Stokes Drift
Definition
© 2025
Basiswissen|
Ein Effekt der Orbitalbewegung|
Die Stokes Drift selbst erleben|
Die Stokes Drift und die Driftströmung|
Die Stokes Drift als Forschungsgegenstand|
Wie kann man Stokes Drift beobachten?|
Fußnoten
Basiswissen
Als Stokes Drift bezeichnet man die mittlere, das heißt durchschnittliche Bewegung von Wasserteilchen oder schwimmenden Objekten an oder auf der Oberfläche von Wasser, und zwar als alleinige Folge von Wasserwellen. Die Teilchen bewegen sich dabei wechselweise ein längeres Stück vorwärts in die Richtung der mittleren Geschwindigkeit und dann ein kürzeres Stück rückwärts oder mit deutlich langsamerer Geschwindigkeit. Der Effekt wurde zum ersten Mal im Jahr 1847 wissenschaftlich beschrieben[1], war aber noch im Jahr 2018 nicht abschließend geklärt.[2]
Ein Effekt der Orbitalbewegung
In einer wirklichen Wasserwelle gehen die Wasserteilchen bewegen sich die Wasserteilchen nicht nur senkrecht nach oben und unten sondern auch ein Stück vorwärts und rückwärts. Die Teilchen an der Wasseroberfläche vollziehen dabei mehr oder minder eine kreisförmige Bewegung, die nach unten, mit zunehmender Wassertiefe, immer elliptischer wird. Dabei vollziehen die Teilchen aber gleichzeitig auch eine kleine aber dorch spürbare netto-Bewegung in Richtung der Welle selbst.[6] Diese resultierende Bewegung der Wasserteilchen in Richtung der Fortbewegung der Welle ist die Stokes Drift. Die Geschwindigkeit der Stokes Drift wächst proportional mit dem Quadrat der Steilheit der Welle.[6] Verdoppelt sich die Steilheit einer Welle, dann vervierfacht sich die Geschwindigkeit der Stokes Drift.
Die Stokes Drift selbst erleben
Um die Wirkung der Stokes Drift selbst auszuprobieren sollte man einen möglichst ganz windstillen Tag am Meer aussuchen. Gleichzeitig aber muss ein deutlicher Wellengang vorhanden sein, etwa eine ausgeprägte Dünung.[3] Man schwimmt dann so weit vom Ufer weg, dass sich die Wellen nicht mehr brechen. Dort lässt man sich dann möglichst regungslos auf der Oberfläche treiben.
Mit einer wasserdichten Kamera ließ ich mich von einigen Wellen hin und her mit bewegen. Man spricht von einer Orbitalbewegung der Wasserteilchen. Da aber die Bewegung hin zum Ufer überwiegt, kommt es letztendlich als Nettoeffekt zur sogenannten Stokes Drift.
Man wird merken, dass man zum einen ständig auf und ab oszilliert, und andererseits mit der Zeit immer näher ans Ufer herankommt. Wenn man Strömungen und Wind ausschließend kann, ist die Bewegung hin zum Ufer ein Effekt der Stokes Drift. Die Stokes Drift ist eine Komponente der Driftströmung ↗
Steht man im etwas flacheren Wasser, etwa knie- bis hüfttief, wird man beim Herannahen der nächsten Welle, das heißt im Wellental zweier benachbarter Wellen, einen strarken Wasserzug hin zu offenen See spüren. Das ist die Unterströmung, der rückwärts gerichtete Teil der Orbitalbewegung der Wellen.[4] Dieser kann so stark sein, dass man dagegen schon bei nur schenkeltiefem Wasser nicht mehr anlaufen kann. Auf einem Bein erwischt, wird man davon leicht umgeworfen.
Die Stokes Drift und die Driftströmung
Als Driftströmung im Sinne der Ozeanographie bezeichnet man eine Strömung im Wasser, die ursächlich von Wind erzeugt wurde. Die Luftteilchen übertragen dabei Impuls auf Wasserteilchen und bewegen diese somit in ihrer eigenen Richtung mit. Wenn der Wind aber gleichzeitig auch Wellen erzeugt, oder Wellen aus entfernteren Entstehungsgebieten einlaufen, dann überlagert die Stokes Drift die Strömung, die unmittelbar direkt vom Wind erzeugt wurde. In der Literatur geht man davon aus, dass die Stokes Drift etwa zwei Drittel der resultierenden Strömungsgeschwindigkeit ausmacht. Siehe mehr dazu unter Driftströmung ↗
Die Stokes Drift als Forschungsgegenstand
Die Entstehung der Stokes Drift wird meist mit einer Art kreisförmiger Bewegung der Wasserteilchen im oberen Bereich von Wellen erklärt. Weniger klar ist die genaue Wirkung der Stokes Drift: wie bewegt sich schwimmender Plastikmüll oder treibendes Öl über die Oberfläche des Ozeans? Wie werden die oberen Schichten des Meeres, deren Temperatur ausschlaggebend für die Verdunstung des Wassers sind, verdriftet? Solche Fragen werden auch über 170 Jahre nach Stokes' ursprünglicher Veröffentlichung noch erforscht.[2] Das entsprechende Forschungsgebiet ist die Ozeanographie ↗
Wie kann man Stokes Drift beobachten?
