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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Sonnenglitzern

Modelldenken

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Definition


Als Sonnenglitzern bezeichnet man eine Art tanzender Lichtreflext auf leicht gekräuselten Wasseroberflächen. Die zum Beispiel von der Sonne einfallenden Lichtstrahlen werden dann nur an bestimmten kleinen Bereichen einer Wasserwelle gerade so reflektiert, dass sie ins Auge des Beobachters fallen. Die physikalische Grundlage ist das Reflexionsgesetz.

Film


Hafenbecken


Um fas Sonnenglitzern zu beobachten sind größere Flächen von Wasser ideal. Breite Flüsse, große Seen oder auch das Meer eignen sich gut.



Verfolge in dem Film das Leben eines einzelnen Glitzers: wandern sie oder entstehen und vergehen sie an einer Stelle? Wie lange leben sie?

Das Sonnenglitzern tritt vor allem bei schwachem Wind gut beobachtbar auf. Wird der Wind stärker, Richtung 4 bis 5 Beaufort, verschwindet der Effekt. Perfekt sind fast windstille Tage mit nur sehr leicht sich kräuselndem Wasser.

Auswertungsideen


Das Video zeigt das Glitzern über eine Sekunde in Zeitlupe hinweg. Die ursprüngliche Aufnahme wurde mit einer Bildrate von 200 fps (frames per second). Das heißt, in jeder Sekunde wurden 200 Einzelaufnahmen gemacht. Mit dieser hohen zeitlichen Aufnahme, kann man das Phänomen auch physikalisch und zahlenmäßig fassen.

  • Entsteht und vergeht ein Glitzer an einem Ort?
  • Wie lange lebt ein einzelner Glitzer? Minimum, Maximum, Durchschnitt?
  • Wie viele Glitzer gibt es pro Quadratmeter (abschätzen) und Sekunde?
  • Gibt es einzelne Glitzer, die über die Oberfläche wandern? Falls ja, wie schnell?
  • Hängen solche Merkmale des Glitzerns von der Gestalt der Wellen ab? Falls ja, wie?

Deutung


Man kann sich das Prinzip des Sonnenglitzern mit verschiedenem modellhaften Vorstellungen des Lichts veruschen verständlich zu machen. In jedem Modell kann man wieder weitere Fragen stellen, die vielleicht innerhalb des Modells nicht sinnvoll verfolgt werden können.

Strahlenoptik


Licht besteht nicht aus geraden Strahlen. Es gibt keine langen dünnen Linien von Licht in Form von Spaghetti-Nudeln. Aber mit genau dieser Vorstellung, der Strahlenoptik, kann man sich recht leicht erklären, wie das Sonnenglitzern zustande kommt. Der theoretische Hintergrund ist das Reflexionsgesetz aus der Optik: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel.

Strichmodell

Eine einfache Skizze hilft beim Verständnis: zeichne real oder gedanklich auf einem Blatt Papier einen waagrechten Strich von links nach rechts. Der Strich soll genau 10 Zentimeter lang sein. Dieser Strich stehe für ein Wasseroberfläche ganz ohne Wellen. Dann gehe mit den Zeigefinger an das linke Ende des Striches und von dort aus 8 Zentimeter auf dem Blatt Papier senkrecht nach oben. Dort zeichne einen gelben Punkt auf das Papier. Das soll die Sonne sein. Dann gehe mit dem Zeigefinger ans rechte Ende des waagrechten Wasser-Strichs. Von dort aus gehe 4 Zentimeter senkrecht nach oben auf dem Blatt Papier. Dort zeichne einen schwarzen Punkt ein. Das ist das Auge eines Beobachters. Wir nennen den Punkt hier einfach Augenpunkt.

