Emanation (Philosophie)
Definition
Basiswissen
Emanation heißt wörtlich so viel wie Ausfluss[1], in der Philosophie insbesondere der Aufluß der niederer Seinsformen aus einem, höchsten, selbst ungeschaffenen aber stets schaffendem Prinzip[2], also in einer Stufenfolge stets abwärts[3]. Über die Emanation wurde auch das Böse in der Welt erklärt[4]. Eng verwandt mit der Idee eines höchsten Prinzips sind auch die Idee vom unbewegten Beweger sowie einer niederen, schlechten Welt, dem Bereich des Sublunaren[6]. Die philosophische Idee der Emanation war letztendlich gut verträglich mit der Idee einer wohlgeordnet geschaffenen Welt mit einer Rangfolge verschieden idealer Seinsbereich, einer Scala naturae ↗
Fußnoten
- [1] Emanation als göttlicher Ausfluß: "Emanation (v. lat.), Ausfluß, 1) die philosophische Ansicht, wornach in stufenweise herabsteigenden Entwickelungen alle Dinge aus dem höchsten Wesen flössen, so daß das ganze Universum im Allgemeinen u. im Besondern ein Ausfluß des Ewigen sei. Dieß Emanationssystem liegt den Religionen der Indier (s. Indische Mythologie), Perser (s.u. Parsismus), Ägypter (s. Ägyptische Mythologie) u. Kabbalisten (s. Kabbala) zu Grunde. In de. christlichen Dogmatik nahmen die Gnostiker in der Lehre von der Trinität eine E. des Sohnes u. des Geistes aus dem Vater an u. wurden deshalb Emanatianer genannt; 2) in der Physik ist die Emanationstheorie die Newtonsche Hypothese über die Entstehung des Lichts, daß es ein wirklicher Ausfluß einer höchst zarten Materie von den Licht erregenden Körpern sei, s. Licht." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 666. http://www.zeno.org/nid/20009855386
- [2] Das Niedere aus dem Höheren, Ungeschaffenen: "Emanation (Ausfluss): Hervorgehen des Niederen, Unvollkommenen aus dem Höheren, Vollkommeneren, wobei das Urprincip selbst, aus dem alles sich herausentwickelt, beharrlich-unveränderlich, eine Einheit bleibt. Die Emanation ist das Gegenstück zur Evolution (s. d.). Die Lehre von der Emanation der Dinge aus der göttlichen Einheit heißt Emanationssystem oder Emanatismus. XENOKRATES betrachtet das höchste Sein als das Eine und Gute, von dem alles Geringere abstammt (ARISTOTELES, Met. XIV 4, 1091 b 16), wie schon die Pythagoreer die Zahlen (s. d.), PLATO die Ideen (s. d.) auf eine höchste Einheit zurückführen. Die Stoiker nennen die Seele (s. d.), PLUTARCH die Welt einen »Ausfluß« (apospasma) der Gottheit. Auch bei PHILO sind Keime zum Emanatismus enthalten, dieser aber kommt erst bei PLOTIN zur Ausbildung. Aus dem Einen, Überseienden, Vollkommenen, in sich Verbleibenden geht durch Emanation, durch Hervorstrahlung (perilampsis) die Welt hervor (dei de labein ekeino, ouk ekreousan, alla menousan men tên en autô tên de allên hyphistamenên, Enn. V, 1, 3). Das Eine ist zu denken wie die strahlende Sonne (Enn. V, 16), deren Strahlen mit der Entfernung an Intensität abnehmen (Enn. II, 4, 10 squ.). Aus dem Vollkommenen findet ein »Überfließen« (hyperrhoê) statt, durch Überfalle desselben (to hyperplêres autou pepoiêken allo, Enn. V, 2, 1; vgl. III, 8, 10). Aus dem Einen (hen) emaniert der Geist (nous) aus diesem die Ideenwelt (kosmos noêtos), aus dieser die Weltseele (psychên genna nous) und damit die Einzelseelen, die aus sich die Körperwelt herausbilden. Die Materie (s. d.) ist das Geringste in den Producten der Emanation, denn von oben nach unten nehmen die Kräfte ab (Enn. VI, 7, 9). Die Kräfte, die vom Einen ausgehen, erfüllen das All, und doch bleibt das Eine bei sich (Enn. VI, 4, 3). Nach JAMBLICH geht aus dem Urgrunde (archê) das Eine (hen), aus diesem die intelligible Welt (kosmos noêtos), aus dieser die intellectuelle Welt (kosmos noeros) mit dem Geiste (nous), aus diesem die Seele, aus dieser[250] die Sinnenwelt hervor. Nach PROKLUS ist die Reihe der Emanationen: Urgrund, Henaden (s. d.), Triaden (intelligible, intelligibel-intellectuelle, intellectuelle Welt), Hebdomaden, Seele, Materie. Die neuplatonische Emanationslehre tritt in verschiedener Form bei den Gnostikern (s. d.), bei DIONYSIUS AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA