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Peter-Prinzip


Soziologie


Grundgedanke


Aufgrund zunächst tatsächlich vorhandener Fähigkeiten steigen Menschen in einer Hierararchie so lange nach oben auf, bis sie ihre persönliche Stufe der Überforderung erreicht haben. Dort verbleiben sie dann. So entsteht fast gesetzmäßig eine „Hierarchie der Unfähigen“. Das ist auf den Punkt gebracht die als Peter-Prinzip bezeichnete Hypothese zur Erklärung institutionalisierter Inkompetenz.

Beispielhafte Karrieren: Endzustand Unfähigkeit


Die Autoren siedeln ihre beispielhaften Fälle in der fiktiven Stadt Excelsior an. Dort sei ein Herr Minion ein allseits beliebter Abteilungsleiter der mit Kollegen und Vorgesetzen gut umgehen konnte. Nach seiner Beförderung innerhalb einer öffentlichen Behörde konnte er sich aber von seinen alten Kollegen nicht distanzieren und stiftete nur Verwirrung. Trotz vieler Beschwerden verblieb er anschließend auf dieser Stelle[2, Seite 24]. In einem anderem Fall wird ein gewissenhafter Automechaniker zum Leiter der Werkstatt gemacht. Doch anstatt nun die Arbeit der anderen Mitarbeiter gut zu organisieren, führte der neue Chef weiter die Reparaturen an den Fahrzeugen selbst aus und hielt aufgrund seines Perfektionismus auch keine Zeitvorgaben von Kunden ein Aus einem fähiger Mechaniker war ein unfähiger Werkstattleiter geworden[2, Seite 25].

Das Peter-Prinzip


Peter und Hull gehen davon aus, dass in einer üblichen Hierarchie Menschen solange befördert werden, bis sie ihre individuelle Stufe der Inkompetenz erreicht haben: "Nach einer gewissen Zeit wird jede Position von einem Mitarbeiter besetzt, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen[2, Seite 30]." Im konsequenten Umkehrschluss gilt dann auch "Die Arbeit wird von den Mitarbeitern erledigt, die ihre Stufe der Inkompetenz nocht nicht erreicht haben[2, Seite 30]." Menschen im Endzustand ihrer Karriere werden aber nicht zwangsläufig faul, doch sie sind sich ihrer fehlenden Produktivität bewusst und leiden selbst mit medizinischen Symptomen darunter[2, Seite 135]. Später wurde dafür der Begriff des Boreout[5] geprägt.

Warum werden unfähige Menschen nicht entlassen?


Die Frage liegt auf der Hand: Unfähigkeit ist leicht zu erkennen, etwa an fehlender Produktivität, vielen Beschwerden oder medizinischen Symptomen (z. B. Magengeschwüre[2, Seite 136]). Unfähige Mitarbeiter dennoch nicht zu entlassen hat jedoch gute Gründe. Die Autoren nennen drei: a) die Organisation verbirgt den Misserfolg eigener Personalpolitik, b) das Betriebsklima wird dadurch verbessert, dass Kollegen auf eine Beförderung trotz mangelnder Eignung hoffen dürfen und c) man verhindert, dass frustrierte ehemalige Mitarbeiter nach einem Ausscheiden aus dem Unternehmen Betriebsgeheimnisse an die Konkurrenz weitergeben.[2, Seite 41]

Die Ränder der Gauß-Verteilung


Die Autoren berufen sich auf die "Verteilungstheorie" und gehen am Beispiel des Lehrberufs davon aus, dass die Mehrzahl "mäßig befähigt" ist, kleinere Gruppen sind "sehr befähigt" oder "völlig unfähig"[2, Seite 31 ff.]. Der mittlere Bereich bildet dann die "brauchbare Mehrheit[2, Seite 33]. Zur Illustration sieht man eine Gaußsche Gockenkurve, mathematisch eine Normalverteilung. Während völlig unfähige Mitarbeiter aus nachvollziehbaren Gründen oft entlassen werden, trifft das aber auch auf Menschen mit einer "Super-Kompetenz" zu[2, Seite 52]. Diese, so die Autoren, gefährden die Hierarchie. Die natürliche Reaktion sei dann ein "Abstoßen der Extreme". Sie auch Gauß-Verteilung ↗

Ein eingebauter Fehler: Gefolgsleute und Führer


In einem eigenen Kapitel mit dem Titel "Gefolgsleute & Führer"[2, Seite 77 ff.] geht es um den Karrieresprung "vom Unterdrückten zum Unterdrücker". Am Beispiel eines "Captain", der dann zum "Major" im Militär befördert argumentieren die Autoren, dass "gute Untergebene […] keine guten Führer [werden]".