Wasserlinie

In unserer Strichwelt ist die Oberfläche des Wassers als gerade Linie gezeichnet. Stellt man sich Wasser wiederum aus kleinen Wasserteilchen, etwa den Molekülen aus H20 vor, dann fällt es allerdings schwer sich vorzustellen, wie diese Wassermoleküle eine perfekt glatte Oberfläche bilden sollen. Vor allem wenn man noch bedenkt, dass die Wasserteilchen im echten Wasser ständig in Bewegung sind. Man kann die Bewegung zum Beispiel sichtbar machen über die Brownsche Bewegung.[2] Damit wird es aber auch schwierig, sich die Oberfläche als glatt vorzustellen. Wenn die Teilchen des Wassers in ständiger Bewegung sind, dann müsste es an der Oberfläche auch immer wieder ein Auf und ein Ab geben. Es müssten sich kleine Löcher und kleine Hügel in der Wasserlinie ausbilden. In der modellhaften Vorstellung aber vereinfachen wir die Oberfläche des Wassers zu einem geraden Strich aus unbeweglichen Punkten.

Sonnenpunkt

In diesem Modell denkt man sich die Sonne als einen mathematischen Punkt. Tatsächlich aber hat die Sonne ja eine Ausdehnung. Die wirkliche Sonne ist eine Kugel und sie hat einen Durchmesser. In der Strichskizze könnten wir das dadurch berücksichtigen, dass wir die Sonne nicht als Punkt sondern als Kreis zeichnen. Nun könnte man von jedem beliebigen Punkt der Kreislinie, der modellhaften Vereinfachung der Sonnenoberfläche, Linien in zig verschiedene Richtungen von der Sonne weg zeichnen. Das würde aber die Betrachtung hier deutlich umständlicher machen. Für eine prinzipielle Erklärung des Sonnenglitzerns soll die Sonne vereinfachend als Punkt angenommen werden.

Glitzerpunkt

Nun gehe mit dem linken Zeigefinger wieder an den linken Rand der waagrechten Wasser-Linie. Gehe dann von dort aus 2 Zentimeter nach rechts und markiere diese Stelle mit einem Punkt. Wir nennen diesen Punkt Glitzerpunkt. Für diese Stelle am Glitzerpunkt wollen wir nun betrachten, ob das Auge rechts oben in der Skizze dort ein Glitzern sehen würde. Man würde nun dann dort ein Glitzern sehen, wenn von dort aus auch ein Lichtstrahl genau ins Auge des Beobachters führt. Und dazu wieder muss zunächst ein Lichtstrahl von der Sonne dort auf die Wasseroberfläche auftreffen.

Reflexionsgesetz

Nun zeichne einen geraden gelben Strich von der Sonne zum Glitzerpunkt. Wir nennen diesen Strich hier die Sonnenlinie. Die Sonnenlinie und die Wasserinie bilden dann links einen spitzen Winkel. Miss diesen Winkel mit einem Geodreieck nach. Es sollten etwa 76° sein. Nun sagt das Reflexionsgesetz aus der Optik, dass der Winkel eines auftreffenden Lichtstrahl genauso groß ist wie der Winkel mit dem der Strahl reflektiert wird. Zeichne jetzt also vom Glitzerpunkt aus einen gelben Lichtstrahl der nach rechts oben weg geht. Der Strahl muss dabei wieder einen Winkel von 76° mit der Wasserlinie bilden. Der einfallende und der ausfallende Lichtstrahl bilden jetzt sozusagen als Buchstaben ein großes V.

Dunkelwasser

Jetzt können wir sehen, ob der ausfallende Strahl das Auge des Beobachters rechts erreicht, also zum Augenpunkt geht. Wenn alles richtig gezeichnet ist, dann sollte das nicht der Fall sein. Der Strahl sollte weit oberhalb des Augenpunktes verlaufen. Kein Licht von der Sonne in unserer Strichwelt würde das Auge des Beobachters erreichen. Das Wasser würde dort also dunkel erscheinen.

