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Gezeitenparadoxon


Ebbe und Flut komplizierter als gedacht


Basiswissen


In vielen Darstellungen zur Entstehung von Ebbe und Flut sieht man eine Erdkugel mit zwei Flutbergen. Diese Darstellung passt nicht zu einfachen Beobachtungen, die jeder Urlauber an der europäischen Meeresküste machen kann. Das wird hier kurz aufgezeigt.

Das Bild der zwei Flutberge (kann nicht sein)


In vielen Atlanten und anderen Büchern findet man das Bild mit den Flutbergen. Das Bild soll die Gezeiten, also Ebbe und Flut, veranschaulichen. Man sieht dabei eine Erdkugel, umgeben von Wasser. Auf der Seite die genau zum Mond zeigt ist das Wasser etwas dicker gemalt. Das ist ein Flutberg. Auf der Erdhälfte die vom Mond wegzeigt ist noch ein zweiter Flutberg dargestellt. Wenn sich nun die Erde einmal am Tag um sich selbst dreht, dann würde jeder Ort auf der Welt (außer die zwei Pole) einmal unter beiden Flutbergen hindurchtauchen. Das müsste man an Küsten dann daran merken, dass zwei mal am Tag das Wasser zur Flut aufläuft. Das tut es auch. Soweit ist das Bild korrekt. Siehe auch Flutberg ↗

Die Realität an der Küste von Holland


Betrachten wir jetzt eine lange Bucht wie etwa die Oosterscheldemündung in den Niederlanden. Sie liegt auf einer geografischen Breite von etwa 50 Grad. Man kann darüber ausrechnen wie schnell sich ein Ort dort um die Erdachse bewegt. Die Länge des Breitenkreises beträgt dort ungefähr 27.000 Kilometer. In 24 Stunden bewegt sich die Gegend der Oosterschelde also 27.000 Kilometer weit auf ihrer Kreisbahn. Ganz grob gesagt, entspräche dies einer Bahngeschwindigkeit von 1000 Kilometern pro Stunde. Das heißt, dass die Oosterschelde mit 1000 Kilometern pro Stunde unter dem Flutberg hindurchtaucht. Der Hochwasserstand sollte sich mit dieser Geschwindigkeit zwischen zwei Orten auf etwa der gleichen geografischen Breite fortbewegen. Das tut er aber nicht.

Der Widerspruch


Ganz links im Westen der Oosterscheldemündung gibt es die große Zeelandbrücke. Etwa 15 Kilometer weiter östliche davon liegt eine Bucht nahe der Stadt Goes. Die Bucht heißt Goese Sas. Nach dem Flutbergbild müsste der Zeitunterschied dort etwa eine Minute betragen. Tatsächlich kommt das Hochwasser mit rund 45 Minuten Zeitunterschied gegenüber der Zeelandbrücke an. Wie passt das zu dem Flutbergbild?