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Naturalistischer Fehlschluss


Originalzitat von 1903


Basiswissen


Der naturalistische Fehlschluss, auch Trugschluss genannt, heißt, dass den Denkinhalt „Gut“ versucht über Eigenschaften und Dinge der realen oder der metaphysischen Welt zu definieren oder damit in eine logisch-rationale Verbindung zu bringen versucht. Das, so der Urheber des Gedankens, George Edward Moore, ist aber von vornehrein zum Scheitern verurteilt.

Englisches Originalzitat aus dem Jahr 1903


§ 1. In order to define Ethics, we must discover what is both common and peculiar to all undoubted ethical judgements; ...
§ 2. but this is not that they are concerned with human conduct, but that they are concerned with a certain predicate "good", and its converse "bad", which may be applied both to conduct and to other things. …
§ 3. The subjects of the judgments of a scientific ethics are not, like those of some studies, "particular things"; …
§ 4. but it includes all universal judgments which assert the relation of "goodness" to any subject, and hence includes Casuistry.
§ 5. It must, however, enquire not only what things are universally related to goodness, but also, what this predicate, to which they are related, is: …
§ 6. and the answer to this question is that it is indefinable …
§ 7. or simple: for if by definition be meant the analysis of an object of thought, only complex objects can be defined; …
§ 8. and of the three senses in which "definition" can be used, this is the most important. …
§ 9. What is thus indefinable is not "the good", or the whole of that which always possesses the predicate "good", but this predicate itself. …
§ 10. "Good", then, denotes one unique simple object of thought among innumerable others; but this object has very commonly been identified with some other—a fallacy which may be called "the naturalistic fallacy".[1]

Beispiel 1: Aus Darwinismus folgt keine Ethik


In einem Lexikon aus dem Jahr 1907, also der Zeit Moores, heißt es zur darwinschen Abstammungslehre: "Doch darf die Darwinsche Theorie nicht in das Gebiet der Wertunterschiede im Dasein übergreifen. Das Gebiet des Geistes, besonders das ethische, läßt sich nicht in bloßen Naturmechanismus auflösen. Denn die geistigen und ethischen Tatsachen sind nicht nur verschieden von den materiellen, sondern auch bedeutungsvoller als diese. Das Weltall, den Menschen mit einbegriffen, kann nicht in eine Mechanik der Atome verwandelt werden." In diesem Zitat[3] wird eine klare Linie gezogen zwischen Beobachtungstatsachen und Werturteilen. Dennoch: kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges veröffentlichte der Militärhistoriker Friedrich von Bernhardi (1849 bis 1930) ein Buch darüber, wie ein nächster Krieg Deutschlands mit seinen europäischen Nachbarn aussehen könnte[2]. In dem Buch griff Berhardi die Idee auf, dass die Völker in einem Kampf ums Dasein stünden, ähnliche wie die Tiere und Pflanzen in der darwinistischen Evolution. Der Kampf ums Dasein wurde dabei von einem möglichen Ist-Zustand der Welt als quasi-logische Folgerung zu einem gewollten Soll-Zustand erhoben, ein klassischer naturalistischer Fehlschluss im Sinne von Moore. Siehe auch Sozialdarwinismus ↗

Beispiel 2: Aus Naturgesetzen folgt kein Sinn


Der Philosoph und Schriftsteller Fritz Mauthner (1849 bis 1923) vermutet, dass aus Naturbetrachtungen nicht nur keine Werte sondern vor allem auch kein Sinngefühl ableitbar ist[4]. Physiker können vielleicht herausfinden wie die Welt abläuft, aber der "Tanz der Atome[5]" liefert kein Wozu, keinen Zweck. Es bleibt eine Lücke zwischen Wissen und Willen[11]. Zwar kann die Beschauung der Natur starke Sinngefühle, Gefühle der Ergriffenheit oder des Weltganzen auslösen, diese Gefühle führen aber nicht auf logisch-rationalem Weg zu einem wörtlich beschreibbaren Sinn des Lebens. Der Weg vom Naturerleben zur Religiösität[9], so der deutsche Theologe Rudolf Otto (1869 bis 1937) führe nicht über das Rationale sondern gerade über Irrationale[6]. Otto nennt die entsprechende Qualität von Gefühl numinos ↗

Abgrenzung zu Humes Gesetz


Als Humes Gesetz bezeichnet man die die Ablehnung, von Ist-Aussagen zu Soll-Aussagen zu kommen. Nur weil etwa eine große Mehrheit der Menschen gerne einmal Notlügen nutzt, kann man nicht folgern, dass sie das auch tun sollten. Dennoch sei dieser Fehlschluss, so Hume, in vielen Schriften zu finden [10]. Humes Gesetz ist zwar vom Ergebnis her mit dem naturalistischen Fehlschluss eng verwandt. Doch benutzt Hume eine andere Begründung, nämlich eine semantische, indem er nämlich die Bedeutung von Gut untersucht. Moore argumentiert, dass die Idee von etwas Gutem grundsätzlich nicht definierbar sei. Man kann Moore so verstehen, dass das Gute nicht aus anderen Dingen herleitbar ist, sondern elementar, atomar (one unique simple object of thought). Daher lasse sich aus der Beobachtung der Welt alleine auch niemals herleiten, dass etwas gut oder nicht gut sei. Hume hingegen argumentiert nicht mit der fehlenden Definierbarkeit des Guten sondern formal damit, dass es logisch nicht zwingend ist, vom Sein auf ein Sollen zu schließen. Siehe auch Humes Gesetz ↗

Fußnoten