Marktwirtschaft
Eine Wirtschaftsform mit wenig staatlicher Lenkung
Basiswissen
Die Bürger, Käufer, Verkäufer und Firmen entscheiden weitestgehend selbst, der Staat hält sich aus dem Wirtschaftsgeschehen möglichst fern. Die Akteure am Markt entscheiden zum Beispiel selbst:
- Wie teuer etwas sein soll
- Was wann produziert wird
- Wer was lernt oder studiert
Eigenschaften
- Preise entstehen (ausschließlich) durch Angebot und Nachfrage.
- Das Gegenteil einer Marktwirtschaft ist eine Planwirtschaft.
- Ständige Optimierung durch Konkurrenz und Selektion.
- Ähnliche Optimierung wie bei biologischer Evolution.
Analogien zur Evolution
Verschiedene Autoren sehen in einer Marktwirtschaft funktionale Analogien zu darwinistischen Evolutionsprozessen: Unternehmen entsprechen dabei einzelnen Organismen. Unternehmensneugründungen sorgen für Variation, das Marktgeschehen mit der ständigen Gefahr eines Konkurses erzeugt einen Selektionsdruck. Siehe auch Evolutionsökonomik ↗
Selbstzerstörung
Weitgehend freie Märkte mit geringer staatlicher Kontrolle neigen zu einer Selbstabschaffung: einzelne Unternehmen erlangen immer mehr Marktmacht bis hin zur Monopolstellung. Sie legen Preise fest und regulieren dann nach ihrem Interesse. Um den Freien Markt zu schützen, kann der Staat frühzeitig Kartell- und Monopolbildungen beschränken, womit er aber per Definition die Freiheit des Marktes an dieser Stelle einschränkt. Siehe auch unter Marktmonopol ↗
Hoheitliche Aufgaben
Unternehmen verfolgen primär das Ziel, ihren Gewinn zu maximieren. Untergeordnet sind wohltäterische Zwecke. Wo das Gewinnstreben einem beabsichtigten anderen Ziel zu stark entegenläuft, kann der Staat die entsprechenden Tätigkeiten selbst übernehmen. Die Bildung ist zurzeit (2023) in Europa weitgehendst nicht marktwirtschaftlich organisiert. Wäre sie völlig unreguliert, wäre es denkbar, dass weite Bereiche der Bevölkerung auf Schulbildung verzichteten. Auch das Militär ist in vielen Ländern nicht marktwirtschaftlich organisiert.
Unsichtbare Hand
Befürworter einer freien Marktwirtschaft argumentieren oft mit dem maximalen Gemeinwohl für alle: obwohl jeder Marktteilnehmer völlig egoistisch handeln darf, entsteht am Ende daraus der maximal mögliche Wohlstand für alle. Metaphorisch wird hier von einer unsichtbaren Hand gesprochen, die aus Egoismus letztendlich Gemeinwohl schafft. In einer konsequenten Auslegung führt diese Vorstellung zum Marktliberalismus ↗
Martkwirtschaft als kollektive Intelligenz
Aus systemtheoretischer Sicht werden Marktwirtschaften oft als Formen einer kollektiven Intelligenz betrachtet. Die Fähigkeit des Kollektivs, zum Beispiel einer Population aus Unternehmen, übersteigt dabei weit die Fähigkeit jedes einzelnen Unternehmens oder eine reinen Summe getrennt entstandener Unternehmen. Lies mehr unter kollektive Intelligenz ↗
Fußnoten
- [1] Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Deutsch: Der Wohlstand der Nationen. 1776.
- [2] Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Geschrieben 1792, publiziert postum 1851.
- [3] Herbert Spencer: Proper Sphere of Government. 1843.
- [4] Gegroire Chamayou: Die unregierbare Gesellschaft. Eine Genealogie des autoritären Liberalismus. Suhrkamp Verlag. Zweite Auflage 2020. ISBN: 978-3-518-58738-6. Die Kernidee des Buches ist es, dass Staaten Autoritär im Bereich des Politischen sein können und gleichzeitig liberal gegenüber den rein wirtschaftlichen (und unpolitischen) Handlungen der Bürger. Die klassischen Blaupausen dafür bildeten die Diktaturen in Chile und Argentinien in den 1970er und 1980er Jahren.