Seeigel
Physik
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Definition
Als Seeigel oder Echinoidea bezeichnet man eine Klasse von sogenannten Stachelhäutern. Die meisten aber nicht alle Seeigel sind gut erkennbar radialsymmetrisch. Zwischen den oft schmerzhaft stechenden Stacheln sitzen die über Wasserdruck beweglichen Füßchen, die zudem auch noch reizbar sind, also fühlen können. Man findet verschiedene Arten von Seeigeln auch an der Küste der Nordsee.
Stacheln
Alle vier heute noch vorkommenden Klassen der Stachelhäuter, die Seeigel, die Seesterne, die Seegurken und die Schlangenseesterne haben dicht unter der Haut Skelette aus Calciumcarbonat. Aber nur "bei den Seeigeln sind die Platten zu einem festen Gehäuse verwachsen und zusätzlich mit langen, auf Kugeln gelagerten Stacheln ausgestattet."[1]
Hydraulik
Alle Stachelhäuter, und damit auch die Seesterne, verfügen zur Fortbewegung über ein hydraulisch[2] fuktionierendes "Wassergefäßsystem"[1, Seite 120], auch Ambulakralsystem genannt: Die Tiere drücken über ein "Schlauch- und Blasensystem das Wasser je nach Bedarf in die ein oder andere Ecke".[1] Die Seeigel haben "Füßchen" und jedes dieser Füßchen hat "sein eigenes Loch in der Panzerplatte". Seeigeln greifen mit diesen Füßchen und den Saugnäpfen an deren Ende auch nach "Fremdkörpern aus der Umgebung, um sich damit zu tarnen." Die Füßchen sind auch reizbar, das heißt sie tragen Sinneszellen, mit denen die Tiere etwas fühlen können.[4]
Symmetrie
Wie alle Stachelhäuter haben auch die Seeigel eine sogenannte "fünfstrahlige Symmetrie".[1, Seite 120] Dabei sind die Embryos noch zweiseitig symmetrisch, also achsensymmetrisch, erst später entwickelt sich im Heranwachsen des einzelnen Tieres, der sogenannten Ontogenese, die fünfstrahlige Symmetrie.[7]
Nur noch im Ansatz zu erkennen ist die fünfstrahlige Symmetrie bei den zwei Arten der Sanddollars und der Herzigel. Man bezeichnet sie daher auch als irreguläre Formen. Es gibt deutlich erkennbar ein Hinten und ein Vorne. Die Tiere bewegen sich in der Tendenz auch eher vorwärts. Die Stacheln sind deutlich kürzer als bei anderen Arten, aber von der Anzahl her nicht geringer. Sie erinnern eher an einen Pelz. Diese Abweichungen von der üblichen Bauart der Seeigel sei als Anpassung an eine grabende Lebensweise entstanden. Siehe als Beispiel dazu den Artikel Kleiner Herzigel ↗
Erdgeschichte
Seeigel sind eine der vier heute noch lebenden Klassen des Stammes der Stachelhäuter. Die ältesten Fossilien von Seeigeln stammen aus der erdgeschichtlichen Zeit des Ordovizium. Das Ordovizium begann vor etwa 485 Millionen Jahren, dauerte dann rund 42 Millionen Jahre und endete vor etwa 443 Millionen Jahren. Erst "kurz" vor dem Ordovizium waren in der erdgeschichtlichen Zeit des Kambriums Tiere entstanden, die Skelette bildeten, sich aktiv fortbewegten und aus vielen Zellen bestanden. Im Ordovizium begannen die ersten tiere, Insekten und auch erste Pflanzen an Land zu gehen. Es sollten aber noch einige Zehnermillionen Jahre vergehen, bevor die ersten Wirbeltiere das Land eroberten. Und vom Ordovizium aus gesehen lagen die Dinosaurier sehr weiter entfernt in der Zukunft also sie von uns aus gesehen in der Vergangenheit liegen. Eine Erinnerung an diese Zeit sind die Seeigel. Siehe mehr unter Ordovizium ↗
Fußnoten
- [1] Eine ausführliche Beschreibung der Stachelhäuter (Seite 120 und 121) sowie der verschiedenen Arten von Seeigeln an der deutschen Nordseeküste (Seite 244 ff.) findet man in: Klaus Jahnke; Bruno P. Kremer: Düne Strand und Watt. Franckh-Kosmos Verlags-GmhH & Co. KG Stuttgart 2018. ISBN: 978-3-440-15406-9.
- [2] Von Hydraulik spricht man, wenn man Flüssigkeiten zur Weiterleitung von Kraft und Arbeit verwendet. Bei Gasen spräche man von Pneumatik. Das Gefäßsystem der Stachelhäuter arbeitet mit Wasser, ist also hydraulisch. Siehe mehr unter Hydraulik ↗
- [3] Seeigel gibt es spätestens seit dem Ordovizium, der erdgeschichtlichen Zeit nach der kambrischen Artenexplosion und vor der ersten Besiedlung des Festlandes durch Wirbeltiere. Im Ordovizium gingen die ersten Pflanzen an Land. Dass Fossilien von Seeigeln bis in diese Zeit zurück reichen wird unter anderem beschrieben in: Thompson, Jeffrey R.; Cotton, Laura J.; Candela, Yves; Kutscher, Manfred; Reich, Mike; Bottjer, David J. (14 April 2022). "The Ordovician diversification of sea urchins: systematics of the Bothriocidaroida (Echinodermata: Echinoidea)". Journal of Systematic Palaeontology. 19 (20): 1395–1448. DOI: 10.1080/14772019.2022.2042408. S2CID 248192052.
