Rasse
Soziobiologie
Basiswissen
In der Fachsprache der Biologie gilt der Begriff der Rasse im Bezug auf Menschen heute als veraltet[6]. Es lassen sich keine genetischen Grundlagen für eine Klassifikation unterhalb der Art Mensch finden[6]. Gleichwohl geht das deutsche Grundgesetz noch im Jahr 2022 von Rassen aus. Eine Einteilung von Menschen in niedere und höhere Rassen[4], diente insbesondere im 20ten Jahrhundert als pseudowissenschaftliche Begründung eines radikalen Rassismus. In der Soziologie betrachtet man Rassen heute als sogenannte soziale Konstrukte[7], ohne greifbare biologische Entsprechung. Zieht man von der Idee einer Rasse die biologisch-genetischen Merkmale ab[10], so kommt man zum soziologischen und ethnographischen Begriff einer Ethnie ↗
Fußnoten
- [1] 1904: Rasse als instabile soziale Konstrukte: "Rasse ist ein Begriff, der in der Classification von Organismen, insbesondere auch der Menschen sich ergibt. Eine menschliche Rasse ist ein körperlich und geistig (»Rassenseele«) typischer Zweig der Species Mensch. Die Rassenhaftigkeit, in einer Summe von Dispositionen (s. d.), in einem bestimmten psychisch-physischen Habitus bestehend, ist das Resultat des Zusammenwirkens des Milieu (s. d.) und innerer (biotischer, psychologischer, genetisch-historischer) Factoren (Anpassung, Selection u. a.). Die Rasse ist anpassungs- und entwicklungsfähig, aber nicht jede in gleichem Maße, Tempo und in gleicher Stabilisierung der erworbenen Eigenschaften. Der Rassenbegriff hat Bedeutung in der Biologie, Anthropologie, Ethnologie, Sociologie, Culturgeschichte u.s.w. Auf den Rassenbegriff allein gründet die Geschichtsphilosophie GOBINEAU (Degeneration der Völker durch Rassenmischung, Stabililtät der isolierten Rasse u. a.) (Versuch üb. d. Ungleichh. d. Menschenrassen 1898), ähnlich H. ST. CHAMBERLAIN (Grundlag. d. neunzehnt. Jahrh. I). Dagegen u. a. P. BARTH (Philos. d. Gesch. I, 250 f.), DRIESMANS (Rasse u. Milieu S. 96 ff.). GUMPLOWICZ legt der Sociologie (s. d.) den Begriff des »Rassenkampfes« zugrunde (Der Rassenkampf 1883). Den Anteil des physischen und geistigen Milieu an der Bildung und Entwicklung der Rasse betont C. JENTSCH (Socialauslese S. 158 ff.). So auch DRIESMANS, welcher definiert: »Unter der Rassenhaftigkeit eines Volkes ist... seine typisch in sich gefestigte Natur zu verstehen. Rasse ist nicht etwas Stabiles: es gibt keine Rasse an sich, sondern nur eine rassebildende Kraft, welche tätig war, solange es Menschenwesen und Völker gab, aus der alle sogenannten – metamorphen – Rassen hervorgegangen sind, und welche immerwährend neue Rassen auf dem Wege glücklich überstandener Blutinfection in die Erscheinung ruft« (Rasse u. Milieu S. 5). Die Rasse ist vom Milieu abhängig, gezüchtet, schafft sich aber auch selbst ihr (günstiges) Milieu (l. c. S. 36 ff.). Vgl. L. VAN DER KINDERE, De la race 186s." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 182-183. Online: http://www.zeno.org/nid/20001801503
- [2] 1905, Rassen bei Tieren: " Rasse (franz. race), Gesamtheit aller Individuen einer Tierart, bei denen sich gewisse weniger bedeutsame Merkmale, die zur Ausstellung einer besondern Art nicht berechtigen, konstant erhalten, d. h. auch bei der Fortpflanzung auf die folgenden Generationen übergehen; s. Viehzucht. Rassehund, Rassepferd etc. ist ein Hund, Pferd etc. von reiner R., bei dem die Eigenschaften der R. hervorragend ausgebildet sind. Über Menschenrassen s. d." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 611. Online: http://www.zeno.org/nid/20007320310
- [3] 1905, Menschenrassen als biologische Gewissheit: "Menschenrassen (hierzu die »Ethnographische Karte«, mit Textblatt: »Übersicht der Menschenrassen und Völkerschaften«), die verschiedenen, durch besondere typische Eigenschaften (Rassenmerkmale) gekennzeichneten Gruppen, in die das Menschengeschlecht zerfällt. Ob man die so gebildeten Gruppen im zoologischen Sinn als ebenso viele verschiedene Arten (Spezies) oder als Rassen, d. h. als konstant gewordene (erbliche) Varietäten einer einzigen Art, anzusehen hat, wird so lange eine offene Frage bleiben, bis über die Begriffe Art, Varietät und Rasse Übereinstimmung unter den Naturforschern herrschen wird." Es folgen dann ausführliche Beschreibungen körperlicher Kriterien für eine Unterscheidung von Rassen (Haarform, Haarfarbe, Knochenbau etc.). Zu den geistigen Unterschieden heißt es: "Von den innern Organen scheint das Gehirn (Gewicht, Windungen) Rassenunterschiede darzubieten. Die diesbezüglichen Untersuchungen sind noch in den Anfängen begriffen. Auch gewisse physiologische Rassencharaktere sind von Bedeutung, wie das zeitliche Auftreten der Pubertät, die Dauer des Säugens der Kinder, die mittlere Lebensdauer. Endlich muß auch die Anlage und Neigung zu bestimmten Erkrankungen und die Immunität gegen andre zu den Rassenmerkmalen gerechnet werden. So neigen die nordischen Völker in viel höherm Grade zu Malaria und Gelbfieber als die südeuropäischen, die erstern auch mehr zur Schwermut und zum Selbstmord, die letztern hingegen mehr zur Manie und Tobsucht. Die Neger verhalten sich ziemlich immun gegen Malaria und Gelbsucht, werden indessen ganz besonders stark von der Schwindsucht heimgesucht. Unter den semitischen Völkern ist die Neigung zu Nerven- und Geisteskrankheiten besonders groß, im besondern auch zu Zuckerkrankheit, hingegen verhalten sie sich refraktär gegenüber Epilepsie, Gehirnerweichung und Abdominaltyphus." Und so weiter. