Meerschaum
Mineral
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Basiswissen
Meerschaum ist heute der deutsche Name des Minerals Sepiolith. Es ist äußerst leereich, den langsamen Wandel der Bedeutung des Wortes über nun fast drei Jahrhunderte Forschungsgeschichte zu verfolgen. anfänglich war Meerschaum eher ein Sammelbegriff für allerlei verschieden Kuriositäten der Natur[1], dann verengte sich der Begriff auf das Material zum fertigen spezieller Pfeifenköpfe[2], 1856 traten mineralogische Aspekte mehr in den Vordergrund.[3] Und spätestens im Jahr 1908 hat sich die heutei Bedeutung als Mineral Sepiolith[4] fertig ausgebildet. Wer sich für das langsame, tastende Werden technischer oder wissenschaftlicher Begriffe interessiert, dem kann man ein kleines Büchlein des polnischen Mediziners Ludwik sehr empfehlen. Es geht dabei um die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache ↗
Fußnoten
- [1] 1727: es ist sehr schön zu lesen, was man noch im Jahr 1727, in Preußen regierte der Soldatenkönig, die Französische Revolution lag noch in ferner Zukunft und in Deutschland lebten noch Menschen mit einer Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg, alles unter Meerschaum verstand: "Alcyonium, Halcioneum, frantzösisch Ecuma de Mer, teutsch, Meerschaum, auch Merde de Cormaria, ist eine Gattung eines schwammichten Gewächses, welches sich im Meer, oder an desselben Strande findet; oder vielmehr es ist ein Seeschaum, welcher durch der Sonnen Hitze hart gemachet worden, und unterschiedliche Figuren und Farben an sich genommen hat. Dioscorides beschreibet fünfferley Sorten desselbigen. Die erste nennet er Alcyonium spissum seu durum, die siehet einigermassen einem Schwamme gleich: allein sie ist harte und schwer, schmeckt herbe, und riecht gar übel, als wie nach Fischen: befindet sich insgemein am Strande. Die andere heist Favago australis, C. B. ist leicht und löchricht, wie ein Schwamm: riecht wie die Alga. Die dritte, welche einige Milesium nennen, sieht als wie kleine Würmer, und ihre Farbe ziehet sich aufs purpurrothe: jedoch ist sie bisweilen weiß, bisweilen gelblicht: sie wird auch Alcyonium vermiculare genennet. Die vierte heist Alcyonium molle und ist leichte, weich, und siehet wie schmutzigte Wolle. Die fünffte, Alcyonium soraminosum, sieht wie ein Biltz, läst sich auswendig lind anfühlen, und hat einen scharffen Geschmack: inwendig aber ist sie rauch und voller Löchlein, fast wie der Bimsenstein, und ohne Geruch. Es giebt auch sonsten noch viel andere Gattungen. Sie führen viel Saltz und Oel, doch eine Sorte mehr, die andre weniger. Die erste und die andere sind sehr gut für die Rose, die Flechten oder Schwinden, zur Krätze, zum Aussatz und zu andern Unreinigkeiten auf der Haut noch mehr: dienen desgleichen die Flecken im Gesichte zu vertreiben, wann sie zu Pulver gestossen, oder gesotten und äusserlich gebrauchet werden. Die dritte wird dienlich erachtet den Harn zu treiben, wie auch den Nieren- und den Blasenstein: die Verstopfung der Miltz zu heben: zur Wassersucht: und wird entweder als ein Pulver, oder abgekocht gebrauchet. Verbrannt macht sie die Haare wachsen, wann sie mit etwas Wein zertrieben, und aufgeleget wird. Die vierte zertheilet. Die fünffte ist gut die Zähne rein zu halten: und wann sie mit Saltze calciniret wird, macht sie das Haar ausfallen. Alcyonium kömmt her von ἄλς, mare, die See, und κύω, gigno, ich gebähre, weil diese Materie in der See erzeuget wird, und weil die Eisvögel ihre Nester daran hencken, und junge hecken." In: Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 32. Online: http://www.zeno.org/nid/20004374282