- [4] 1862: die Füße sind reizbar, können als etwas fühlen: "Seeigel (Echinodea), 1) (Echini), Familie der Stachelhäuter; Leib mit einer kalkartigen, aus eckigen, verwachsenen Stückchen bestehenden Schale bedeckt, diese Stückchen sind regelmäßig (bei den meisten herrscht die Zahl 5 vor) u. vielfach durchlöchert (Ambulacra, Fühlergänge), wenn dieselben nicht ganz herunterlaufen, sondern sich bogenförmig vereinigen, so heißen sie unvollständig, durch diese Löcher gehen die sehr reizbaren, häutigen Füße hindurch, womit sie sich bewegen u. fühlen; die Schalenoberfläche hat Höckerreihen, darauf sind bewegliche Stacheln, womit sie sich, wie mit den Füßen, forthelfen; der Mund, unten gewöhnlich im Mittelpunkt, hat 5 Zähne, die ein einer Laterne ähnliches Knochengerüste (Laterna Aristotelis) bilden, dessen einzelne Theile beweglich sind. Fraß: kleine Schalthiere; Bewegung: langsames Kriechen auf dem Meeresboden. Viele Arten von allerhand Gattungen der S., so wie einzelne Theile derselben finden sich versteinert (vgl. Echiniten). Getheilt in die Gattungen: a) Echinus L. (Rundigel), Körper kugelig od. halbkuglig, Mund unten in der Mitte, After gegenüber, mit einer kalkigen, aus 20 Reihen von Täfelchen gebildeten Schale, davon 5 Doppelreihen von Fühlergängen tragen". Es folgt dann noch einiges zur Systematik. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 744. Online: http://www.zeno.org/nid/2001089683X
- [5] 1909: die fünfstrahlige Symmetrie sei nur scheinbein, tatsächlich sei die Symmetrie zweiseitig: "Seeigel (Echinoidea), Klasse der Stachelhäuter, Tiere von meist kugelförmiger oder ellipsoidischer, selten scheibenförmiger Gestalt. Die Arme, welche die Seesterne und Haarsterne auszeichnen, fehlen ihnen gänzlich. Die Schale des Körpers (s. Tafel »Stachelhäuter II«, Fig. 6) besteht in der Regel aus 20 (bei ausgestorbenen Formen aus mehr) wie die Meridiane einer Kugel gruppierten Reihen von Kalkblättchen, die fast immer (s. unten) unbeweglich sind, und von denen immer je zwei nebeneinander gelegene die Poren zum Durchtritt der Saugfüßchen tragen, die zwei folgenden aber nicht. Die bei den regelmäßigen Seeigeln anscheinend vorhandene fünfstrahlige Symmetrie ist in Wirklichkeit eine zweiseitig-symmetrische; noch deutlicher ist dies, wenn Mund oder After exzentrisch liegen (wie bei den Herzigeln, Fig. 5); in der Regel nämlich liegt der Mund unten, in der Mitte, der After oben, nahezu in der Mitte. Die Schale ist mit zahlreichen Höckern besetzt und trägt bewegliche, manchmal sehr große Stacheln; zwischen ihnen liegen die Saugfüßchen und die zangenartigen Greif- und Tastorgane (Pedizellarien, Fig. 2); bei Diadema setosum sind zahlreiche Augen auf ihr vorhanden. Wenn ein S. sich von der Stelle bewegen will, so verlängern sich die Saugfüßchen der vorangehenden Seite durch Wasseraufnahme aus dem Wassergefäßsystem (s. Stachelhäuter) über die Stacheln hinaus, heften sich an einen Gegenstand an und ziehen den Körper, der auf den Spitzen der Stacheln balanciert, nach sich. Zur Zerkleinerung der Nahrung (Krebse, Fische etc.) dient den meisten Seeigeln ein besonderer Kauapparat (Laterne des Aristoteles, Fig. 3), eine aus Kalkstäben gebildete hohle Pyramide mit eigentümlich eingelenkten, meißelartigen Zähnen und sie bewegenden Muskeln. Die S. ohne diesen Apparat verschlucken Schlamm mit dem, was er an Tierischem und Pflanzlichem enthält. Der Darm macht mehrere Windungen und ist innen an der Schale durch häutige Fäden befestigt. Wegen des Nerven-, Wasser- und Blutgefäßsystems s. Stachelhäuter. Die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sind fast immer in der Fünfzahl vorhanden und münden durch ebenso viele Öffnungen oben auf der Schale aus. Die S. sind getrenntgeschlechtlich. Die Entwickelung erfolgt mit bedeutender Metamorphose; die Larven haben die Form des Pluteus (s. Tafel »Entwickelungsgeschichte III«, Fig. 19). Nur bei wenigen