Turmfalke
Raubvogel
Basiswissen
Der Turmfalke (Falco tinnunculus) lebt oft in Nähe des Menschen und nistet tatsächlich gerne im oberen Bereich von Türmen. Der Turmfalke ist bekannt für seine hervorragenden Fähigkeiten, gegen den Wind gleitend still in der Luft zu stehen. Das macht ihn unter anderem als Vorbild für die Entwicklung von autonom fliegenden Drohnen interessant.
Merkmale
Männchen und Weibchen werden beide um die 35 Zentimeter lang, bei einer Flügelspannweite von etwa 75 Zentimetern. Das Gewicht von gut ernährten Männchen liegt bei etwa 200 Gramm, das von Weibchen etwa 20 Gramm darüber. Im Gefieder unterscheiden sich Männchen und Weibchen deutlich. Das Männchen hat einen grauen Kopf, die Weibchen einen braunen. Männchen und Weibchen haben schwarze Flecken auf dem Rücken und einen abgerundeten Schwanz.
Flugverhalten
Segelflug
Falken haben eine sogenannte Gleitzahl von etwa 10[3]. Das heißt, sie fliegen 10 mal so weit in horizontaler Richtung wie sie an Höhe verlieren. Zum Vergleich: Spatzen haben eine Gleitzahl von nur 4, sind also deutlich schlechtere Segler. Sehr viel besser sind etwa Albatrosse (20) oder Rabengeier (23). Turmfalken sind nicht darauf optimiert, antriebslos lange Strecken gleiten zu können. Siehe auch Gleitzahlen ↗
Rüttelflug
Der Turmfalke ist bekannt für seinen sogenannten Rüttelflug: in einer Höhe von 10 bis 20 Metern über dem Boden steht er ortsfest an einem Punkt still. Dabei schlägt er kräftig mit den Flügeln. So späht er nach Beute auf dem Boden, zum Beispiel Wühlmeise. Diese greift er dann in einem Sturzflug[2] an. Das Rütteln ist ein energetisch sehr aufwändiges Flugmanöver.
Gleit-Schweb-Flug
Im englischen bezeichnet man die Fähigkeit, ohne Flügelschlag still in der Luft zu stehen und dabei auch die Höhe zu halten als windhovering oder hanging.[5] Die Vögel nutzen dabei Gegen- und Aufwinde. Diese Fähigkeit zeigen unter anderem Turmfalken.[6] Im Extremfall können sich Turmfalken so sogar rückwärts und gleichzeitig aufwärts bewegen. Diese Fähkgeiten waren unter anderem dem Flugpionier Otto Lilienthal schon 1889 aufgefallen.[9]
Ein Turmfalke im Standflug auf der Nordseeinsel Wangerooge. Achte darauf, dass der Turmfalke ohne mit dem Flügeln zu schlagen relativ zu einem festen Turm kurzzeitig sogar rückwärts und gleichzeitig auch aufwärts flog. Diese Fähigkeit erregt unter anderem auch das Interesse von Physikern.[4]
Diese Fähigkeit, ohne Flügelschlag still in der Luft stehen zu können, weckte das Interesse von Ingenieuren. Ihr Bestreben, mannlose Fluggeräte (Drohnen) immer kleiner zu bauen, bis hin zur Größe von Insekten, macht es nötig, dass die Geräte mit turbulenten Luftströmungen sehr gut zurecht kommen. Ein Vorbild dazu ist der Turmfalke.[7] Selbst in turbulentem Wind sollen sie ihren Kopf bis auf 6 Millimeter genau ortsfest an einem Punkt halten können.[6] Das Ziel ist die Entwicklung von "ultra-stable UAVs", also sehr flugstabilen unbemannten Fluggeräten, die auch schnell wechselnden Böen (gust-mitigation) standhalten können.[7] Siehe auch unbemanntes Luftfahrzeug ↗
Fußnoten
- [1] Vance A. Tucker, G.Christian Parrot: Aerodynamics of Gliding Flight in a Falcon and other Bird. In: Experimental Biology. 52. Pages. 345-367. 1970. Tabelle mit Gleitzahlen (L/D-ratio) von Vögeln auf Seite 375. Siehe auch Gleitzahlen ↗
- [2] Siehe auch Sturzflug ↗
- [3 ] Vance A. Tucker, G.Christian Parrot: Aerodynamics of Gliding Flight in a Falcon and other Bird. In: Experimental Biology. 52. Pages. 345-367. 1970. Tabelle mit Gleitzahlen (L/D-ratio) von Vögeln auf Seite 375. Siehe auch Gleitzahlen ↗
- [4] Das Video von dem Turmfalken im Standflug am Westturm der Nordseeinsel Wangerooge entstand im Somme 2024. Ähnliche Beobachtungen kann man mit etwas Geduld immer wieder machen: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/10/Turmfalke_(8Standflug)_Wangerooge).webm
- [5] "Windhovering without wing flapping, termed hanging, can occur when birds are in the presence of suitable orographic updrafts (i.e. hill soaring)" In: Penn M, Yi G, Watkins S, Martinez Groves-Raines M, Windsor SP, Mohamed A. A method for continuous study of soaring and windhovering birds. Sci Rep. 2022 Apr 29;12(1):7038. doi: 10.1038/s41598-022-10359-w. PMID: 35487925; PMCID: PMC9054774.
- [6] Den stillstehenden Flug in Aufwinden für Turmfalken (englisch: kestrel) betrachten: Videler J, Groenewold A. Field measurements of hanging flight aerodynamics in the kestrel Falco tinnunculus. J. Exp. Biol. 1991;155:519–530. doi: 10.1242/jeb.155.1.519.
- [7] Den Flug des Turmfalken als Vorbild für den Bau von Drohnen und künstlichen Fluginsekten behandelt: Penn M, Yi G, Watkins S, Martinez Groves-Raines M, Windsor SP, Mohamed A. A method for continuous study of soaring and windhovering birds. Sci Rep. 2022 Apr 29;12(1):7038. doi: 10.1038/s41598-022-10359-w. PMID: 35487925; PMCID: PMC9054774.
- [8] Im Jahr 1889 schrieb Lilienthal über die Segelfähigkeiten von Vögeln: "Was sollen wir denn vom Falken sagen, der minutenlang unbeweglich im Winde steht? Dieses Stillstehen mag wohl seine besonderen Schwierigkeiten haben, denn viele Vögel, die hierauf sich verstehen, giebt es sicher wenigstens unter den Landvögeln nicht. Der Falk verfolgt hierbei offenbar den Zweck, möglichst unauffällig von oben das Terrain nach Beute zu durchspähen; denn oft sahen wir ihn plötzlich aus solcher Stellung niederstoßen." In: Otto Lilienthal: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. 1889. Dort im Kapitel "37. Über die Möglichkeit des Segelfluges", Seite 131.