A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Neutrino

Elementarteilchen

© 2016 - 2025




Basiswissen


Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen mit sehr geringer Masse.[1] Man unterscheidet drei Arten: Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos. Zu jedem dieser Neutrinos gibt es noch ein Anti-Neutrino. Der Name Neutrino nutzt die italienische Verkleinerungsform ino und heißt damit: kleines neutrales Teilchen. Die übliche Abkürzung ist das kleine griechische ny (ν). Neutrinos sind äußerst schwer zu erkennen, das sie Masse mühelos durchfliegen können.

In Zahlen


  • Elektrische Ladung: neutral
  • Masse: weniger als 1 mal 10 hoch −36 kg[2]
  • Ruheenergie: weniger als 1,1 eV
  • Spin: 1/2

Durchdringung der Erde


Neutrinos können Masse sehr gut durchdringen.[2] Das macht es so schwer sie zu detektieren, das heißt sie mit einem Messgerät zu erfassen. Denn ob es irgendwo ein Neutrino gibt, kann man nur feststellen, wenn das Neutrino mit einem Messgerät und damit letztendlich mit Masse in Wechselwirkung gerät. Bemerkenswert ist, dass diese Fähigkeit eines Neutrinos Materie ungestört durchfliegen zu können von seiner Energie und damit von seiner kinetischen Energie abhängt.

Abhängigkeit von der Energie


Wie gut ein Neutrino Masse durchdringen kann hängt von der Energie der Neutrinos ab. Mit zunehmender Energie nimmt der Wirkungsquerschnitt der Neutrinos zu und die mittlere freie Weglänge entsprechend ab. Die mittlere freie Weglänge von Neutrinos mit einer Energie von 103 TeV bei Wechselwirkung mit der Erde liegt im Bereich des Erddurchmessers. Das bedeutet, dass beim Flug quer durch die Erde knapp zwei Drittel dieser Neutrinos wechselwirken, während ein gutes Drittel durch die Erde durchfliegt. Bei 11 MeV (weniger als 103 TeV) ist die mittlere freie Weglänge in Blei bereits 350 Milliarden Kilometer, und in der Erde würden im Schnitt etwa drei von einer Milliarde Neutrinos eine Wechselwirkung eingehen, während die restlichen ungehindert durchfliegen.

Ähnlichkeit zum Ramsauer-Effekt


Was in Lehrbüchern der Physik und Fachveröffentlichung sachlich einfach als Fakt vermittelt wird, ist eigentlich eine Ungeheuerlichkeit. Versucht man sich die Welt der kleinsten Teilchen mit dem gesunden Menschenverstand ähnlich vorzustellen wie die Welt der großen Dinge, die uns im Alltag umgeben, ist es völlig unverständlich, dass langsame Neutrinos besser durch Ansammlungen von Atomen (wie die Erde) hindurchfliegen können als schnelle.

Im Jahr 1921, nur drei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, veröffentliche der Physiker Carl Raumsauer die Ergebnisse eines Versuches, bei dem Elektronen umso ungestörter ein mit Gas gefüllten Behälter durchfliegen konnten, je langsamer sie waren[4], ganz ähnlich wie die langsameren Neutronen auch besser die Erde durchfliegen können. Das war aber damals völlig unverständlich, wie die Worte des Nobelpreisträgers Max Born aus jener Zeit belegen.

ZITAT:

Max Born, 1921: "Aus dieser Änderung muß sich aus vorhandener Theorie die freie Weglänge der Elektronen im Gase berechnen lassen; das hat aber Interesse wegen der schier verrückten Behauptung Ramsauers (in Jena), daß in Argon die Weglänge der Elektronen mit sinkender Geschwindigkeit unendlich wird (die Atome werden von langsamen Elektronen frei durchflogen!). Das wollen wir gern widerlegen."[5]

Etwa 40 Jahre später korrigierte Max Born dann sein Urteil: Ramsauers Ergebnisse waren im Grunde richtig, sie sind aber im Denken einer klassischen, alltagsnahen und anschaulichen Physik nicht zu erklären. Die Lösung liegt in einer für damals völlig neuartigen Denkweise. Siehe dazu auch den Artikel zum Ramsauer-Effekt ↗

Fußnoten


  • [1] Zur geringen Masse der Neutrinos: "Die leichtesten bekannten Teilchen sind mindstens eine Million Mal masseärmer als ein Elektron." Und: aufgrund neuer Messungen "liegt der Höchstwert für die Neutrinomasse bei 0,45 Elektronenvolt […] eine in der Teilchenphysik übliche Einheit." Die Angabe wurde vom Forschungsteam KATRIN aus Karlsruhe ermittelt. In: Neues Höchstgewicht für Neutrinos. Spektrum der Wissenschaft. Juli 2025. Dort die Seite 8.
  • [2] Die Masse eines Elektrons liegt nahe bei 9,109383 56(11) mal 10 hoch -31 kg oder grob gesagt rund 10 hoch -30 kg. Wenn ein Neutrino höchstens ein Millionstel dieser Masse hat, dann ist es rund 10 hoch -36 kg schwer.
  • [3] Zur Massegängigkeit von Neutrinos: "Neutrinos sind […] sehr schwer zu vermessen, das sie Materie mühelos durchdringen." In: Neues Höchstgewicht für Neutrinos. Spektrum der Wissenschaft. Juli 2025. Dort die Seite 8.
  • [4] Carl Ramsauer: Über den Wirkungsquerschnitt der Gasmoleküle gegenüber langsamen Elektronen. In: Annalen der Physik. Band 64, 1921, S. 513–540. Verfasst im August 1920. Siehe auch Ramsauer-Effekt ↗
  • [5] Am 29. 11. 1921 zweifelte der Physiker Max Born in einem Brief an Albert Einstein die Gültigkeit von Ramsauers Befunden an. Born schrieb: "Aus dieser Änderung muß sich aus vorhandener Theorie die freie Weglänge der Elektronen im Gase berechnen lassen; das hat aber Interesse wegen der schier verrückten Behauptung Ramsauers (in Jena), daß in Argon die Weglänge der Elektronen mit sinkender Geschwindigkeit unendlich wird (die Atome werden von langsamen Elektronen frei durchflogen!). Das wollen wir gern widerlegen." Etwa 40 Jahre später korrigierte Born sich: "Die Behauptung Ramsauers, daß im Argon die freie Weglänge der Elektronen mit abnehmender Geschwindigkeit zunimmt und unendlich wird, mußte in jener Zeit ›verrückt‹ erscheinen. Und doch war sie richtig." Und: "Ob Einstein schon damals tiefer sah? Ich weiß es nicht." In: [1] Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seiten 93 bis 95.