auf. Nach diesem geht aus der ungeschaffen-schaffenden Natur (s. d.) die geschaffen-schaffende Ideenwelt (Logos), aus dieser die geschaffen-nichtschaffende Welt der endlichen Wesen hervor. Auf diesem Wege (processio, (s. d.)) bleibt die Welt in Gott, Gott mit seinem Wirken in der Welt. »Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, se ipsum. manifestans« (De div. nat. III, 17). Die Welt ist eine Selbstoffenbarung Gottes (Theophanie, (s. d.)). Emanationslehre ist auch der arabische Sufismus. – Unter »emanatio« versteht NICOLAUS CUSANUS die Entfaltung des göttlichen Seins in der Welt. »Emanatio in divinis duplex est, una per modum naturae et haec est generatio, alia per modum voluntatis« (De doct. ignor. II, 27). »Per simplicem emanationem maximi contracti a maximo absoluto universum prodiit in esse« (l.c. II, 4). Emanatistisch sind die Lehren der Mystiker, wie ECKHART, J. BÖHME u. a. LEIBNIZ sieht in den Monaden (s. d.) »Fulgurationen« (fulgurations) Gottes; die Dinge fließen beständig aus der göttlichen Einheit (»effluunt«, Erdm. p. 147 f.). Emanatistisch ist die spätere Philosophie SCHELLINGS (Einfluß J. Böhmes). Vgl. Einheit, Dialektik, Gott, Pantheismus." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 250-251. Online: http://www.zeno.org/nid/20001786210
- [3] Teil einer Weltsicht stufenweiser Anordnung: "Emanation (lat.), Ausfluß, insbes. die stufenweise herabsteigende Ausströmung oder Entwickelung aller Dinge aus dem Urwesen. Diese Ansicht vom Universum, wonach es ein notwendiger Ausfluß aus der göttlichen Fülle ist, das Emanationssystem (Emanatismus), stammt aus dem Orient, ist von den Neuplatonikern aufgenommen worden und wurde innerhalb des Christentums von den gnostischen Seiten ausgebildet (vgl. Äon). Der Ursprung des Bösen wird durch die Annahme erklärt, daß die Dinge notwendigerweise um so schlechter geworden seien, je weiter sie sich allmählich in den Abstufungen der E. von dem Urquell entfernt hätten. Auch die kabbalistische Philosophie hat sich das Emanationssystem angeeignet." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 744. Online: http://www.zeno.org/nid/20006549985
- [4] Erklärung des Bösen (Theodizee): "Emanation (lat. emanatio), eigentlich Ausfluß, ist die Lehre des Zoroaster, der Neuplatoniker und der Gnostiker, nach der die Welt durch Überfließen der göttlichen Fülle (plêrôma) mit innerer Notwendigkeit entstanden ist. Das von dem ursprünglich Vollkommenen Emanierte entfernt sich gradweise immer mehr davon und wird so immer schlechter; so erklärt sich nach Ansicht jener Denker auch schließlich das Hervorgehn des Bösen aus Gott. Vgl. böse." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 171-172. Online: http://www.zeno.org/nid/20003581462
- [5] "Emanation (lat.), das Ausfließen, Ausströmen. Emanationssystem, Lehre von einer Ausströmung oder Entwicklung aller Dinge aus dem höchsten Wesen, stammt aus dem Orient, kam zu den Neuplatonikern und wurde von den Gnostikern aufgenommen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 508. Online: http://www.zeno.org/nid/20001077686
- [6] Der römische Politiker, Anwalt, Redner und Philosoph Cicero (106 bis 43 v. Chr) sagte über die sublunare Welt: "Danach hat dann die Sonne ungefähr das mittlere Gebiet inne, als Führer, Fürst und Lenker der übrigen (himmlischen) Lichter, maßgebender Geist der Welt, von solcher Größe, daß sie alles mit ihrem Lichte durchdringt und erfüllt. Von dort folgen wie Begleiter (der Sonne) die Umläufe sowohl der Venus wie des Merkurs. Und auf der untersten Bahn läuft der Mond um, von den Strahlen der Sonne entzündet. Unterhalb (der Mondbahn) gibt es nur noch Sterbliches und Hinfälliges, außer den Seelen, die dem Menschengeschlechte von den Göttern als Geschenk gegeben wurden. Oberhalb des Mondes ist alles ewig." In: T. M. Cicero: Scritpa quae manserunt omnia. Leipzig 1905. Darin: De re publica. Seite 271 bis Seite 379. Übersetzt von W. Petri. Buch 6, Kapitel 17, Seite 373/4. Zitiert nach: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. 1983. Seite 23. Siehe auch sublunar ↗