Glitzerwelle

Nun aber kommen Wellen ins Spiel. Wellen würden in unserer Strichwelt heißen, dass die Oberfläche des Wassers nicht mehr glatt sein muss. Die Wasser-Linie kann jetzt an verschiedenen Stellen geneigt sein. Gehe zum Glitzerpunkt und lege dort eine Seite des Geodreiecks so an, dass die Seite genau durch den Glitzerpunkt geht. Stelle dir vor, dass Geo-Dreieck sein ein Spiegel. Könntest du den Spiegel so halten, dass der Sonnenstrahl des Glitzerpunktes genau ins Auge des Beobachters, also zum Augenpunkt hin gespiegelt wird? Tatsächlich gibt es solch eine Möglichkeit. Du könntest also an Glitzerpunkt die Oberfläche des Wassers so als Welle zeichnen, dass sie wie ein Spiegel den Sonnenstrahl genau in den Augenpunkt umlenkt. Und genau das ist, was die Wellen machen: sie bilden mit ihren Flanken eine Art Spiegel, der die Sonnenstrahl so umlenkt, dass sie genau zum Augenpunkt laufen. Und weil die Wellen ständig auf und ab gehen, passt der Winkel manchmal für einen kurzen Moment und dann wieder nicht. Dieser Effekt erscheint uns am Ende als das Tanzen der Lichtglitzer auf der Wasseroberfläche.

Mathematik

Mathematisch ist es nicht ganz einfach, den Winkel der Welle zu berechnen, mit dem ihre Flanke zum Wasser geneigt sein muss. Hilfreich ist die Geometrie mit Sinus, Cosinus und Tangens. Es soll an dieser Stelle nicht vorgerechnt werden, wie man die passende Neigung der Welle berechnet. Wer Freude daran hat, kann sich daran selbst versuchen. Um das Ergebnis zu überprüfen, kann man die Situation leicht mit einem Lichtstrahl, etwa aus einem Laspointer und einem kleinen Spiel als Wasseroberfläche nachstellen.

Strahlenoptik

Die Strahlenoptik kann sehr viele Phänomene der Optik auf sehr einfache und anschauliche Weise erklären. Man muss dabei aber stets bedenken, dass es keine echten Strahlen aus Licht gibt und dass viele Phänomene wie die Beugung von Licht, das um-die-Ecke-Wandern von Licht mit der Strahlenoptik überhaupt nicht zu erklären sind. Siehe mehr zu diesem Denkmodell im Artikel zur Strahlenoptik ↗

Lichtteilchen


Ganz ähnlich verläuft die Deutung, wenn man sich Licht nicht als einen starren Strahl vorstellt sondern als Strom von kleinen Teilchen, etwa Kügelchen. Die Lichtquelle, hier die Sonne, würde in diesem Modell in der einfachsten Version Lichtteilchen von sich aussenden, die sich anschließend in einer geraden Linie durch den Raum bewegen. Die Flugbahn dieser so gedachten Teilchen gibt dann den Strahl aus der Strahlenoptik. Diesem Modell kommt das Verhalten von Billardkugeln in der Wirklichkeit recht nahe. Das Reflexionsgesetzt mit der Merkformel "Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel" gilt recht gut auch für das Verhalten einer Billardkugel, die "über Bande" gespielt wird, also am Rand des Spielfeld abprallt. Aber genau so wenig wie Licht aus Strahlen besteht, besteht aus Teilchen wie kleinen Billardkugeln. Auch die Teilchentheorie des Lichts, vertreten etwas von Isaac Newton, kann nicht alle Phänomene rund um Licht vollständig erklären. Siehe mehr unter Licht als Teilchen ↗

