Leben
Definitionen
Basiswissen
Tiere leben, Steine eher nicht, das erscheint zunächst offensichtlich. Eine Definition von Leben muss aber auch eine Entscheidung für Grenzfälle fließender Übergänge ermöglichen. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine allgemein befriedigende Definition von Leben zu formulieren. Stattdessen gibt es je nach Fachgebiet und Fragestellung unterschiedliche pragmatische Handhabungen.
Erstes Leben auf der Erde
Die Erde ist rund 4,54 Milliarden Jahre alt. Zellenartiges Leben gibt es auf der Erde seit vielleicht 4 Milliarden Jahren. Erst vor rund 0,5 Milliarden Jahren entstanden die heute sichtbaren echten Tiere und Pflanzen. Erforscht wird diese Geschichte des Lebens auf der Erde von der Paläontologie. Siehe auch => erstes Leben
Definition über Stoffwechsel
In der Biologie ist der Stoffwechsel eine unabdingbare Eigenschaft von Leben: ein Lebewesen muss Materie aus seiner Umwelt aufnehmen und dann auch wieder abgeben. Tiere nehmen Sauerstoff auf und geben Kohlendioxid ab, Pflanzen nehmen Nährstoffe aus dem Boden auf und geben verschiedene Gase an die Umwelt ab. Als Stoff gilt dabei alles, was Masse hat, also theoretisch in Kilogramm gewogen werden könnte. Reine Energie und Licht etwa zählen aber nicht dazu. Könnte man sich aber nicht auch ein Wesen vorstellen, das frei schwebend im leeren Weltraum existiert und dabei weder Stoffe aufnimmt noch abgibt? In der Physik wäre das ein => geschlossenes System
Definition über Energiefluss
Lebewesen müssen Energie mit ihrer Umwelt austauschen: Pflanzen nehmen Sonnenergie über die Photosynthese auf, Tiere nehmen die in Nahrung chemisch gespeicherte Energie uf. Beide Lebensformen strahlen Wärme ab. Auch hier das Problem: könnte ein Lebewesen nicht "energiedicht" im Weltraum existieren (zumindest eine zeitlang)? Dass Energie für Leben zentral ist, ist die Kernidee der => Energon [Theorie]
Definition über Reproduzierbarkeit
Auf der Erde beobachten wir, dass alle Lebensformen Nachkommen erzeugen können: Zellen teilen sich, Pflanzen vermehren sich über Wurzeln oder Samen und Tiere bekommen Nachwuchs. Probleme entstehen aber bei konkreten Einzelfallbetrachtungen: Fordert man Reproduzierbarkeit aber als notwendige Bedingunge für Leben treten Probeleme auf: sollen unfruchtbare Lebensformen wie Maultiere oder nicht mehr zeugungsfähige ältere Menschen dann als tot gelten?
Definition über Evoluierbarkeit
Als Lebendig gilt alles, das sich vervielfältigen kann, dabei Variation im biologischen Sinn zeigt und Merkmale vererbt, also evolutionsfähig ist [3]: alles Dinge, die diese Eigenschaften haben, werden entsprechend evoluieren und alleine dadurch typische und gemeinsame Merkmale ausbilden, die man als lebendig bezeichnet [4].
Definition über Abgrenzbarkeit
Lebewesen erscheinen oft als klar abgrenzte Körper: Eisbären, ein Löwenzahl oder eine Bakterie. Schwieriger wird das Konzept schon bei Pilzgeflechten: sie bilden unter der Erde oft weitverzeigte filigrane Fadenstrukturen. Die ganze Struktur gilt als ein Pilz. Was nun, wenn zwei Pilzstrukturen sich wachsend durchdringen. Vielleicht bilden Fäden verschiedener Pilze sogar Verbindungen aus. Wo ist dann die Abgrenzung von einer Form zur anderen?
