism is an extreme form of altruism best exemplified by sterile castes in social insects and somatic cells in multicellular organisms" Und: "Although reproductive altruism is central to the evolution of multicellularity and eusociality, the mechanistic basis for the evolution of this behaviour is yet to be deciphered." In: Aurora M. Nedelcu: Environmentally induced responses co-opted for reproductive altruism. In: Biol Lett. 2009 Dec 23; 5(6): 805–808. Veröffentlicht am 3. Juli 2009. DOI: 10.1098/rsbl.2009.0334. Als Modell wurde unter anderem die Volvox-Kugelalge betrachtet. Siehe auch Eusozialität ↗
- [5] Das Wachstum einer Volvox-Kolonie ist ein koordinierter, kontrollierter Vorgang: "Patterning of a multicellular body plan involves a coordinated set of developmental processes that includes cell division, morphogenesis, and cellular differentiation." Speziell auch der Abschnitt mit dem Titel "Cytological and genetic control of embryonic patterning". In: Matt G, Umen J. Volvox: A simple algal model for embryogenesis, morphogenesis and cellular differentiation. Dev Biol. 2016 Nov 1;419(1):99-113. doi: 10.1016/j.ydbio.2016.07.014. Epub 2016 Jul 19. PMID: 27451296; PMCID: PMC5101179.
- [6] Die Bewegung einzelner Zellen wird so koordiniert, dass die Kolonie sich kontrolliert bewegen (locomotion) und Flüssigkeiten transportieren kann (fluid transport): "Groups of eukaryotic cilia and flagella are capable of coordinating their beating over large scales, routinely exhibiting collective dynamics in the form of metachronal waves." In: Brumley DR, Polin M, Pedley TJ, Goldstein RE. Metachronal waves in the flagellar beating of Volvox and their hydrodynamic origin. J R Soc Interface. 2015 Jul 6;12(108):20141358. doi: 10.1098/rsif.2014.1358. PMID: 26040592; PMCID: PMC4528573.
- [7] Zellulärer Flaschenhals und Apoptose in Volvox-Kugelalgen: "Volvox carteri is a spherical green alga with a predominantly asexual mode of reproduction and a complete germ–soma division of labor. Its somatic cells are specialized for motility, incapable of dividing, and programmed to die when only a few days old, whereas its gonidia (asexual reproductive cells) are nonmotile, specialized for growth and reproduction, and potentially immortal. When a gonidium is less than 2 days old it divides to produce a juvenile spheroid containing all of the somatic cells and gonidia that will be present in an adult of the next generation." In: David L. Kirk: Germ–Soma Differentiation in Volvox: In: Developmental Biology. Volume 238, Issue 2. 2001. Dort die Seiten 213 bis 223. ISSN 0012-1606. Online: https://doi.org/10.1006/dbio.2001.0402s