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Technosoziobiont


Spekulation


Grundidee


Technologien, soziale Strukturen und Menschen verschmelzen zu einem bewusstseinsfähigen Überwesen. Diese von verschiedenen Autoren ausgearbeitete These wird hier kurz vorgestellt. Die entsprechenden Wesen werden hier unter dem Kunstwort Technosoziobiont zusammengefasst.

Einführung


Das Global Brain[1] Metaman[2], der Kybiont[3] oder die Machina Sapiens[4]: Menschen, Maschinen und Kommunikationstechnologien verbinden sich zu einem oder mehreren Überorganismen mit eigenem Bewusstsein: diese These wurde seit den frühen 1980er Jahren unter verschiedenen Namen ausgearbeitet. Einzelne Menschen spielen dabei meist die Rolle einer Zelle in einem Organismus. Telephone, Faxgeräte und das Internet bilden dann die neuronalen Kommuninkationswege. Ein Sammelbegriff für solche Vorstellung ist das soziotechnische Überwesen, eine hybride Verbindung von biologischen und maschinellen Teilen.

Wie werden die Vorstellungen bewertet?


Der französische Molekularbiologie Joel de Rosnay sieht seinen Kybionten (das Überwesen) durchweg euphorisch. Der Mensch wird darin als Homo Symbioticus seine Bestimmung in der Erfüllung eines höheren Zweckes finden[3]. Ähnlich sinnstiftend sieht Gregory Stock das Leben der Menschen als Zellen des Metaman[2]. Ganz gegensätzlich, nämlich dystopisch, zeichnet der Arzt Kazem-Sadegh das Verhältnis der Machina sapiens zu uns Menschen: wir werden darin degenerieren und zu bloßen Funktioneinheiten gemacht[4]. Die Idee der Rückentwicklung hatte auch bereits der polnische Autor Stanislaw Lem um 1980 geäußert, siehe dazu soziointegrative Degeneration ↗

Sind die Theorien wissenschaftlich?


Fast alle Veröffentlichungen überzeugten mit sinnfälligen Analogien (Internet = Nervennetz), lieferten aber kaum brauchbare Definitionen (Intelligenz, Bewusstsein) oder empirisch überprüfbare Aussagen. Damit blieben die Gedankenkonstrukte auf dem Niveau zwar oft fesselnder Szenarien, schafften aber nie den Sprung hin zu anerkannten wissenschaftlich Thesen oder Theorien. Sie wurden kaum oder gar nicht renommierten Wissenschaftsjournalen behandelt. Das sagt aber nichts darüber aus, ob sie zutreffen können oder nicht. Man kann vielleicht von Prototheorien sprechen. Hier stehen einige Gründe, warum diese Thesen bisher noch keine wissenschaftliche Theorien sind.

a) Isolierte Wortverwendung


Gregory Stock bezeichnete das hypothetische Überwesen Metaman als einen Superorganismus[3]. Das Wort Superorganismus war in biologischen Fachdisziplinen aber bereits eng definiert als ein Überorganismus bestehend aus nur artgleichen Komponenten. Konkurrierende Worbedeteutungen erschweren die Betrachtung neuer Theorien als Anknüpfung an bereits bestehende Gedankengebäude. Siehe auch Superorganismus ↗

b) Fehlende Definitionen


Peter Russell schreibt 1981 von einem erwachenden planetaren Bewusstsein[1]. Für Bewusstsein gibt es aber bis heute keine allgemein anerkannte Definition. Eine Definition müsste mindestens theoretisch angeben, wie man entscheiden könnte, ob eine bestimmte Entität Bewusstsein hat oder nicht. Der Mangel liegt aber nicht beim Autoren sondern in der Natur der Sache: Bewusstsein ist wissenschaftlich noch nicht exakt greifbar und entsprechend erschwert bis verhindert die Verwendung des Wortes Bewusstsein, dass eine entsprechende Theorie von anderen Wissenschaftlern aufgegriffen wird. Siehe auch Bewusstsein ↗

c) Inkonsequente Modellierung


Der Franzose Joel de Rosnay beschreibt ein "planetares Hirn" oder "denkendes Netz", bestehend aus "Synapsen" und "Neuronen", die in Analogie zu einem neuronalen Netz lernfähig sein sollen[3]. Als einen Lernprozess schlägt er die sogenannte Hebbsche Regel vor: häufig benutzte Signalleitungen werden verstärkt, weniger häufig benutzte solche Verbindung verlieren an Stärke. Tatsächlich wird die Hebbsche Regel alleine als nicht hinreichend für ein neuronales Lernen betrachtet, es fehlt eine Mechanismus zur Fehlerminimierung, also zur Optimierung. Ein möglicher solcher Mechanismus ist die sogenannte Backpropagation. Rosnay ging auf diesen Mangel nicht selbst ein, was Zweifel an seiner Selbstkritik provoziert. Siehe auch Hebbsche Regel ↗

d) Fehlende Überprüfbarkeit


Der bereits oben vorgestelle Kybiont ist nach Joel de Rosnay ein planetares Überwesen mit der fähigkeit zum Denken. Theorie werden dann naturwisschaftlich greifbar, wenn sie empirisch überprüfbare Aussagen enthalten. Wie soll man aber zum Beispiel durch einen Versuch überprüfen können, ob ein planetarer Organismus denkt? Keiner der von bisher betrachteten Autoren machte Vorschläge, wie Teile ihrer Theorien empirisch überprüft werden könnten. Siehe auch Empirismus ↗

e) Fehlende Widerlegbarkeit


Der Wissenschaftstheoretierk Karl Popper entwickelte das sogenannte Falsifizierungsprinzip. Eine wissenschaftliche Theorie ist Popper zufolge erst dann ernst zu nehmend, wenn sie einen Vorschlag mitliefert, woran man erkennen kann, dass sie nicht zutrifft. Auf ein soziotechnisches Überwesen bezogen würde das heißen, dass ihre Autoren klare Kritieren formulieren würden, bei deren Zutreffen man die Existenz eines Überwesens ausschließen könnte. Solche Kritieren fehlen durchweg allen Theorien zu soziotechnischen Überwesen. Siehe auch Falsifizierungsprinzip ↗

f) Fehlende Anschlussfähigkeit


f) Fehlende Anschlussfähigkeit: als anschlussfähig bezeichnet man eine Theorie, deren Modell- und Begriffsbildung kompatibel mit anderen Theorien sind und die Fragestellungen präzisieren, die von anderen Wissenschaftsgebieten bearbeitet werden könnten. Fast alle Theorien zu einem Überwesen greifen auf Aussagen anderer Fachgebiete zurück, docken aber beispielsweise nicht konsequent an deren Fachterminologie oder Modellbildung an. Besonders ist hier eine sehr weitgehende Einseitigkeit zu beobachten: die meisten Autoren argumentieren stark naturwissenschaftlich bis biologistisch, verwenden aber dabei Begriffe wie Seele, Leben, Geist, Bewusstsein oder Wille, die naturwissenschaftlich nicht greifbar sind, aber in den Geisteswissenschaften oder auch der Theologie oft eine zentrale Rolle spielen. Siehe beispielhaft unter Seele ↗

Begründbarkeit



Definition von Leben



Überprüfbarkeit



Beispiele für soziotechnische Überwesen


Gregory Stocks Metaman, der Kybiont von Joel de Rosnay, verschiedene Varianten des Global Brain, das Energon von Hans Hass oder die dystopische Machina Sapiens von Kazem Sadegh-Zadeh: einige Beispiele zu soziotechnischen Überwesen sind zusammengefasst im Artikel zu Metaman-Welten ↗

Fußnoten