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Bagges Weltalter


Historisch


Grundidee


Im Jahr 1953 argumentierte der Physiker Erich Bagge auf zwei sehr unterschiedliche Weisen, dass sich der hypothetische Urknall vor knapp 4 Milliarden Jahren ereignet hat[3], eine damals übliche Schätzung[11]. Heute geht man von rund 13,8 Milliarden aus. Obwohl Bagge zu einem falschen Ergebnis kam, ist sein allgemeinverständlicher Aufsatz ein Beispiel für gute Wissenschaftlichkeit. Die zwei Argumente werden hier zum Teil auch rechnerisch nachvollzogen.

Bagges Bombensplitter-Modell


Bagge beschreibt zunächt das Bild des Kosmos, wie es sich zu seiner Zeit zeigte. Er schreibt: "Vor dem geistigen Auge des Beschauers entsteht so ein fasznierendes Bild des Kosmos: In einem zentralen Punkte befindet sich ein ruhendes Sternensystem - unsere Milchstraße - , darum herum sind nach allen Richtungen des Raumes einigermaßen gleichmäßig ähnliche Weltengebilde verteilt, die mit großer Geschwindigkeit von diesem Zentrum fortstreben." Nach Bagge wäre das auch das Bild, das ein Beobachter hätte, der sich "unmittelbar nach der Detonation einer großen Sprengbombe an den Explosionsherd begäbe und die Bombensplitter verfolgte." Dabei würde der Beobachter auch feststellen, dass sich die weiter entfernten Splitter schneller von ihm fortbewegen als die näheren Splitter, denn: "Bruchstücke, die im Moment der Explosion zufällig eine große Geschwindigkeit erhielten, hätten sich weiter von ihm entfernt als andere, die von Anfang an langsamer waren." Ausgehend von diesem gut nachvollziebaren Bild, so Bagge, kann man jetzt rechnen: "Ebenso nämlich wie der irdische Beobachter aus den augenblicklichen Geschwindigkeiten der Bombensplitter und ihrer zugehörigen Entfernungen rückwärts zu berechnen vermag, vor wieviel Sekunden die Zündung des Pulvers erfolgte, kann der Astronom als „Alter der Welt“ einen Zeitraum von rund vier Milliarden Jahren angeben, den er aus der Fluchtbewegung der Spiralnebel schließt.[3, Seite 287 und 288]. Wie kann man Bagges viel zu geringes Alter der Welt von nur 4 Milliarden Jahren gegenüber den später gültigen 13,8 Milliarden Jahren erklären? Was Bagge in seinem hier zitierten Bombensplitter-Modell nicht erwähnte, war eine Expansion des Raumes. Die Fluchtbewegung der Galaxien ist nach heutiger Sicht nicht bloß eine Ausdehnung von Materie im Raum, sondern eine Ausdehnung des Raumes selbst, und das mit sogar noch unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das erklärt möglicherweise Bagges niedrigen Wert für das Weltalter. Siehe dazu auch Expansion des Universums ↗

Bagges radiometrisches Uran-Argument


Mit einer zweiten, ganz von der Fluchtbewegung der Galaxien unabhängigen Methode, kommt Bagge wiederum zu einem Alter des Universums von rund 4 Miliarden Jahren. Er geht dabei wiederum vom hypothetischen Urknall aus und hält fest, dass in den ersten zehn Minuten des Universums die Temperaturen "Milliarden von Grad" betrugen und " alle individuellen Züge der verschiedenen Atomsorten völlig beseitigt waren."[3, Seite 288] Erst zehn Minuten nach dem Urknall, so Bagge, wurde es für die Entstehung der Atome interessant: "nämlich der Temperaturbereich von zehn bis zu einer Milliarde Grad, ist dabei physikalisch der interessanteste: bei dieser Temperatur haben sich die Prozesse vollzogen, welche die Weltmaterie in ihrer heutigen Zusammensetzung entstehen ließen." Und Bagge ging um 1953 tatsächlich davon aus, dass sich die Zusammensetzung der Atome seitem kaum mehr geändert hat: "Nach etwa 30 bis 60 Minuten war die Urwelt zu einem riesigen „Wasserstoffball“ aus Protonen und Elektronen geworden, in welchem in verhältnismäßig geringere Menge „Kern-Nebeltröpfchen“, das heißt schwerere Atomkerne, herumschwammen. Damit war im Hinblick auf die Materiezusammensetzung schon beinahe der Endzustand erreicht, wie wir ihn heute vor uns haben. Was noch kam, waren kleinere radioaktive Veränderungen der Atome, die aber das Gesamtbild der Materie nur unwesentlich veränderten."[3, Seite 289]. Von dieser fehlerhaften Annahme[4] argumentiert Bagge - ab dort aber wieder folgerichtig - mit der Halbwertszeit von Isotopen verschiedener Atomsorten. Hier nimmt er, ohne weitere Begründung an, dass zum Beispiel Uran-238 mit einer Halbwertszeit von etwa 5 Milliarden Jahren und von Uran 235 mit eine Halbwertszeit von etwa 0,7 Milliarden Jahren kurz nach dem Urknall in gleicher Anzahl entstanden sind[5]. Da das Uran-238 heute rund 139 mal so oft vorkommt wie das Uran-235, kann man nun also sozusagen in die Zeit zruückrechnen und fragen: wann gab es genauso viel Uran-238 wie Uran-238? Bagge kommt auf einen Zeitpunkt von vor etwa 5 bis 4 Milliarden Jahren.