- [2] Im Jahr 1809 hatte sich dann die Bedeutung als Material für daraus gefertigte Pfeifenköpfe etabliert: "Der Meerschaum, diejenige gelbliche, mäßig harte und seifenartig anzufühlende erdige Substanz, woraus die beliebten Tobaks-Pfeifenköpfe bestehen. Wiegleb hat denselben chemisch untersucht und gefunden, daß derselbe aus Kieselerde und Bittersalz-Erde zusammengesetzt sei, und folglich nicht unter die Thonarten gehöre. Der Name Meerschaum rührt von seiner schwammichten Consistenz her, welche auf die Vermuthung führte, daß es ein erhärteter Schaum des Meerwassers wäre. Der Ort, wo dieses Mineral gefunden wird, ist lange unbekannt geblieben; endlich hat Beckmann herausgebracht, daß wenigstens die meisten Köpfe aus demjenigen Mineral bereitet werden, daß in Griechenland nahe bei Stives oder Thiva, dem ebemahligen Theben, auf dem Wege nach Negropont zu, gegraben wird. Niebuhrs Berichten zu Folge bricht der Meerschaum auch in Kleinasien in Natolien, nicht weit von der Stadt Konie, in einer grauschieferigen sechs Schuh mächtigen Kalkkluft in nicht starken Adern. Frisch gegraben ist er weiß, zähe, fast wie Wachs, und erhärtet leicht an der Luft, ist übrigens selten ganz rein Der echte Meerschaum scheint übrigens auch im nördlichen Amerika, besonders in der Gegend von Quebec, vorzukommen. Die Pfeifenköpfe [108] werden nicht nach Art der Töpfer-Arbeit gebrannt, sondern man läßt die zähe Masse an der Luft trocknen; und alsdann erst bohrt und schneidet man sie. Es werden jedoch auch Pfeifenköpfe dadurch erhalten, daß man die noch weiche Erde in Formen preßt, die Löcher hinein bohrt und an der Sonne trocknen läßt. Nach einigen Tagen, wenn die Oberfläche derselben mit einer verhärteten gelblichen Haut umzogen ist, werden sie in einen ausgewärmten Backofen gebracht, wo sie bis zum völligen Erkalten liegen bleiben. Die Köpfe werden hierauf in Milch gekocht, dann mit Schachtelhalm abgerieben und zuletzt mit weichem Leder polirt; bisweilen werden nunmehr auch noch andere Künsteleien mit Braunfärben der Köpfe vorgenommen. Da die Türken diese Art Pfeifenköpfe nicht sehr schätzen, sondern denselben die kleinen gebrannten thönernen Köpfe vorziehen, so werden dieselben größtentheils in die christlichen Länder versendet. Im Jahre 1796 wurden bloß über Semlin 83,413 Zentner solcher Pfeifenköpfe eingeführt. Die Haupt-Niederlage der zur See eingeführten Pfeifenköpfe ist zu Triest. Die Pfeifenköpfe kommen jedoch nicht alle ausgearbeitet, sondern großen Theils auch roh geformt zu uns, welche letztern in den Fabriken zu Lemgo, Nürnberg, Schmalkalden und Ruhl (einem Flecken in Thüringen) erst gebohrt und bearbeitet werden. Seitdem man an dem letzten Orte die Kunst erfunden hat, aus dem Abgange und den untaulichen Pfeifenköpfen neue (so genannte unechte) zu verfertigen, kommt auch roher Meerschaum in großen Fässern als Ballast nach Deutschland. Doch ist man wenigstens zur Zeit noch nicht im Stande, diesen unechten Köpfen die Festigkeit der echten zu geben. Von der Echtheit oder Unechtheit eines meerschaumenen Pfeifenkopfs kann man sich am sichersten überzeugen, wenn man denselben mit einem Stück Silbermünze streicht: bekommt er davon bleistiftähnliche Streifen, so ist dieß das sicherste Zeichen, das er nachgemacht ist; nimmt er aber keine Streifen an, so ist die Masse echt. Herr Kiesewald hat im Journal für Fabrik, Manufactur, Handlung und Mode (1797 Jun.) eine sehr lehrreiche Abhandlung über den Meerschaum geliefert." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 108-109. Online: http://www.zeno.org/nid/20000760153
