Goethes Wasserhebungsversuch
Anleitung
Basiswissen
Mit einem Wassergefäß und Licht kann man mit einfachen Mitteln eindrucksvoll beobachten, wie stark der Effekt der Brechung von Licht ist. Der Versuch wurde unter anderem auch von Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) beschrieben.
Welches Material braucht man für den Versuch?
- Man braucht ein quaderförmiges Wassergefäß[2].
- Quaderförmig meint: rechteckig wie eine Kiste.
- Das Gefäß darf keinen Deckel haben.
- Die vier Wände sollten undurchsichtig sein.
- Am besten hat man auch einen Tisch.
- Man braucht eine helle Tischlampe.
- Man sollte die Lampe frei bewegen können.
Wie führt man den Versuch durch?
- Man nimmt das noch leere Wassergefäß.
- Man macht die Lampe an.
- Sie sollte möglichst von oben auf die Tischfläche scheinen.
- Dann stellt man das Gefäß auf den Tisch.
- Die Lampe soll eine der vier Wände von innen ganz bescheinen.
- Das heißt: eine der vier senkrechten Wände ist innen hell.
- Der Boden soll aber von der Lampe nicht beleuchtet sein.
- Dann gießt man einfach normales Leitungswasser in das Gefäß.
- Plötzlich sind Teile des Bodens beleuchtet.
- Je höher das Wasser steigt, desto stärker wird der Effekt.
Welche Formel beschreibt die Lichtbrechung?
n₁ · sinus(d₁) = n₂ · sinus(d₂) ist eine Version des sogenannten snelliusschen Gesetzes. Kennt man den Einfallswinkel eines Lichtstrahls und die sogenannte Brechungszahlen (das kleine n)[3] der beteiligten Medien, kann man damit den noch fehlenden Ausfallswinkel ausrechnen. Lies mehr dazu unter Snelliussches Gesetz ↗
Der Versuch in Goethes Originalworten
Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe betrachtete sich selbst vor allem als Naturforscher. Im Jahr 1810, zur Zeit der napoleonischen Kriege, veröffentlichte er seine Farbenlehre[4]. Darin beschreibt er über 200 Versuche und Naturbeobachtungen, darunter auch den hier vorgestellten Wasserhebungsversuch[1]:
MERKSATZ:
"Man lasse in ein leeres kubisches [Goethe meint damit: quaderförmig] Gefäß das Sonnenlicht schräg in der Diagonale hineinscheinen, dergestalt daß nur die dem Licht entgegengesetzte Wand, nicht aber der Boden erleuchtet sei; man gieße sodann Wasser in dieses Gefäß, und der Bezug des Lichtes zu demselben wird sogleich verändert sein. Das Licht zieht sich gegen die Seite, wo es herkommt, zurück, und ein Teil des Bodens wird gleichfalls erleuchtet. An dem Punkte, wo nunmehr das Licht in das dichtere Mittel tritt, weicht es von seiner geradlnigen Richtung ab und scheint gebrochen, deswegen man auch dieses Phänomen die Brechung genannt hat. So viel von dem objektiven Versuch."
"Man lasse in ein leeres kubisches [Goethe meint damit: quaderförmig] Gefäß das Sonnenlicht schräg in der Diagonale hineinscheinen, dergestalt daß nur die dem Licht entgegengesetzte Wand, nicht aber der Boden erleuchtet sei; man gieße sodann Wasser in dieses Gefäß, und der Bezug des Lichtes zu demselben wird sogleich verändert sein. Das Licht zieht sich gegen die Seite, wo es herkommt, zurück, und ein Teil des Bodens wird gleichfalls erleuchtet. An dem Punkte, wo nunmehr das Licht in das dichtere Mittel tritt, weicht es von seiner geradlnigen Richtung ab und scheint gebrochen, deswegen man auch dieses Phänomen die Brechung genannt hat. So viel von dem objektiven Versuch."
Was Goethe hier beschreibt ist der Effekt, dass die Lichtstrahlen beim Übergang von der Luft ins Wasser ihre Richtung ändern und dadurch auch den vorher beschatteten Boden erreichen können. In einer anderen Variante des Versuches zeigt Goethe, dass man mit dem Effekt sozusagen um eine Ecke blicken kann:
MERKSATZ:
"Zu der subjektiven Erfahrung gelangen wir aber folgendermaßen. Man setze das Auge an die Stelle der Sonne; das Auge schaue gleichfalls in der Diagonalen über die eine Wand, so daß es die ihm entgegenstende jenseitige innere Wandfläche vollkommen, nichts aber vom Boden sehen könne. Man gieße Wasser in das Gefäß, und das Auge wird nun einen Teil des Bodens gleichfalls erblicken, und zwar geschieht es auf eine Weise, daß wir glauben, wir sehen noch immer in gerader Linie: denn der Boden scheint uns heraufgehoben, daher wir das subjektive Phänomen mit dem Namen der Hebung bezeichnen."
"Zu der subjektiven Erfahrung gelangen wir aber folgendermaßen. Man setze das Auge an die Stelle der Sonne; das Auge schaue gleichfalls in der Diagonalen über die eine Wand, so daß es die ihm entgegenstende jenseitige innere Wandfläche vollkommen, nichts aber vom Boden sehen könne. Man gieße Wasser in das Gefäß, und das Auge wird nun einen Teil des Bodens gleichfalls erblicken, und zwar geschieht es auf eine Weise, daß wir glauben, wir sehen noch immer in gerader Linie: denn der Boden scheint uns heraufgehoben, daher wir das subjektive Phänomen mit dem Namen der Hebung bezeichnen."
Was hat der Versuch mit Küstenseeschwalben zu tun?
Die Küstenseeschwalbe ist ein kleiner Vogel, der Fische in der See Jagd. Der Vogel fliegt einige Meter hoch über der Wasseroberfläche und sucht mit den Augen nach Fischen. Sieht er einen, stürzt er sich mit einem sogenannten Stoßflug nach unten, um den Fisch mit dem Schnabel zu packen. Steht der Vogel nicht senkrecht über dem Fisch, macht sich aber die Lichtbrechung wie beim Wasserhebungsversuch bemerkbar: dort wo der Vogel den Fisch sieht, ist er in Wirklichkeit nicht. Die nötige Korrektur müssen die Jungtiere erst mühsam erlernen. Nicht allen gelingt das und manche verhungern deshalb. Siehe auch Küstenseeschwalbe ↗
Fußnoten
- [1] Goethes Farbenlehre, zweite Abteilung, Paragraphen 187 und 188.
- [2] In der Lernwerkstatt in Aachen verwenden wir für den Versuch ein kleines gläsernes Tischaquarium. Für den Versuch kleben wir die Wände mit Papier zu.
- [3] So hat Luft eine Brechungszahl von ungefähr 1 und Wasser von ungefähr 1,33. Eine Liste für verschiedene Medien steht unter Brechungszahlen ↗
- [4] Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre. Cotta'sche Verlagsbuchhandlung. 1810. Siehe auch Goethes Farbenlehre ↗