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Versuch

Definition

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Basiswissen


Von einem Versuch spricht man, wenn a) wenn ein gewünschtes Ergebnis herbeigeführt werden soll, wobei der Erfolg aber unsicher ist und b) wenn überprüft werden soll, ob eine bestimmte Situation immer auch einen bestimmten daran geknüpften Folgezustand hat. Die Übergänge zum Begriff Experiment sind dabei fließend.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Spinnen nutzen Informationen ihres Körpergewichtes oder des Windes, um ihre Netze zu bauen. Wenn aber Schwerkraft fehlt, können Sie dann noch immer ihre Netze spinnen? Ein Versuch aus dem Jahr 1973 zeigte, dass Spinne ihre Netze auch in Schwerelosigkeit anfertigen können. © Unknown ☛


Der Versuch als spezielles Experiment


Die Worte Versuch und Experiment werden oft synonym verwendet, also so, als hätten sie dieselbe Bedeutung. So spricht man in der Physik zum Beispiel sowohl von einem Doppelspaltversuch wie auch von einem Doppelspaltexperiment. Beide Worte meinen hier dasselbe. Dennoch gibt es viele Fälle, in denen der Sprachgebrauch das Wort Versuch bevorzugt oder bevorzugen sollte.

a) ein unsicherer Effekt soll herbeigeführt werden


Es soll ein Effekt herbei geführt werden, aber der Ausgang ist unsicher: Startversuch, Selbstmordversuch, Betrugsversuch. Für diese zusammengesetzen Worte (Komposita) wäre es unüblich, Versuch durch Experiment zu ersetzen. Täte man es doch, so würde Experiment im gegenwärtigen Sprachgebrauch ironisch eine Stümperhaftigkeit andeuten: mit seinen dilettantischen Betrugsexperimenten wollte er letztendlich nur Aufmerksamkeit gewinnen.

b) ein bestimmter Effekt soll überprüft werden


Wenn man mit einem normalen Spielwürfel würfelt und nur sehen will, ob man eine Sechs würfelt oder nicht, so spricht man von einem Bernoulliversuch. Es interessiert nur, ob sich ein bestimmter Effekt, ein Ziel, ein interessierendes Zustand einstellt oder nicht. Hier aber sind die Grenzen fließend. In Lehrbüchern zur Mathematik findet man sowohl den Begriff Bernoulliexperiment wie auch Bernoulliversuch.[2] Dass aber auch das Wort Experiment dieses Bedeutung von einem Alles-oder-Nicht, einem Ja-oder-Nein annehmen kann zeigt der Begriff vom Experimentum crucis ↗

c) ein wissenschaftlicher Hintergrund ist nicht nötig


Ganz allgemein - aber mit vielen Ausnahmen - gilt, dass Fremdworte (agieren) eher bildungssprachlich[3] sind und einen wissenschaftlichen Hintergrund andeuten. Deutschstämmige Worte mit gleicher Bedetuung (handeln, tun) hingegen sind eher alltagsnah. Sie deuten keinen notwendigen Bezug zu wissenschaftlich streng gedachten Definitionen oder Theorien an. So gedacht kann man durch die Verwendung des Wortes Versuch unterstreichen, dass man sich nicht in einem streng wissenschaftlichen Zusammenhang bewegen möchte.

Den Unterschied zwischen Versuch und Experiment kann man also gezielt zur Unterstreichung des gewünschten Maßes an Wissenschaftlichkeit nutzen. So kann man in Ferien zum Beispiel Schülerversuche oder auch Schülerexperimente anbieten. Bei Schülerversuchen stünden dann eher interessante Effekte oder das eigene Tun im Vordergrund. Die Zielgruppe wären vielleicht jüngere Kinder oder Kinder und Jugendliche die mehr praktisch als theoretisch interessiert sind. Das Wort Schülerexperimente kann man gezielt nutzen, um etwa strenge Methoden (genauses Messen im Labor) oder auch abstrakte mathematische Auswertungen (Graphen, Tabellen) anzudeuten.

Beispiel: eine Spinne im Weltraum


Um ihre Netze zu spinnen, müssen Spinnen wissen wo oben und unten sind: sie nutzen dazu Eindrücke ihre eigenen Schwere. Auch werten sie Informationen aus Windbewegungen ihrer Netze beim Bau aus. Das wurde im Jahr 1973 praktisch im Weltraum an Bord einer Raumstation untersucht.[1]

Von einem Versuch könnte man sprechen, wenn nur die Frage interessiert, ob der Spinne der Bau eines Netzes überhaupt gelingt oder nicht.

Von einem Experiment würde man eher sprechen, wenn mehr theoretischer Hintergrund mitgedacht wird oder etwa auch verschiedene Ausgänge wissenschaftlich untersucht werden sollen: wie stark verändert das Wegfallen der Schwerkraft die Gechwindigkeit, mit der eine Spinne ihr Netz baut? Wie wirkt sich die Schwerkraft auf die Zusammensetzung der Spinnflüssigkeit aus? Welchen Einfluss hat die Schwerkraft auf die Stabilität des Netzes? Solche Fragen führen oft zur Verwendung von aufwändigen Messgeräten und zur professionellen mathematischen Analyse und sind dann eher ein Experiment.

Versuche in einer Lernwerkstatt


In der Didaktik, das heißt der Lehre vom erfolreichen Lehren, spielen Versuche eine oft zentrale Rolle. Oft hört man den Wunsch von Schülern, Studenten, Eltern oder Autodidakten, dass die Theorie nicht "trocken" sondern eng verbunden mit anschaulicher Praxis vermittelt werden sollte. Die enge Verbindung von Praxis und Theorie ist ein Leitgedanke der Mathe-AC Lernwerkstatt in Aachen[4]. Dabei sind die Versuche jedoch weniger Selbstzweck. Vielmehr dienen sie der planvollen Vermittlung von theoretischen Prinzipien und Fertigkeiten. Siehe auch Mathe-AC Lernwerkstatt Aachen ↗

Fußnoten


  • [2] Ein Bernoulliversuch ist ein Versuch, bei dem man nur zwischen genau zwei Ausgängen unterscheidet. Siehe mehr unter Bernoulliversuch ↗
  • [3] "Wenn Behörden involviert sind, dann fällt mehr Papierkram an": das Fremdwort involviert anstelle eines eher deutschstämmigen Wortes wie eingebunden oder beteiligt wie auch die Verwendung eines Passiv- statt eines Aktivsatzes (wenn Behörden dazukommen) ist typisch für eine Bildungssprache ↗
  • [4] Die Mathe-AC Lernwerkstatt in Aachen wurde im Jahr 2010 gegründet und ist heute mit rund 50 Schülern ein fest etablierter außerschulischer Lernort in Aachen. Unterrichet werden die Fächer Mathematik, Physik und Chemie. Dabei wird immer eine enge Anbindung an die Schulmathematik erhalten. Siehe mehr unter Mathe-AC Lernwerkstatt Aachen ↗