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Ideologie


Aus naturwissenschaflticher Sicht


Basiswissen


Eine Ideologie ist ein Denkgebäude das mehrere Aussagen oder Annahmen auf logisch konsistente Weise zusammenführt. Oft klingen abwertende Unterstellungen mit an. Ideologien sind klar zu unterscheiden von naturwissenschaftlichen Theorien.

Charakterisierung


Die Worte Idee (eidos) und Logie (logos) sind beide altgriechischen Ursprungs. Idee heißt so viel wie Bild, auch in der inneren Vorstellung. Logos wird oft mit Vernunft oder Verstand übersetzt. Als Ideologie bezeichnet man heute ein Gebäude aus mehreren Aussagen oder Annahmen (Denkbilder), die sich gegenseitig stützten und keine Widersprüche ergeben.

Beispiel Marxismus


In der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts gerieten große Teile der Bevölkerung Europas in dauerhafte Armut. Millionen von Menschen konnte man treffend zusammenfassen unter dem Begriff "Industrieproletariat". Eindrucksvolle Bilder davon zeichneten etwa der englische Autor Charles Dickens sowie der deutsche Unternehmer Friedrich Engels. Karl Marx und Friedrich Engels entwickelten als Lösungsvorschlag ein Gedankengebäude, das man später Marxismus nannte und dessen Grundzüge in dem Buch "Das Kapital" dargelegt sind. Die Anhänger des Marxismus sprachen selbst von einem ideologischen Kampf. Sie waren fest davon überzeugt, dass eine Herrschaft des Proletariats, Kommunismus oder Sozialismus zu einer endgültigen Verbesserung der menschlichen Lage führen würde. Der Marxismus kann somit als ein Beispiel für eine Ideologie betrachtet werden. Siehe auch ismen ↗

Beispiel Darwinismus


Der Darwinismus im engeren Sinn geht davon aus, dass die körperlichen und verhaltensmäßigen Ausbildungen von individuellen Lebewesen weit überwiegend vom Zwang zum Bestehen im biologischen Wettstreit bestimmt sind. Elterntiere kümmern sich um ihre Jungen nicht, weil sie sie lieben, sondern weil dieses Verhalten dem Erhalt der eigenen Art oder der eigenen Gene dient. Den Schritt von einer naturwissenschaftlichen Theorie hin zu einer Ideologie ist dann erfolgt, wenn man jedes menschliche oder tierische Verhalten als Ausdruck biologischer Überlebenskämpfe sieht. Eine dahingehende Ausbildung ist zum Beispiel der Sozialdarwinismus ↗

Abgrenzung zur Theorie


Auch eine Theorie (etwa: Relativitätstheorie) besteht aus logisch miteinander verbundenen Denkbausteinen. Der Unterschied zur Ideologie liegt weniger im inneren Aufbau der Gedankengebäude als vielmehr im Grad der Gewissheit der Träger begründet: von einer Ideologie spricht man, wenn man davon ausgeht, dass die Anhänger des Gedankengebäudes weitgehend vollständig von der Gültigkeit überzeugt sind und der Ideologie auch einen fast abschließenden Welterklärungsanspruch zugesteht. Beim Begriff Theorie klingt immer mit, dass eine abschließende Überprüfung noch nicht stattgefunden hat und das Gedankengebäude offen für Weiterentwicklungen oder sogar eine Widerlegung ist. Mehr unter Theorie ↗

Abgrenzung zur Empirie


Naturwissenschafltiche Theorien (es gibt auch andere) unterliegen immer der Forderung nach Überprüfung an der Wirklichkeit. Als Albert Einstein 1905 und 1916 seine Relativitätstheorien veröffentlichte, konnte man daraus ableiten, dass die Ausbreitungsrichtung von Sternenlicht durch unsere Sonne abgelenkt werden kann. Das dies zutrifft, wurde in den 1920er Jahren durch Himmelsbeobachtungen bestätigt. Insbesondere muss in den Naturwissenschaften zu jeder Theorie mit ausgesagt werden, wie man sie durch Experimente oder Beobachtung stützen oder auch widerlegen könnte. Durch die Verwendung des Wortes Ideologie deutet man aber im Gegensatz dazu an, dass man den Vertretern der Ideologie unterstellt, dass sie an einer Überprüfung kein Interesse haben sondern vielmehr ohne Überprüfung fest von der Gültigkeit ausgehen. Mehr unter Empirismus ↗

Abgrenzung zur These


Wie Ideologie steht auch These für ein Gedankengebäude, dass nicht zwingend empirisch überprüft wurde. Der Unterschied besteht hier in der Tragweite. Der Begriff These deutete einen begrenzten Wirkungsrahmen an: Man kann zum Beispiel die These aufstellen, dass der vermehrte Einsatz von Knete in der Grundschule zu einem verbesserten Zahlen- und Mengenverständnis bei jungen Kindern führt. Dieser These würde man aber eher nicht zugestehen, dass sie die Gesamtheit der menschlichen Angelegenheiten abschließend und global zum Besseren hin wenden würde. Einen solchen anspruch aber kann eine Ideologie haben. Siehe auch These ↗

Politischer Gebrauch


In der Politik wird der Begriff der Ideologie meist als rhetorische Waffe mit herabsetzender Wirkung eingesetzt. Dem politischen Gegner wird unterstellt, er handele ideologisch. Damit wird gesagt, dass er ungeprüften und tendenziell eher nicht funktionierenden Wunschvorstellungen anhängt. Als Gegensatz zu "ideologisch" werden Begriffe wie "menschlich", "pragmatisch", "realistisch" oder "ideologiefrei" verwendet. Eines von vielen möglichen Beispielen sind Plakate der Partei CDU im Aachener Kommunalwahlkampf im Jahr 2020. Der christsoziale (CDU) Bürgermeisterkandidat Baal präsentiert sich selbst als Person, die keiner Ideologie anhängt. Welche Ideologien er seinen Gegnern unterstellt, lassen die Plakate aber offen.

Alternative Begriffe


Wenn es um naturwissenschaftliche Erkenntnisfindung geht ist der Begriff Ideologie aufgrund der Vereinnahmung durch die Politik eher zu vermeiden. Für eine gut begründete Vermutung mit beschränkter Tragweite bietet sich "These" an. Für eine Vermutung mit größerer Reichweite und mit bereits erfolgter oder vorgeschlagener empirischen Überprüfung kann man den Begriff "Theorie" verwenden. Für ein reines Gedankenspiel, aber mit potentiell großer Reichweite eignet sich der Begrif "Spekulation". Möchte man aber "Ideologie" verwenden, so kann man diesen Begriff vor falschen Unterstellungen schützen, indem man miterwähnt: es handelt sich bewusst um ein Gedankenspiel, bei einer Gültigkeit ist die Wirkung möglicherweise sehr groß, man selbst ist aus Gründen von einer Gültigkeit eher überzeugt (Gründe mit angeben). Siehe als Beispiel Theorie ↗