Definition über Willen
Leben wird oft über erkennbare Willensregungen definiert, vor allem einen Selbsterhaltungswillen. Unklar ist dabei aber, wie man Willen definieren soll. Einem treu bettelden Hund kann man einen Willen unterstellen, damit Futter zu kriegen. Kann man von einem Stein ausschließen, dass er einen Willen zur inneren Ruhe und Unveränderlichkeit hat? Mehr dazu unter => Freier Wille
Definition über Bewusstsein
Von sich selbst kann man sicher sagen, dass man einen Bewusstseinsstrom hat. Man merkt, dass man ständig etwas erlebt. Die Forderung, dass Leben notwendigerweise bewusst sein muss ist Teil vieler Definitionen. Ist man dann im unbewussten Zustand nicht wirklich lebendig? Und vor allem: wie könnte man überprüfen, ob zum Beispiel ein Fisch oder sogar eine Bakterie ein Bewusstsein hat? Mehr dazu unter => Bewußtsein
Definition über Beseelung
In den christlichen Theologien gibt es das Konzept der Seele: Gott pflanzt einem Menschen eine Seele ein. Erst durch diese wird er lebendig. Leben wird also nicht über äußere, messbare Eigenschaften definiert sondern über einen Akt eines anderen Lebewesens. Siehe dazu auch => Seele
Gibt es außeridisches Leben?
Man geht heute von einer sehr großen Anzahl erdähnlicher Planeten im Weltall aus. Unter gewissen Annahmen erscheint es fast zwingend, dass auf vielen von ihnen erdähnliches Leben entstanden sein muss. Mehr dazu unter => extraterrestrisches Leben
Gibt es künstliches Leben?
Roboter, Androide, Computerintelligenzen: technische Systeme die von lebenden Organisme nicht mehr zu unterscheiden sind nennt man => künstliches Leben
Was ist Panpychismus?
Verschiedene Denker ziehen die Möglichkeit in Betracht, dass potentiell auch Planeten, Sterne, Gaswolken, Wetterstrukturen und viele Dinge mehr aus der Natur belebt sein könnten. Mehr dazu unter => Panpsychismus
Neuronale Maschinen?
"The main aim of this study is the prediction of new life forms via the extrapolation of the hierarchy of the building block systems." Mit diesen Worten charakterisiert der Niederländer op Akkerhuis seine Betrachtungen zu möglichen neuronalen Intelligenzen, die als nächstes auf der Erde entstehen könnten. Op Akkerhuis sieht sie am ehesten als Maschinenwesen. Siehe auch unter => soziotechnisches System
Literatur
- [1] Paul Nurse: Was ist Leben? Die fünf Antworten der Biologie. Aufbau Verlag, Berlin, 2021. 184 Seiten.
- [2] G.A.J.M Jagers op Akkerhuis (2010): "The operator hierarchy: a chain of closures linking matter, life and artificial intelligence". Seite 80.
- [3] H. J. Muller: The gene material as the initiator and organizing basis of life. In: Amercian Naturalist 100. Seiten 493 bis 517. 1966.
- [4] John Maynard Smith, Eörs Szathmáry: The Major Transitions in Evolution. Oxford University Press, New York 1995, ISBN 0-19-850294-X.
- [5] Kazem Sadegh-Zadeh: Als der Mensch das Denken verlernte: Die Entstehung der Machina sapiens. Burgverlag, Tecklenburg. 2000. ISBN: 3-922506-99-2. Kapite 4: Was ist Leben? Siehe auch => Machina sapiens
- [6] Gotthard Günther: Erkennen und Wollen. Eine gekürzte Fassung von Cognition and Volition. Erstmals veröffentlicht in: Cybernetics Technique in Brain Research and the Educational Process. 1971 Fall Conference of American Society for Cybernetics, Washington D.C. Dt. Übersetzung durch die PKL-Group. Vollständige Fassung in Das Bewusstsein der Maschinen. AGIS, Baden-Baden 2002