Möchte man die Stokes Drift über größere Entfernungen beobachten, bieten sich zwei ganz unterschiedliche Verfahren an. Man kann zum einen treibende Mikrosensoren im Meer ausstreuen, deren Bewegung man dann verfolgt. Oder man kann alternativ die Bewegung der Wasseroberfläche vom Weltraum aus über Satelliten per Hochfrequenz-Radar erfassen. Beide Methoden werden angewandt.[2]
Fußnoten
- [1] Die Stokes Drift wurde zum ersten Mal im Jahr 1847 wissenschaftlich beschrieben: George Gabriel Stokes: On the theory of oscillatory waves. In: Trans. Camb. Philos. Soc. 8 , 441–455. 1847. Siehe auch George Gabriel Stokes ↗
- [2] "During its periodic motion, a particle floating at the free surface of a water wave experiences a net drift velocity in the direction of wave propagation, known as the Stokes drift. More generally, the Stokes drift velocity is the difference between the average Lagrangian flow velocity of a fluid parcel and the average Eulerian flow velocity of the fluid. " In: Ton S. van den Bremer , Oyvind Breivik: Stokes drift. Philosophical Transactions A 376(2111):20170104. Januar 2018. DOI: 10.1098/rsta.2017.0104
- [3] Als Dünung bezeichnung man ruhige, gleichmäßige Wellen meist größerer Wellenlänge, die auch bei Windstille über die Meeresoberfläche wandern. Die Wellen entstanden dabei oft tausende von Kilometern entfernt, meist bei Stürmen. Siehe auch Dünung ↗
- [4] Zum Anteil der Stokes Drift als Effekt der Orbitalbewegung von Wellen und der direkten winderzeugten Strömung (shear current) heißt es: "Results are inconsistent regarding the relative contribution of the wind-induced shear current and Stokes drift on the total drift current. The drift current at the ocean surface is generally estimated at roughly 3% of the wind speed (at 10-m height). [It was shown] that Stokes drift makes up two thirds (roughly 2% of the wind speed) of the surface drift current." In contrast, more recent studies estimate lower values for surface Stokes drift: roughly 1% of the wind speed." In: Mirja van der Mheen et al.: Depth-Dependent Correction for Wind-Driven Drift Current in Particle Tracking Applications. Front. Mar. Sci., 06 May 2020. Sec. Coastal Ocean Processes. Volume 7. 2020. Online: https://doi.org/10.3389/fmars.2020.00305
- [5] Stokes Drift bewegt Sediment, wo die Wellenbewegung den Boden berührt. Für die Sedimentbewegung ist vor allem die Unterströmung entgegen der eigentlichen Fortbewegungsrichtung der Wellenfront wichtig: "Stokes drift plays a role in wave-induced sediment transport and sandbar migration in the coastal zone, where it drives an opposite return flux, often in the form of an undertow, when it meets the no-flow boundary condition imposed by a beach." In: van den Bremer TS, Breivik Ø. Stokes drift. Philos Trans A Math Phys Eng Sci. 2018 Jan 28;376(2111):20170104. doi: 10.1098/rsta.2017.0104. PMID: 29229803; PMCID: PMC5740299.
- [6] Die Geschwindigkeit in Folge der Stokes drift ist proportional zum Quadrat der Steilheit der Welle: "A fluid particle, which oscillates backwards and forwards due to the linear wave motion, spends more time in the forward-moving region underneath the crest than in the backward-moving region underneath the trough and undergoes its forward motion at greater height, where the velocities are larger. As a result of these two effects, the particle experiences a net forward drift, which is proportional to the square of the steepness of the waves." In: Mirja van der Mheen et al.: Depth-Dependent Correction for Wind-Driven Drift Current in Particle Tracking Applications. Front. Mar. Sci., 06 May 2020. Sec. Coastal Ocean Processes. Volume 7. 2020. Online: https://doi.org/10.3389/fmars.2020.00305
- [7] "Die windinduzierte Scherspannung in der Meeresoberfläche bildet die treibende Kraft für die großskalige Strömung und Wellen. Beide Phänomene werden gleichzeitig erzeugt und beeinflussen sich gegenseitig." Zum Beispiel: "Messungen zeigen eine Erhöhung des Wasserstandes und eine Kustenlängsströmung in der Umgebung und innerhalb der Gebiete, wo die Wellen brechen." Sowie: "Die modellierte und gemessene mittlere Strömung setzt sich aus der Euler- und Stokesdrift zusammen." In: Jens Murawski: Die Wechselwirkung von Seegang und Strömung: Eine theoretische Grundlegung mit Modellanwendungen. Dissertationsschrift. Universität Hamburg. 2007. ISSN 0344-9629. Die sehr mathematische Betrachtung des Thema belegt eine enge Verbindung von Strömungen aufgrund von Schersprannung und Stokes Drift. Die Dissertation betrachtet beide Phänomene unter dem Aspekt einer Energiebilanz größerer Seebereiche.