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Veblen-Effekt


Wirtschaft


Basiswissen


Für Luxusgüter kann die Nachfrage genau dann ansteigen, wenn der Preis ausreichend hoch ist und weiter steigt. Der Grund dafür ist, dass Reichtum nicht nur vorhanden sein muss, sondern bewiesen werden muss. Das ist hier zunächst mathematisch erklärt. Ein Originalzitat aus dem Jahr 1898 und ein Querverweis auf die Evolutionsbiologie verweisen auf tiefere Erklärungsmuster für den scheinbar paradoxen Effekt.

Der Veblen-Effekt als mathematische Nachfragefunktion


In den Wirtschaftswissenschaften bezeichnet man die Abhängigkeit der Nachfrage nach einem Gut in Abhängigkeit vom Preis als Nachfragefunktion. Die übliche Kurzform dafür ist x(p). Das x steht dafür, welche Menge eines Gutes oder einer Dienstleistung nachgefragt wird, das p steht für den Stückpreis von einer angebotenen Einheit. Üblicherweise geht die Nachfrage zurück, wenn der Preis ansteigt: je teurer es ist, ins Kino zu gehen, desto weniger Kinokarten werden gekauft. Entsprechend fällt der Graph der Funktion in einem Koordinatensystem von links nach rechts gesehen ab, die Steigung ist also überall fallend, die erste Ableitung der Nachfragefunktion ist überall negativ. Genau das alles trifft beim Veblen-Effekt nicht zu. Hier steigt der Graph von links nach rechts gesehen an, die Steigung ist überall positiv. Um für reiche Menschen interessant zu sein, muss ein Wein in einem Restaurant einen Mindespreis haben. Und es kann sein, dass die Nachfrage nach Wein nur dann weiter ansteigt, wenn dieses Wein teurer angeboten wird. Doch warum ist das?

Veblens Originalgedanke von 1898


Der US-amerikansiche Ökonom Thorstein Veblen (1857 bis 1929) hat mehrere Essays über die Schicht der Reichen seiner Zeit geschrieben[1][2]. Produktive Arbeit, so Veblen, sei für Reiche ein Stigma, etwas das das eigene Ansehen mindert. Zum verlässlichen Beweis echten Reichtums und echter Macht muss diese nicht nur vorhanden sein, sie muss auch zur Schau gestellt werden.

“For this class also the incentive to diligence and thrift is not absent; but its action is so greatly qualified by the secondary demands of pecuniary emulation, that any inclination in this direction is practically overborne and any incentive to diligence tends to be of no effect. The most imperative of these secondary demands of emulation, as well as the one of widest scope, is the requirement of abstention from productive work […] [L]abour is felt to be debasing, and this tradition has never died out […] In order to gain and to hold the esteem of men it is not sufficient merely to possess wealth or power. The wealth or power must be put in evidence, for esteem is awarded only on evidence […]”[2]

Der Veblen-Effekt in der Natur


Veblens Gedanke ist im wesentlichen, dass man innerhalb der Schicht der Reichen nur darüber zu Ansehen (esteem) gelangt, indem man seinen Reichtum unzweideutig beweist (put in evidence). Eine Möglichkeit dazu ist die Zurschaustellung von sehr teuren Gütern. Einen ähnlichen Effekt sehen Biologen in der Natur am Werk: die zunächst scheinbar sinnlos luxuriösen Federkleider von männlichen Vögeln, etwa Pfauen, kosten einen hohen Aufwand an Energie und Nahrung und sie stellen eine große Behinderung für die Beweglichkeit der Tiere da. Schon Charles Darwin frug nach dem evolutionären Nutzen[5]. Aufwändige Federkleider Sie sind jedoch ein fälschungssicherer Beweis dafür, dass ein männlicher Vogel einen gesunden und starken Stoffwechsel hat[3]. Und das macht sie für Weibchen anziehend. Wenn ein Weibchen bei einem Männchen scheinbar sinnlos aufwändige Federkleider sieht, dann weiß es mit großer Sicherheit, dass dieses Männchen gesund ist, ähnlich wie man von einem ständig hohen Lebensaufwand eines Menschen auf dessen finanzielle Gesundheit schließen kann. Den Gedanken, dass man menschliches Verhalten sehr weitgehend oder ganz auf evolutionsbiologische Sachzwänge zurückführen kann, untersucht die Soziobiologie ↗

Fußnoten