Holismus
Ganzheitlich
Definition
Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile: als holistisch bezeichnet man eine erkenntnistheoretische Position, die Systeme nicht vollständig über das Zusammenspiel ihrer Einzelteile für erklärbar hält. Der Holismus ist damit die Gegenposition zum Reduktionismus. Hier stehen einige Beispiele zu holistischen Positionen.
Die Gegenposition: Reduktionismus
Kennt man die Einzelteile, kennt man alles: allen Spielarten eines erkenntnistheoretischen Reduktionismus gemeinsam ist die Idee, dass die Welt in Einzelobjekte zerlegt werden kann. Diese Einzelobjekte wirken nur nach festen Gesetzmäßigkeiten miteinander. Das klassische Beispiel ist die Vorstellung, dass alle Wissenschaften letztendlich auf Physik reduziert werden können. Mehr unter Reduktionismus ↗
Holismus und klassische Physik
In der klassischen Physik, das heißt, die Physik bis etwa zum Jahr 1900, tritt uns der Holismus zum Beispiel in der Form einer unendlich weit wirkenden Schwerkraft entgegen. Zwei Körper mit Masse ziehen sich gegenseitig immer an. Obwohl diese Anziehungskraft mit der Entfernung abnimmt, wird sie rein theoretisch und rein rechnerisch niemals ganz auf Null zurückgehen. Das heißt aber, dass alle Körper des Universums eine irgendwie geartete Anziehungskraft auf alle anderen Körper des Universums ausüben. Man kann also kein Teilstück des Universums vollständig beschreiben, ohne dass man gleichzeitig den Gesamtzustand des Universums kennt. Die grundlegende Formel dahinter ist das Gravitationsgesetz ↗
Holismus und Quantenphysik
Quantenphysikalische Gesetze, etwa zur Berechnung von Atomorbitalen, verwenden Formeln, die potentiell umso bessere Vorhersagen machen, je mehr der Gesamtzustand des Universums in ihnen abgebildet wird. Das führt zu der Vorstellung, dass die lokalen Werte einer quantenphysikalischen Zustandsfunktion präzise nur vorhergesagt werden können, wenn man den Gesamtzustand des Universums kennt. Ein Phänomen, das dahiner liegt ist die sogenannte Verschränkung ↗
Holismus und Lebendigkeit
Der Organinizismus geht davon aus, dass größere Systeme das Verhalten ihrer Teile beeinflussen können und dabei Phänomene des Lebendigen eine Rolle spielen. Demnach wäre auch unter beliebig genauer Kenntnis aller Einzelteile eines Menschen eine Vorhersage seines Verhaltens nicht möglich. Mehr unter Organizismus ↗
Holismus als Einheit von Gedanken
Der US-amerikanische Philosoph Willima James definierte die Einheit von Gedanken im Sinne eines Holismus: "jeder bewusste Gedanke ist im Wesentliche a komplexes Ganzes; jeder Gedanke hat Bestandteile, welche man später analytisch untersuchen kann. Aber, so wie angetroffen, ist ein Gedanke ein vereinheitlichtes Ganzes welches man nicht auf eine Ansammlung von Bestandteilen herunterbrechen kann ohne dabei sein Wesen zu zerstören.". Im englischen Original: "...each conscious thought is essentially a complex whole; each thought has componentes, which can be examined by subsequent analysis, but, as given, is a unified whole that cannot be reduced to a collection of parts without destroying its essence."[4]
Whiteheadsche Kohärenz
Der englische Mathematik Alfred North Whitehead definierte mit dem Konzept der Kohärenz, das was später als Holismus bezeichnet werden sollte: Coherence,' as here employed, means that the fundamental ideas, in terms of which the scheme is developed, presuppose each other so that in isolation they are meaningless. Mehr unter Whiteheadsche Kohärenz ↗
Holismus und Evolution
Geprägt in seinem philosophischen Sinn wurde das Wort Holismus von dem südafrikanischen Politiker und Universaldenker Jan Christian Smuts. Smuts beschrieb einen Weltprozess, in dem sich kleinere Teile stufenartigen auf immer größeren Ebenen der Komplexität zusammenfügen. Mehr zu Smuts' Konzept unter Holismus und Evolution ↗
Zitate zum Holismus
- Rene Descartes: „Wer ernsthaft die Wahrheit dre Dinge ergründen will, darf sich keiner einzelnen Wissenschaft verschreiben; denn alle Teile der Wissenschaft stehen im Verbund wechselseitiger Abhängigkeit.“[5]
Literatur zum Holismus
- [1] Zur Quantenphysik: Bohm, David: Die implizite Ordnung. Grundlagen eines dynamischen Holismus, Goldmann, München 1987, ISBN 3-442-14036-6.
- [2] Prägung des Wortes in seiner heutigen Bedeutung: Smuts, Jan Christiaan (1927). Holism and Evolution. Herausgeber: Macmillan and Co.
- [3] Zur sprunghaften Evolution: John Maynard Smith; Eörs Szathmáry: The Major Transitions in Evolution. Oxford University Press, New York 1995, ISBN 0-19-850294-X.
- [4] Zitiert nach: Henry Stapp, Mind, Matter, and Quantum Physics, Berlin Heidelberg 1993, Springer Verlag, ISBN 0-387-56289-3, im Kapitel "The Mind-Matter Problem", Seite 178.
- [5] Zitiert nach: Carsten Bresch: Zwischenstufe Leben. Piper & Co. Verlag München. 1977. ISBN: 3-492-02270-7. Vorwort.
- [6] Karl Popper: Das Elend des Historizismus. Tübingen 1971, S. 59–73. (Popper kritisiert dort auch den Holismus).