Quantenelektrodynamik


Falsch gute Modelle

Wir haben gesehen, dass es sowohl in der Strichwelt mit Lichtstrahlen und in der Strichwelt mit Lichtteilchen ein Sonnenglitzern geben würde. Heißt dass, dass diese Modelle dann auch die Wirklichkeit abbilden? Nein! Anders als bei einem Modell von einem Bahnhof in einer Modelleisenbahn, müssen die Modelle der Physik überhaupt nicht aussehen wie die Wirklichkeit. Für die Physiker genügt es, wenn man mit dem Modell einige zutreffende Vorhersagen über die Wirklichkeit machen kann. Das Strahlen oder Teilchenmodell des Lichts können so gesehen zwar falsch aber dennoch gut und nützlich sein. Es gibt so etwas paradoxes wie falsch-gute Modelle. Das Paradebeispiel ist das mittelalterliche Modell von einem Weltall mit der Erde im Mittelpunkt. Das Modell war krass falsch. Aber dennoch konnten die mittelalterlichen Astronomen damit Sonnenfinsternisse und die Stellung der Planeten am Nachthimmel für Jahrzehnte vorausberechnen.[2]

Genauerere aber schwierige Modelle

Wenn das Strahlen- und das Teilchenmodell von Licht an sich gut aber dennoch falsch sind und wenn die beiden Modell auch nur begrenzt gültig sind, gibt es dann ein Modell das komplett richtig ist?

Nein. Wir wissen zur Zeit nicht, was Licht "wirklich ist". Es gibt aber eine Theorie, mit der man alle Phänomene um das Licht richtig und korrekt vorhersagen kann. Das behauptet zumindest einer ihrer Mitbgründer, der Physiker Richard Feynman. Das ist die sogenannte Quantenelektrodynamik. Aber schon für sehr einfache Fälle wird die Mathematik so aufwändig, dass man viele Jahre intenstiven Studiums benötigt um sie zu beherrschen. Und auch dann kann man nur Systeme aus sehr wenigen Teilchen berechnen. Für Systeme wie echte Wasser mit Sonnenlicht aber hat man es mit Milliarden und Abermilliarden von Teilchen zu tun. Zwar geht man davon aus, dass dieselben Formeln, die für Systeme aus zwei oder Teilchen gelten, auch für Systeme aus Milliarden von Teilchen gelten. Aber sicher ist das nicht. Siehe dazu auch Quantenelektrodynamik ↗

Quaestiones


  • 1) Man sieht beim Sonnenglitzern nur jene Teile der Wasseroberfläche hell, für die die gedachten Sonnenstrahlen unter demselben Winkel auftreffen unter dem auch der Beobachter auf diese Stelle der Wasseroberfläche blickt. Für diesen Fall gilt Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel und das Licht von der Sonne kommt im Auge des Beobachters an. Für alle andere Teile der Wasseroberfläche trifft diese Bedingung aber nicht zu. Wie kann es dann sein, dass man diese Teile der Oberfläche dennoch sieht? Wo kommt das Licht her, dass die Augen von einem Teil der Wasseroberfläche erreicht, für die die Strahlen von der Sonne nicht unter demselben Winkel auftreffen, unter dem sie reflektiert auch das Auge des Beobachters erreichen können?

Fußnoten


  • [1] Der Film entstand am 8. August 2025 gegen Mittag. Man blickt in etwa in Richtung Südosten. Ich stand mit der Kamera auf dem Sonnendeck des Seebäderschiffes Wangerooge, einige Meter hoch über der Oberfläche des Wassers. Als Kamera verwendet wurde eine DJ Osmo Actio 4.
  • [2] Bei der Brownschen Bewegung wird ein kleine im Mikroskop noch gut sichtbares Teilchen wie der Pollen einer Pflanze, ständig von einigen Wassermolekülen geschubst. Dieses Schubsen passt gut zu der Idee, dass sich die Teilchen des Wassers ständig in zufälliger Richtung bewegen. Siehe mehr unter Brownsche Bewegung ↗
  • [3] Das sogenannte geozentrische Weltbild, die Vorstellung einer Welt mit der Erde in der Mitte, wurde von intelligenten Köpfen über Jahrtausende so weit verfeinert, dass sehr gute Vorhersagen für die Zukunft macht. Dennoch war es fundamental falsch. Siehe mehr unter geozentrisches Weltbild ↗