Goethes Farbenlehre
Naturphilosophie
Basiswissen
Es ist heute wenig bekannt, dass der Dichter Johann Wolfgang von Goethe einen Großteil seiner Schaffenskraft der Geologie, der Biologie und der Physik der Farben widmete. In seiner Farbenlehre[4] sah Goethe seine wichtigste Leistung.
Goethes Versuche zur Optik
Goethe hat in seiner Farbenlehrer über 200 Phänomene rund um Farben beschrieben, von Effekten der Sonne im Harz bis hin zu aufwändigen Versuchen wie sie auch heute noch an Schulen und Universitäten durchgeführt werden.
Goethes Wassertrübungsversuch gelb ↗
Goethes Wassertrübungsversuch blau ↗
Goethes Wasserhebungsversuch ↗
Goethes Graustreifenversuch ↗
Goethes Farbschattenversuch ↗
Goethes Zweikerzenversuch ↗
Goethes Lupen-Verrückungsversuch ↗
Goethes Kantenspektrum ↗
Goethes Prismaversuch ↗
Viele der Versuche Goethes kann man selbst mit einfachen Mitteln nachstellen. Siehe dazu unter Goethes Versuche zur Optik ↗
Goethe und die moderne Physik
Noch im selben Jahr 1810, als Goethe seine Farbenlehre erstmals veröffentlichte[4], antworteten anerkannte Physiker mit deren Zurückweisung[5]. Obwohl namhafte Physiker Goethes manche von Goethes Grundideen durchaus würdigten[1][2], ist Goethes Farbenlehre Physikern heute nicht anerkannt. Ein Grund dafür war sicherlich Goethes Weigerung oder Unfähigkeit, sich auf einem mathematisierte Darstellung seiner Ergebnisse einzulassen[7]. Auch lehnte er jede Modellbildung ab. Während Newton Licht etwa als Strahlen deuten wollte[8] oder Francesco Maria Grimaldi als Wellenphänomen[9], zeigte Goethe kein Interesse an der Frage, was Licht den eigentlich sei, sondern was uns die Natur mit ihren Lichtphänomen sagen will. Bemerkenswert ist, dass viele spätere Physiker es wert fanden, sich mit Goethes Farbenlehre zu beschäftigen[1][2][13][15].
Die Botschaft der Farbenlehre
In einführenden Teil seiner Farbenlehre schreibt Goethe selbst, worauf es ihm ankommt, nämlich die Erkenntnis einer gewissen Polarität in der Welt:
"So mannigfaltig, so verwickelt und unverständlich uns oft diese Sprache scheinen mag, so bleiben doch ihre Elemente immer dieselbigen. Mit leisem Gewicht und Gegengewicht wägt sich die Natur hin und her, und so entsteht ein Hüben und Drüben, ein Oben und Unten, ein Zuvor und Hernach, wodurch alle die Erscheinungen bedingt werden, die uns im Raum und in der Zeit entgegentreten."[10]
Doch die Polarität ist für Goethe wiederum nur Ausdruck einer Einheit hinter allen Dingen:
"Treue Beobachter der Natur, wenn sie auch sonst noch so veschieden
denken, werden doch darin miteinander übereinkommen, daß alles, was erscheinen, was uns als ein Phänomen begegnen solle, müsse entweder eine ursprüngliche Entzweiung, die einer Vereinigung fähig ist, oder eine ursprüngliche Einheit, die zur Entzweiung gelangen könne, andeuten. Und sich auf eine solche Weise darstellen. Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, ist das Leben der Natur; dies ist die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das Ein- und Ausatmen der Welt, in der wir leben, weben und sind.“[11]
Einteilung und Wirkung der Farben
Fußnoten
- [1] Helmholtz H: Über Goethe’s naturwissenschaftliche Arbeiten. Vortrag zu Königsberg 1853. Braunschweig, Friedrich Vieweg, 1896, vol 1.
- [2] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Dort speziell: 85. Vorlesung: Herings und Goethes Theorie der Farben. Seiten 651—656. Siehe auch Grundlagen der Naturwissenschaften (Exner) ↗
- [3] Gunter Heim: Goethes Farbenlehre und die moderne Physik. Begleitmanuskript zu einem Experimentiertisch. Ein Beitrag im Rahmen einer Tagung der Vennland-Akademie für philosophische Erwachsenenbildung. 74. Wochenendtagung: Goethes Naturforschung und Naturphilosophie - Überholt oder Weitung des Blicks? Online: https://www.rhetos.de/html/pdf/vennland-vortrag_2016_goethes_farbenlehre.pdf
- [4] Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre. Cotta'sche Verlagsbuchhandlung. 1810.
- [5] Carl Brandan Mollweide: Prüfung der Farbenlehre des Herrn v. Goethe und Vertheidigung des Newton’schen Systems wider dieselbe. 1810.
- [6] Carl Brandan Mollweide: Darstellung der optischen Irrthümer in Herrn v. Goethe's Farbenlehre. 1811.
- [7] Scherzhaft in der Form aber inhaltlich durchaus sehr ernst gemeint: in seinen Spottversen zum Hexeneinmaleins warnt Goehte dichterisch davor, die Mathematik zu einem Selbstzweck zu machen. Siehe auch Hexeneinmaleins ↗
- [8] Isaac Newton definiert Lichtstrahl (ray) als den kleinstens Teil Licht, der für sich alleine vorkommen kann: "By the Rays of Light I understand its least Parts, and those as well Successive in the same Lines, as Contemporary in several Lines. […] The least Light or part of Light, which may be stopp'd alone without the rest of the Light, or propagated alone, or do or suffer any thing alone, which the rest of the Light doth not or suffers not, I call a Ray of Light." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The_ FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Dort die Definition I auf Seite 2. Siehe auch Lichtstrahl ↗
- [9] Der Italiener Francesco Maria Grimaldi hat schon um 1665 darüber spekuliert, dass Licht etwas Wellenartiges ein könnte. In einer englischen Übersetzung aus seinem Buch "De lumine" heißt es: "light seem[ed] to be some very fast fluid, sometimes also undulating...". Das englische Wort undulating heißt dabei so viel wie wellenartig auf und ab wogend. In: Oliver Darrigol: A History of Optics. From Greek Antiquity to the Nineteenth Century. Oxford University Press. 2012. ISBN: 978–0–19–964437–7. Dort die Seiten 58 und 59. Siehe auch De Lumine, coloribus, et iride ↗
- [10] Farbenlehre. Didaktischer Teil. Einführung.
- [11] Farbenlehre, Paragraph 739.
- [12] Gunnar Hinrichs: Heisenbergs Auseinandersetzung mit Goethes Farbenlehre. Vortrag im Rahmen der Veranstaltung: Goethes Farbenlehre im Lichte neuerer Untersuchungen aus Physik, Wissenschaftsgeschichte und Philosophie. Farbkonferenz am Philosophicum in Basel, 29. – 30. September 2017.
- [13] Werner Heisenberg: Die Goethe’sche und die Newton’sche Farbenlehre im Lichte der modernen Physik. 1941.
- [14] Werner Heisenberg: Das Naturbild Goethes und die technisch-natur-wissenschaftliche Welt. 1967.
- [15] Carl Friedrich von Weizsäcker. Essay. In: Goethes Werke Band XIII. Verlag C. H. Beck. München. 2002. ISBN: 3-406-08-493-1.