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Antispeziesismus


Tierrechte


Definition


„Der Antispezismus beruht auf der Idee, dass die systematische Klassifizierung eines Tieres kein geeignetes Kriterium für die Art und Weise darstellt, wie es behandelt werden sollte. Aus ethischer Sicht kommt es nur darauf an, was ein Lebewesen empfinden kann, und nicht, welcher Art es angehört.[1]“ Bestärkt wird diese philosophische Grundhaltung für Tierrechte durch zunehmende Befunde, dass Tiere - zum Beispiel auch Spinnen - ein reiches inneres psychisches Leben haben könnten. Das ist hier kurz vorgestellt.

Der Speziesismus als Stein des Anstoßes


Fische spüren keinen Schmerz[23] man kann sie daher problemlos töten. Und selbst wenn Fische Leid spüren sollten, ist der Mensch ein höherentwickeltes Wesen und darf Fische für seine Zwecke nutzen: so könnte man die Haltung auf den Punkt bringen, die man in der Philosophie Speziesismus nennt. Spezies meint hier eine biologische Art wie zum Beispiel den Hering (Fisch), den Regenwurm oder die Möwe (Vogel). Der Speziesismus ist dabei weniger eine bewusst erdachte philosophische Position sondern eher eine als Selbstverständlichkeit gelebte Praxis. So war es im 20ten Jahrhundert gängig von einem "Stück Vieh" oder von "Viehzeug" zu sprechen. Auch wenn solche Redeweisen vielleicht gemeinsam mit Dialekten im Rückzug begriffen sind, so zeigt die Sprache auch im 21ten Jahrhundert, dass Tiere weiterhin als Sachen und damit anders als Menschen betrachtet werden. Man spricht ohne schlechtes Gewissen von einer Schweineproduktion[8], würde aber das Wort Menschenproduktion schon instinktiv vermeiden. Die Unterscheidung von Tieren und Menschen bezüglich ihrer moralischen Rechte nennt man Speziesismus ↗

Der Antispeziesmus als Bewegung für Tierrechte


Menschen, die für die Rechte von Tieren eintraten, gab es in Europa schon lange. So wird dem Mönch Franz von Assisi (1181/82 bis 1226) zugeschrieben, dass er Tiere als empfindsame Wesen betrachtete. Die Legende berichtetet, dass er zu Vögeln gepredigt haben soll[9]. Weitere mit dem Tierschutz verbundene Namen sind zum Beispiel Arthur Schopenhauer und Albert Schweitzer. Seit den 1970er Jahren nahmen sich dann Philosophen vermehrt des Themas an[3]. Seit den 2000er Jahren wird das Tierwohl zunehmend auch in der Politik diskutiert[24]. Das Wort Antispeziesismus steht für einen eher theoretisch-philosophischen Zugang zum Tierschutz. Damit verbunden ist der Versuch, auch wissenschaftlich nachzuweisen, dass Tiere ein psychisches Innenleben haben. Das große Problem ist dabei der sichere Nachweis von Bewusstsein ↗

Haben Tiere ein Bewusstsein?


Das ist nicht mit Sicherheit zu sagen: ein Bewusstsein bei Tieren kann man mit philosophischer Strenge genauso wenig beweisen wie ein Bewusstsein bei Menschen. In der Philosophie bekannt sind verschiedene Spekulationen[10] und Theorien[11], die den Menschen als Automaten ohne Empfindung für denkbar halten. Der rote Faden durch viele Argumentationen gegen ein Tier- oder sogar Menschenbewusstsein fußt auf zwei philosophischen Prämissen. Erstens, dass zumindest theoretisch jedes auch noch so komplexe Verhalten von einer beliebig fein ausgeklügelte mechanische oder biologische (Reflex)Maschine hervorgebracht werden kann. Und zweitens, dass weitgehend unklar ist, wie Bewusstsein aus Materie entstehen soll und welche Rolle es konkret für das Verhalten spielt. Diese zweite Frage halten verschiedene Denker für prinzipiell nicht beanwortbar[12]. Mit philosophischer Sicherheit lässt sich also bezüglich des Bewusstseins und der Leidensfähigkeit kein Unterschied zwischen Menschen und Tieren machen. Die Idee, das ein äußerlich scheinbar lebendes Wesen kein psychisches Innenleben hat behandelt man unter dem Stichwort philosophischer Zombie ↗

