Makrozustand
Physik
Basiswissen
Ein Makrozustand, im Englischen microstate, ist ein Zustand von vielen Teilchen, der eindeutig mit einer Messgröße wie zum Beispiel Temperatur, Druck oder Volumen beschrieben oder auch gemessen werden kann. Wesentlich ist, dass man dazu keinerlei Kenntnis der Zustände der einzelnen Teilchen des Gesamtsystems nötig ist. Man kann den Makrozustand "Lufttemperatur 20 °C" messen, ohne dass man weiß, wie schnell gerade jedes Luftteilchen ist und in welche Richtung es fliegt. Hier wird kurz erklärt, was das mit der Definition der Entropie zu tun hat.
Makrozustände und Entropie
Im Jahr 1877 veröffentlichte Ludwig Boltzmann eine Schrift, in der er den schweren Begriff der Entropie im Sinne der statistischen Physik erklärte.[1] Die Grundidee ist es, dass die Entropie mit der Anzahl möglicher Mikrozustände zusammenhängt, die alle zusammen zum selben Makrozustand gehören. Je mehr verschiedene Mikrozustände zu einem Makrozustand gehören, desto höher ist die Entropie eines Systems.[2][4] Mathematisch gesprochen bilden die möglichen Mikro- und Makrozustände ein Zuordnung. Während zwar jede Mikrozustand eindeutig zu einem bestimmten Makrozustand (z. B. 20 °C) gehört, so können zu einem Makrozustand oft Billionen von verschiedenen Mikrozuständen gehören. So kommt es für die 20 °C nur darauf an, welche durchschnittliche kinetische Energie die einzelnen Teilchen haben, nicht aber, welches Teilchen gerade welche kinetische Energie hat.[3] Wenn nun die Temperatur im Raum steigt, so gibt es auch neue höhere kinetische Energien, die die Luftteilchen einnehmen. Damit nimmt auch die Anzahl der wahrscheinlichen Mikrozustände zu. Da in einem üblichen Gefäß mit Luft eine sehr große Anzahl von Luftteilchen ist, viele Millionen Millionen, nimmt man den Logarithmus der Anzahl von Mikrozustünden, die zu einem Makrozustand gehören. Dieser Logarithmus ist dann per Definition proportional zur Entropie des Systems.[5]
Eine Frage an den Leser
Es ist mir[6] seit dem Beginn meines Ingenieurstudiums im Jahr 1992 bis heute unklar geblieben, wie man die Anzahl der Mikrozustände zählt, die zu einem Makrozustand gehören. Das Problem tritt auf, wenn man als Zustand eine kontinuierliche Größe wie etwa die Geschwindigkeit zulässt. Wenn man erlaubt, dass ein Teilchen zwischen zum Beispiel der Geschwindigkeit 300 m/s (Meter pro Sekunde) und 310 m/s unendlich viele Zwischengeschwindigkeiten einnehmen kann, dann hat bereits ein System aus nur wenigen Teilchen eine unendlich große Anzahl möglicher Verteilungen der Geschwindigkeiten auf die Einzelteilchen. Für die Temperatur 20 °C gibt es dann genauso unendlich viel Mikrozustände wie für die Temperatur 21 °C. Wie vergleicht man unendlich große Zahlen zur Abschätzung der Entropie?[7]
Fußnoten
- [1] Ludwig Boltzmann: Über die Beziehung zwischen dem zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie und der Wahrscheinlichkeitsrechnung respektive den Sätzen über das Wärmegleichgewicht. In: Sitzungsber. d. k. Akad. der Wissenschaften zu Wien II 76, S. 428 (1877). Nachdruck in Wissenschaftliche Abhandlungen von Ludwig Boltzmann, Band II., S. 164–223.
- [2] Eine ausführliche Beschreibung von Boltzmanns Theorie der Mikro- und Makrozustände zur Definition der Entropie steht in: Tor Norretranders: The User Illusion. Penguin Books. Erstveröffentlichung 1991. ISBN: 0 14 02 3012 2 (Taschenbuch). Dort vor allem die Seiten 32 bis 35.
- [3] Siehe dazu auch die Definition von Temperatur ↗
- [4] Eine Möglichkeit zur Definition der Entropie ist das "Abzählen aller Möglichkeiten, in der sich die Atome oder Moleküle eines Systems anordnen können." Zu dieser Definition sei die Frage angemerkt, ob Entropie nur für Systeme aus Atomen oder Molekülen definiert ist oder etwa auch eine Menge von Photonen oder Teilchen in einem Plasma eine Entropie haben. In: David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday. Physik. Englischer Originaltitel: Fundamentals of Physics. Wiley-VCH Weinheim. 2007. ISBN: 978-3-527-40746-0. Dort die Seite 454. Siehe auch Entropie ↗
- [5] Die Äquvialenz der zwei Defintionen von Entrophie behandelt auch das Höfling Schulbuch der Physik: "Es soll abschließend noch gezeigt weden, daß die im vorhergenden Abschnitt eingeführte und ganz anders definierte Größe ΔS=k·lnw mit der hier gefundenen Größe ΔS=Q/T identisch ist, sodass die Verwendung des gleichen Formelzeichens ΔS gerechtfertigt ist." Der Herleitung beginnt mit der Gleichsetzung ΔS = k·lnw=v·R·ln(V₂/V₃)." Durch Änderungen der Bezeichnungen Q₁, T₁, V₁, V₂ in Q, T, V₃, V₂" ergibt sich die "Gleichung Q/T=v·R·ln(V₂/V₃)". In: Oskar Höfling: Physik. Lehrbuch für Unterricht und Selbststudium. Fünfzehnte Auflage. 1994. ISBN: 3-427-41045-5. Dort die Seite 378.
- [6] Gunter Heim ↗
- [7] In der Mathematik gibt es das Konzept einer abzählbaren Menge und verschiedene Arten von Unendlichkeiten (Aleph). Spielt das hier eine Rolle? Wer die Antwort kennt oder einen guten Hinweis hat, kann gerne an mich schreiben. Die Kontaktdaten stehen unter Rhetos Impressum ↗