- [3] 1856 nähert sich die Bedeutung immer mehr er Heutigen an, nämlich als Bezeichnung für ein bestimmtes Mineral: "Meerschaum, Mineral aus der Ordnung der Talkerden und der Sippschaft des Specksteins; von 1,2–1,6 spec. Gewicht, von weißgelblicher oder schwach isabellgelber Farbe, findet sich in Livadien und Natolien, unsern Madrid und Toledo in Spanien, zu Rhubisch in Mähren, zu Quincy in Frankreich, sowie in Portugal, Kornwallis und in der Krim. Die beliebten Pfeifenköpfe werden theils aus der noch frischen weichen Masse durch Drehen u. Schneiden, theils aber auch auf diese Weise verfertigt, daß man den M. pulverisirt, das Pulver mit Wasser zu einem Teig knetet und in Formen drückt." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 140. Online: http://www.zeno.org/nid/20003429571
- [4] 1908 hatte sich dann die noch heute gültige Bedeutung für ein Mineral, das Sepiolith, heraus gebildet: " Meerschaum (Sepiolith), Mineral, wasserhaltiges Magnesiasilikat, Mg2Si3O10H4 (theoretisch 60,83% SiO2, 27,01% MgO, 12,16% H2O). Nicht kristallisiert, sondern derb, dicht, feinerdig, mild anzufühlen; weiß, hellgrau bis hellgelb oder -rot; undurchsichtig. Flachmuschelig brechend; matt, ohne Glanz; Strich glänzend; mit dem Fingernagel ritzbar, aber nicht zersprengbar, leicht zu schneiden, wenn feucht. Härte ungefähr 2; spez. Gew. ungefähr 0,9, daher auf Wasser schwimmend. Klebt an der Zunge. Beim Erhitzen vor dem Lötrohr wird Meerschaum schwarz und hart; er schmilzt zu weißem Email. Im Glaskolben beim Erhitzen Wasser abgebend (die faserigen kristallinen Arten geben Wasser bereits bei 100° C. ab, die andern erst bei 200°, alles erst bei Rotglut) und mit Salzsäure unter Abscheidung gallertartiger Kieselsäure zersetzbar. Wird beim Brennen schwarz. Vorkommen zumeist mit Serpentin vergesellschaftet und vielfach aus diesem hervorgegangen (Mähren, Bosnien, Frankreich, Spanien u.s.w.). Der im Handel verarbeitete Meerschaum kommt von Eski-sehschi, Kitschik und Brussa in Natolien (Kleinasien), wo er in knollenförmigen runden Klumpen in Sanden und Konglomeraten gefunden und in wenig tiefen Schächten gewonnen wird. Wahrscheinlich haben die Römer ihn bereits gekannt (Samische Gefäße). Bei der Verarbeitung (Pfeifenköpfe) wird er pulverisiert, dann mit Wasser versetzt und digerieren lassen, wobei sich etwas Schwefelwasserstoff bildet, dann geformt. Um die dunkle Färbung beim Anrauchen zu erzielen, versetzt man den Brei mit etwas Milch, Leinöl oder Wachs, welche beim Erhitzen verkohlen und dunkel färben. Das Rohmaterial kommt aus Kleinasien zumeist nach Wien, als dem Hauptsitz der Meerschaumindustrie; Paris, Pest, dann Ruhla (Thüringen) und Lemgo (Westfalen) verarbeiten ihn ebenfalls. Von den besten Qualitäten kosten 40 nußgroße Stücke 350 Kronen, von der schlechtesten 400 Stücke 30 Kronen österreichischer Währung." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 354. Online: http://www.zeno.org/nid/20006084206