Bagges Rechnung zu seinem Uran-Argument


Bagge geht davon aus, dass Uran-238 heute rund 139 mal so häufig ist wie Uran-135. Für Uran-238 nimmt er eine Halbwertszeit von rund 5 Milliarden an, für Uran-235 eine Halbwertszeit von etwa 0,7 Milliarden Jahren. Mit diesen Annahmen hat Bagge sozusagen in die Vergangenheit zurück gerechnet[5]. Versuchen wir Bagges Rechnung schrittweise nachzuvollziehen.









Diese eigene Rechnung zeigt, ganz in Übereinstimmung mit dem Argument von Bagge[5], dass irgendwann vor einer Zeit zwischen etwa 4 bis 5 Milliarden Jahren das theoretisch berechnete Verhältnis der beiden Isotope des Elementes Uran bei Eins gelegen haben muss. Für ein tieferes Verständnis der Mathematik hinter dieser Rechnung hilft die sogenannte erweiterte Exponentialfunktion ↗

Wo ist Bagges Fehler aus Sicht der Logik?


Aus rein logischer Sicht hat Bagge korrekt argumentiert. In der Logik gilt ein Schluss als formal korrekt, wenn er nach erlaubten Schlussregeln vollzogen wurde. Dabei darf das Ergebnis durchaus falsch sein. Man sagt dann, es sei inhaltlich falsch. Die Trennung zwischen formaler und inhaltlicher Korrektheit ist ein wesentlicher Zug der Logik. Wenn man zum Beispiel annimmt, dass alles was fliegen kann ein Vogel ist, dann ist ein Flugzeug ein Vogel. Dieser Schluss ist formal gesehen korrekt[8], aber inhaltlich natürlich falsch[8]. Bagges Argument war also logisch korrekt aber dennoch inhaltlich falsch. Der Grund für den inhaltlichen Fehler ist eine falsche Annahme Bagges, die nämlich, dass seit der Frühzeit des Universums keine neuen Atome der Isotophe 238 und 235 mehr entstanden sind. Tatsächlich weiß man heute, dass auch schwerste Elemente wir Uran in (seltenen) kosmischen Ereignissen wie einer Kollision von Neutronensternen entstehen können[4]. Ob das alleine Bagges falsches Ergebnis erklärt, oder ob es noch weitere unbewusst gemachte fehlerhafte Annahmen gibt, muss hier offen gelassen werden[9]. Siehe auch Logik ↗

Falsches Ergebnis, gute Wissenschaft!


Bagges Aufsatz in dem Buch aus dem Jahr 1953 lieferte zwar ein falsches Ergebnis für das Alter der Erde. Dennoch ist der Aufsatz aus zwei Gründen ein Beispiel für gute Wissenschaftlichkeit. Zum einen beschrieb Bagge sehr ausführlich die Annahmen, die er machte. So kann jeder Leser für sich die Annahmen prüfen. Zum anderen gab Bagge in dem Aufsatz Rechenbeispiele[5] die man mit der Mathematik der Realschule[6] nachollziehen kann. Siehe auch wissenschaftlich ↗

Fußnoten