Denkfähigkeit testen: der Turing-Test


Im Jahr 1950 schlug der englische Informatiker Alan Turing einen Test vor, mit dem man entscheiden könnte, ob ein Computer denken können oder nicht. Die Kernidee ist, dass man einen Menschen sowohl ein Gespräch mit einem anderen Menschen als auch einem Computer führen lässt. Dabei kann die Testperson seine zwei Gesprächspartner weder hören noch sehen. Nur als Texte übermittelte Sprache darf augetauscht werden. Kann die Testperson nicht mehr zuverlässig entscheiden, ob sie mit einem anderen Menschen oder einem Computer spricht, so könnte man aus praktischer Sicher davon ausgehen, dass der Computer denken kann. Der springende Punkt hier ist, dass man mit dem Test nicht überprüfen kann, ob der Computer denkt. Vielmehr muss man, so Turing, davon ausgehen, wenn er äußerliche alle Merkmale von Denkvermögen erfüllt. Diese Methode kann man jetzt auf die Frage übertragen, ob Tiere ein Gefühlsleben haben: zeigen sie äußerlich alle Merkmale, dann müsste man in Analogie zum Turing-Test für Computer davon ausgehen. Siehe auch Turing-Test ↗

Anzeichen für eine Psyche bei Tieren


Es mutet seltsam an, dass sich einerseits Wissenschaftler bemühen, mit aufwändigen Methoden auf eine Psyche, ein inneres Erleben von Tieren zu schließen, wenn andererseits Millionen von Menschen Haustiere halten und alles dafür tun, dass es ihnen "gut geht". Auch Halter von Fischen oder Spinnen haben offensichtlich oft den Eindruck, dass ihre Schützlinge empfindsam sein könnten. Tatsächlich mehren sich seit den frühen 2020er Jahren Hinweise, dass Tiere wie Spinnen[6] und Oktopusse[7] träumen können oder Hummeln spielen[22]. Auch scheinen Fische Situationen zu meiden, in denen sie Futter nur unter Tolerierung von Stress erlangen können. Auch scheinen sie nach stressigen Situationen eine Erholung zu suchen oder sogar andere Fische trösten zu wollen. Ebenfalls ein Indiz für eine Psyche bei Tieren ist ein nachgewiesener Spieltrieb bei Hummeln. Siehe beispielhaft dazu auch den Artikel Traum [auch bei Tieren] ↗

Vom beseelten Tier zur beseelten Landschaft


Die Beseeltheit von Tieren spielt in vielen naturnahen Religionen wie dem Schamanismus, dem Hinduismus und dem Buddhismus eine wichtige Rolle. Dass auch Teile einer Landschaft wie Quellen, größere Steine oder Moore selbst beseelt sein könnten findet seinen Ausdruck in der Idee von dort wohnenden Wesen wie Moor- und Waldgeistern oder Nymphen. Die Idee, dass auch Landschaftsteile Träger von Psyche sein könnten bezeichnet man als Animismus ↗

Das ganz große Bild: Panpsychismus


Dem Panpsychismus (Allbeseeltheit) zufolge könnten alle materiellen Strukturen Träger von psychischen Empfindungen oder Bewusstsein sein. Im Jahr 1899 formulierte der Biologe Ernst Häckel die Vermutung, dass jede Materie empfindsam sein könnte[16]. Unter dem Stichwort vom erweiterten Geist spekulierten dann um das Jahr 2000 Philosophen darüber, dass etwa Büroeinrichtungen oder Computer sozusagen als ausgelagerter Teil von Gehirnen betrachtet werden könnte[16]. Dabei blieb offen, ob diese Strukturen nur wie Werkzeuge unbeseelt gedacht werden sollten oder Teil der menschlichen Psyche werden. Und sogar über die Beseeltheit von Sternen[17] planetaren Nebeln[18] oder des ganzen Kosmos[19] denken nicht nur Science Fiction-Autoren[20] sondern zum Beispiel auch Astrophysiker nach[21]. Der Panpsychismus an sich stellt noch nicht die Forderung nach einer Schutzwürdigkeit möglicherweise beseelter Steine, Landschaften oder Himmelskörper. Dahingehende Tendenzen zeigen sich aber in manchen Strömungen des Landschafts- und Naturschutzes. Siehe auch Panpsychismus ↗

Fußnoten