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 611-614. Online: http://www.zeno.org/nid/20007075758
- [4] 1911, niedere und höhere Rassen: "Der niedrigste Typus (Klaatsch, Huxley, Peschel, Stratz) wird durch die austral. Urrasse dargestellt, der die papuanische Urrasse sehr nahe steht; metamorphe Formen dieser Rasse bilden die Melanesier. Den nächst höhern Typus bilden die Koi-koin oder Buschmann-Urrasse (Fritsch, Peschel), denen die Akka, ein zentralafrik. schwarzes Zwergvolk, sehr nahe verwandt scheinen. Übergangsformen dieser Urrasse zu der eigentlichen schwarzen Hauptrasse (Mischrassen) zeigen die Niamniam und Herero. Reine Vertreter der schwarzen Hauptrasse sind die Bantu in Südafrika und Madagaskar; metamorphe Formen mit Annäherung an den Typus der weißen Hauptrasse zeigen die Togoneger und die Sudanneger." Und so weiter. In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 165-167. Online: http://www.zeno.org/nid/20001348833
- [5] 2004, Rasse bei Tieren und Pflanzen "Zuchtrassen, Zuchtformen, Kulturrassen, vom Menschen durch künstliche Selektion […] gezüchtete Haustierrassen […]; bei Pflanzen wird meist von Sorten gesprochen". Der Artikel "Rasse", in: Spektrum Lexikon der Biologie in 15 Bänden. Spektrum Akademischer Verlag. 1999 bis 2004.
- [6] 2004, Rasse als veralteter Begriff, es gibt keine biologische Grundlage für die weitere Einteilung der Art Mensch Rassen: "Verschiedene populations- und molekulargenetische Untersuchungen zeigen jedoch, daß die Einteilung in „Rassen“ beim Menschen keine genetische Grundlage hat." Der entsprechende Artikel ist übertitelt mit dem Hinweis "Dieser Artikel ist veraltet. Der Begriff »Rasse« wird in der Fachterminologie nicht mehr verwendet." In: Spektrum Lexikon der Biologie in 15 Bänden. Spektrum Akademischer Verlag. 1999 bis 2004.
- [7] Rassen und Ethnien sind soziale Konstrukte, keine biologischen Größen: "For most social scientists, “race” is distinct from “ethnicity.” A major distinction is the assumption of a biological basis in the case of race. Races are distinguished by perceived common physical characteristics, which are thought to be fixed, whereas ethnicities are defined by perceived common ancestry, history, and cultural practices, which are seen as more fluid and self-asserted rather than assigned by others." In: Clair, Matthew, and Jeffrey S. Denis. 2015. “Sociology of Racism” edited by James D. Wright. The International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences 19:857-863.
- [8] Im Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Deutsches Grundgesetz in der Fassung vom 19.12.2022.
- [9] "'Race' is a term for the classification of human beings into physically, biologically and genetically distinct groups." Sowie: "The term implies that the mental and moral behaviour of human beings, as well as individual personality, ideas and capacities, can be related to racial origin, and that knowledge of that origin provides a satisfactory account of the behaviour." In: Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin: Postcolonial Studies. The Key Concepts. Third Edition. Routledge Key Guides. 2013. ISBN: 978-0-415-66190-4. Dort die Seite 218.
- [10] "Ethnicity is a term that has been used increasingly since the 1960s to account for human variation in terms of culture, tradition, language, social patterns and ancestry rather than the discredited generalizations of race with its assumption of a humanity divided into fixed, genetically determined biological types." In: Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin: Postcolonial Studies. The Key Concepts. Third Edition. Routledge Key Guides. 2013. ISBN: 978-0-415-66190-4. Dort die Seite 98. Siehe auch Ethnie ↗
- [11] Den Einfluss der Umwelt auf die Ausbildung von menschlichen Rassen (weiße kaukasische Rasse, gelbe mongolische Rasse, schwarze äthiopische Rasse) wird diskutiert in: Edmond Villey: DE L'INFLUENCE DU MILIEU SUR LE DÉVELOPPEMENT DE L'HOMME. Revue d'économie politique. Vol. 13, No. 1 (1899), pp. 18-29 (12 pages). Herausgegeben von: Editions Dalloz. Der Begriff der Rasse gilt heute als problematisch. Siehe auch Milieutheorie ↗