Den Grad der institutionellen Inkompetenz messen


In den Sozialwissenschaften ist man oft bemüht, Thesen anhand von Daten aus dem echten Leben, aus der Wirklichkeit zu testen. Man nennt das Operationalisieren und meint damit so viel wie ein Verfahren, mit dem man überprüfen kann, ob ein Begriff auch tatsächlich auf die Wirklichkeit zutrifft[5]. Peter und Hull schlagen dafür einen Quotienten vor, den Reifequotienten einer Hierarchie. Dieser RQ ist definiert als das Verhältnis der Anzahl der Beschäftigen im Zustand der Inkompetenz zur Anzahl der Beschäftigten insgesamt[2, Seite 92]. Dieser Quotient soll noch mit der Zahl 100 multipliziert werden, ergibt dann also eine Angabe in Prozent. Zugespitzt kann man für eine RQ-Wert von 100 sagen, dass "offensichtlich überhaupt keine sinnvolle Arbeit mehr geleistet" wird. Siehe auch Operationalisierung ↗

Das Peter-Prinzip und Psychoneuroimmunologie




Zum Ursprung der Hypothese


Das Peter-Prinzip wurde erstmals im Jahr 1969 in den USA in einem gleichnamigen Buch[1] vorgestellt. Das Buch wurde anschließend zu einem Klassiker der amerikanischen Management-Literatur. Den Inhalt bilden die Thesen des Bildungsforschers Laurence Johnston Peter. Das Buch entstand als gemeinsames Werk von Peter und Raymond Hull. 1970 erschien es auch in deutscher Sprache[2]. Während Peter die wesentlichen Thesen lieferte, steuerte Hull nach eigener Aussage Erfahrungen aus umfagreichen Interviews in der US-amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit bei[2, Seite 9].

Wer war Laurence J. Peter?


Laurence Johnston Peter (1919 bis 1990) war ein kanadisch-US-amerikanischer Bildungsforscher. Nach ihm wurde das Peter-Prinzip benannt. Nach der Veröffentlichung seines Buches über das Peter-Prinzip war er finanziell unabhängig und konnte sich vom Berufsleben zurückziehen.

Wer war Raymond Hull?


Raymond Hull (1919 bis 1985) war ein britisch-kanadischer Schriftsteller. 1947 wanderte er aus England nach Kanada aus. Dort bildete er sich selbst mit Kursen zum Schriftsteller aus. Er spezialisierte sich dann auf Sachbücher, insbesondere auch lebensnahe Ratgeber[3].

Das Peter-Prinzip Psychoneuroimmunologie


So bezeichnet man die die wissenschaftliche Untersuchung der engen Zusammenhänge zwischen der (menschlichen) Psyche und der Stärke des Immunsystems. Peter und Hull widmen den psychischen Folgen der erreichten Unfähigkeits-Stufe in einer Hierarchie ein eigenes Kapitel: "Die Pathologie des Erfolgs"[2, Seite 135 ff.] Die Autoren sprechen dort vom Endplazierungs-Syndrom, und listen insgesamt 26 Symptome auf, die man sowohl bei modern formulierten Burnout wie auch dem Boreout findet, zum Beispiel:


Der Amerikaner Howard Bloom (geboren 1943) deutete die Symptome so, dass ein Gefühl der eigenen Nutzlosigkeit bei Menschen eine Art Selbstmordprogramm auslöst. Die Betroffenen ziehen sich zurück, fahren ihr Immunsystem herunter und lehnen Fürsorge ab. Bloom deutet das als sinnvolle Reaktion eines Individuums als Teil einer übergeordneten kollektiven, sozialen Intelligenz. Wer dem Kollektiv nicht mehr nützt, zieht sich selbst zurück von gemeinschaftlichen Ressourcen. Bloom deutetet das in enger Analogie zum programmierten Zelltod im Sinn der Biologie, der Apoptose. Tatsächlich deuten eine Vielzahl von Befunden darauf hin, dass die Gesundheit sehr eng mit dem selbst empfunden Wertgefühl verbunden ist. Wenn immer mehr große Organisationen und Unternehmen über die Jahrzehnte einen immer höheren "Reifegrad" (siehe oben) erreichen, dann müssten im Umkehrschluss auch immer mehr Menschen an den entsprechenden Symptomen Siehe auch Psychoneuroimmunologie ↗

Das Peter-Prinzip und soziointegrative Degeneration


Peter und Hull haben in ihrem kleinen Buch beeindruckend viele Beispiele und mögliche Mechanismen dafür geliefert, dass eine innere Logik in Hierarchien dazu führt, dass immer mehr Stellen mit unfähigen Menschen besetzt werden. Das Buch dürfte für viele Leser mit einer eigenen Kenntnis des Berufslebens oder Politik "von innen her" wie eine Bestätigung vieler Erfahrungen klingen. Die Autoren nehmen aber einen interessanten Fakt nicht wahr: unsere Unternehmen werden im Schnitt über die Jahrzehnte immer produktiver. Immer weniger Mitarbeiter produzieren immer mehr Güter, regeln immer mehr Abläufe und werden immer stabiler. Wie kann das sein? Eine Erklärung ist die sogenannte Schöpferische Zerstörung[7], eine Art darwinistische Vernichtung ineffizienter Strukturen in Marktwirtschafen. Eine andere Erklärung deutet der polnische Futorologie Stanislaw Lem mit seinem Konzept der soziointegrativen Degeneration an: Organisationen werden gerade dadurch effizienter, weil ihre Mitarbeiter degenerieren[8]. Lem zufolge soll man dabei zum Beispiel an Armeen aus stumpfsinnigen Soldaten, aber auch hochstehende Führungskräfte oder in der Biologie an Insektenschwärme denken. Siehe auch soziointegrative Degeneration (Stanislaw Lem) ↗

Fußnoten