Arten hat das Muttertier eine Bruttasche (Fig. 1), in der sich die Jungen, ohne erst die Larvenform zu durchlaufen, entwickeln. Die S. sind ausschließlich Seetiere und leben in allen Meeren, meist in der Nähe der Küsten, indessen auch in großen Tiefen. Einige bohren mit ihrer Laterne und ihren Stacheln in Felsen Löcher zu ihrem Aufenthalt. Man kennt reichlich 300 lebende und 2000 ausgestorbene Arten. Fossil treten sie (Echiniten) schon im Silur auf, weichen aber von den spätern und den noch lebenden bedeutend ab; erst in der Sekundärzeit erlangen sie die auch heute noch vertretene Form. Am stärksten entwickelt sind sie in der Kreide- und der Tertiärformation. Man unterscheidet drei Ordnungen: 1) Regelmäßige oder reguläre S. (Regularia), mit zentralem Mund, Kauapparat, meist zentralem, selten seitlichem After. Hierher Dorocidaris (s. Tafel »Aquarium«, Fig. 34), Cidaris (Turbanigel, s. Tafel »Juraformation I«, Fig. 1), die bereits im Depon auftritt und durch mehrere Arten noch jetzt vertreten ist. Die sichelförmigen Stacheln einer in der mittlern Kreide von Palästina vorkommenden Art, Cidaris glandularia, wurden oft als sogen. Judensteine (lapides judaici oder »Melonen vom Berge Karmel«) nach Europa gebracht. Ferner Palaeocidaris im Kohlenkalk und Palacechinus (s. Tafel »Steinkohlenformation I«, Fig. 8), Hemicidaris und Echinobrissus (s. Tafel »Juraformation I«, Fig 6 u. 8), vorzüglich im Jura, Echinus mit dem gemeinen S. (E. esculentus, s. Tafel »Stachelhäuter II«, Fig. 6), der 8 cm im Durchmesser erreicht, um ganz Europa, auch häufig in der Nordsee vorkommt, und dessen Eierstöcke vielfach roh gegessen werden. Die Familie der Echinothuridae, die einzige unter den lebenden Seeigeln, die bewegliche Kalkplatten hat (hierher Asthenosoma urens, aus den Tropen, mit Giftstacheln; s. Tafel »Stachelhäuter II«, Fig. 4). 2) Die Ordnung der Schildigel (Clypeastridea) umfaßt S. mit flachem, schildförmigem Körper; der Mund mit Kauapparat liegt zentral, der After exzentrisch. Hierher die fossilen Discoidea (s. Tafel »Kreideformation I«, Fig. 11) und Scutella (s. Tafel »Tertiärformation I«, Fig. 4) etc. Die den Seeigeln in der Form ähnlichen Echinosphaerites aus dem Untersilur gehören zu den Cystoideen, also zu den Haarsternen. 3) Die Herzigel (Spatangidea) sind mehr oder minder herzförmig, mit exzentrischem Mund und After, ohne Kauapparat; hierher z. B. Schizaster." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 255. Online: http://www.zeno.org/nid/20007455321
- [6] 1911: "Seeigel (Echinoidĕa), Klasse der Stachelhäuter, kugelherz- oder scheibenförmige Tiere ohne Arme und Fühler, mit bestachelter Kalkschale, die aus meridianartig angeordneten Plattenreihen gebildet wird. Indirekte Entwicklung durch Larven. Zwei Unterklassen: Euechinoidĕa, umfassend S., deren Schale aus 20 Plattenreihen gebildet ist, und Palaeechinoidĕa (Paläechiniden), nur fossile S. (in paläozoischen Schichten), mit gewöhnlich mehr (35-60) Plattenreihen. Erstere zerfallen in 3 Ordnungen: 1) Reguläre S. (Regularĭa), After im Scheitel, Scheitel und Mund zentral, Kiefer- oder Kauapparat wohl entwickelt, kompliziert gebaut (Laterne des Aristoteles); hierher die Gattg. Cidăris, Asthenosōma [A. hystrix Thomps., der Leder-S., Abb. 1700], Echīnus etc. 2) Schildigel (Clypeastroidĕa), Mund und Scheitel zentral, After aber am Rand oder an der Unterseite der Schale, Schale abgeflacht, schildförmig; hierher die Gattg. Clypeaster u.a. 3) Herzigel (Spatangoidĕa), herzförmig, Mund, Scheitel und After exzentrisch, Mund ohne Kieferapparat; hierher die Gattg. Spatangus u.a. Schildigel und Herzigel bilden die irregulären S." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 678. Online: http://www.zeno.org/nid/20001553593
- [7] Li Yongxin et al.: Genomic insights of body plan transitions from bilateral to pentameral symmetry in Echinoderms. In: Commun Biol 3, 2020: 37. PMC 7351957.